Kommentar: Was heißt denn hier CASE?

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Nicht nur wenn es um Zukunftsthemen geht, aber dann meist besonders häufig, werden gerne Anglizismen verwendet. Das vor dem Hintergrund eine zunehmenden Internationalisierung, nicht zuletzt aber wohl auch deshalb, um so zu demonstrieren, dass man hip und ganz vorne dabei ist bei den neuesten Entwicklungen und Trends, von denen viele bekanntlich ja von der anderen Seite des Atlantiks zu uns herüberschwappen. Und so verwundert nicht weiter, dass Continental seine jüngste sogenannte „TechShow“, die als eine Art Vorschau zur IAA in Frankfurt (mehr dazu dann im August-Heft der NEUE REIFENZEITUNG) mit Praxisvorführung zu verstehen ist, unter das Motto „Mobility is the Heartbeat of Life“ – Mobiliät ist der Puls des Lebens – gestellt hat.

Wie sollte es anders auch sein, war dabei einmal mehr CASE ein Thema. Zumal dieses Akronym – üblicherweise stehend für die selbstredend englischsprachigen Begriffe connected (verbunden), autonomous (autonom), shared (geteilt) und electric (elektrisch) – derzeit das Buzzword schlechthin rund um die gesamte Automobilbranche zu sein scheint, wenn es um ihre Zukunft geht. Soll heißen: Allgemeine Vision ist, dass individuelle Mobilität mehr und mehr über das Teilen statt dem Besitz eines Autos realisiert wird, wobei das Vehikel dann freilich noch überwiegend ohne Fahrereingriff vorankommt, sich dabei mit anderen Fahrzeugen austauscht beispielsweise über die Verkehrslage oder den Fahrbahnzustand (trocken, nass, glatt etc.) und dabei elektrisch angetrieben wird.

Was aber wird aus dem bisherigen CASE, wo diese Buchstabenkombination aus combustion (engine), automobiles, safe sowie efficient zusammengesetzt wäre und sichere, effiziente Autos mit Verbrennungsmotor umschreiben würde? Entsprechende Fahrzeuge werden vor allem vonseiten der politischen Entscheider heute gedanklich samt uns sonders schon in der Schrottpresse gesehen. Dabei kommen die als Allheilmittel gegen Kohlendioxid- und Stickstoffdioxidemissionen angesehenen Elektroautos nach wie vor nicht so richtig in die Gänge: Anfang des Jahres gerade einmal gut 83.000 von ihnen entsprechen einem 0,2-prozentigen Anteil am Pkw-Gesamtbestand von 47,1 Millionen Einheiten. Kein Problem: Man ändert das bisherige Ziel von bis 2020 eine Millionen Elektro-Pkw auf den Straßen Deutschlands einfach auf zehn Millionen Einheiten bis 2030. Wird schon irgendwie klappen, wenn der (politische) Wille nur groß genug ist, so offenbar das Kalkül.

Was ist aber mit Fakten wie einer bis dato eher unzureichenden Reichweite der E-Mobile, die zwar für den Stadtverkehr oder das Pendeln zur Arbeitsstelle reichen mag, nicht aber für die Langstrecke? Hinzu kommt die Ladethematik, die gerade für die vielen Laternenparker in größeren Städten eher ein Problem ist als für Eigenheimbesitzer auf dem Lande, die dafür aber tendenziell eher langstreckentaugliche Fahrzeuge benötigen etwa wegen der vergleichsweise längeren Wege von und zur Arbeitsstelle. Dabei noch gar nicht in die Betrachtung eingeflossen ist, dass C bei Elektroautos auch für das englische Wort costly (teuer) stehen könnte: Denn im direkten Vergleich mit Verbrennern kosten sie derzeit meist deutlich mehr, sodass sich nicht jeder ein solches Mobil leisten will oder kann.

Wobei die Hochrüstung der Fahrzeuge mit immer mehr technologischen Lösungen die Mobilität tendenziell ohnehin verteuert. So hat Conti bei besagter „TechShow“ etwa ein im Rahmen seines Joint Ventures mit Osram entwickeltes Laser-LED-Frontscheinwerfersystem mit je mehr als 4.000 einzeln ansteuerbaren Pixeln gezeigt. Mag es auch noch so gut sein, stellt sich dennoch die Frage, ob dessen Leistung es wert ist, bei einem etwaigen Parkrempler ein bis mehrere Tausend Euro für den Ersatz bzw. die Reparatur eines solchen Scheinwerfermoduls aufwenden zu müssen. Analog dürfte es sich bei dem Conti-Nahbereichsradar für Pkw mit vier Sensoren an jeder „Ecke“ eines Fahrzeuges verhalten, auf dem der Abbiegeassistent des Zulieferers aufbaut, das aber genauso Input für weitere Assistenzsysteme liefern können soll.

All das wird das Fahren fraglos sicherer machen. Nicht ohne Grund ist im Lkw-Bereich der Einbau von Abbiegeassistenten ab 2020 für alle neuen Fahrzeugtypen EU-weit Pflicht und werden Autos ohne Abbiegeassistenten zukünftig nicht mehr die höchste Euro-NCAP-Einstufung erhalten können. Solche Systeme sind bei alldem nicht zuletzt Grundlage für das automatisierte Fahren, sollte es sich tatsächlich irgendwann auf breiter Front durchsetzen und nicht nur in begrenzten Anwendungsszenarien (im Stop-and-go-Verkehr im Baustellenstau, bei der selbstständigen Parkplatzsuche etc.).

Ebenso wie an der fast schon religiös anmutenden Fixierung allein auf batterieelektrisches Fahren als Lösung jeglicher Probleme rund um den Individualverkehr dürften Zweifel daran allerdings angebracht sein. Dafür sind zumindest die Deutschen in der Mehrzahl noch zu große Autoenthusiasten, die wohl lieber noch selbst ins Lenkrad greifen. Diejenigen, die ohnehin nicht gerne Auto fahren, können sich im Übrigen ja auch heute schon chauffieren lassen: mit dem Bus, der Bahn oder im Taxi. Bleibt nur zu hoffen, dass nicht der Gesetzgeber die individuelle Mobilität noch weiter reguliert und damit den Puls der Automotive-Branche verlangsamt so wie es angesichts weiter verschärfter Emissionsgrenzwert bereits befürchtet wird.

Dabei könnten die Folgen für das Ersatzgeschäft unter Umständen gar nicht mal so negativ sein. Wenn die Auflagen für Neufahrzeuge immer höher und sie aufgrund zunehmend verbauter (Hoch-)Technologie kontinuierlich teurer in der Anschaffung werden, dann dürften immer mehr Verbraucher an ihrem bereits vor der Tür stehenden Vehikel festhalten respektive es hegen und pflegen wollen. Sollte das Alter des Fahrzeugbestandes, das zu Jahresbeginn 2019 die Marke von neuneinhalb Jahren (Anfang 2018: 9,4 Jahre) erreicht hat, insofern weiter ansteigen, wird mehr und mehr Service an den Kfz vonnöten sein, um sie verkehrstüchtig zu halten. Das wäre doch wenigstens etwas Gutes. christian.marx@reifenpresse.de

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  1. […] meistern. Gemeint damit sind neue Mobilitäts- und Antriebskonzepte, was üblicherweise unter dem Akronym CASE zusammengefasst wird, als Abkürzung für die englischsprachigen Begriffe connected (verbunden), […]

  2. […] Mobilitätslösungen zu investieren, worunter man beispielsweise Entwicklungen unter dem Stichwort CASE (Connected, Autonomous, Shared, Electric) versteht. Genauso soll es dabei unter anderem noch um […]

  3. […] mit den Fahrzeugherstellern unter anderem gerade zukunftsorientierte Projekte im Bereich CASE (Connected, Autonomous, Shared, Electric) umfasst. „Nachhaltigkeit, CASE-Mobilität und Partnerschaften waren für uns drei große […]

  4. […] 258 Millionen. Begründet wird die Abnahme nach dem zwischenzeitlichen Höchststand mit der Zunahme alternativer Mobilitätsangebote in Form von Carsharing oder autonomer Fahrdienste. Doch die Studie sagt durchaus noch mehr voraus. […]

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