Kommentar zu Kommentar: WTF! – Haben Reifenwerksschließungen „auch etwas Gutes“?

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Ein Wirtschaftsredakteur der Zeitung Die Welt kann den jüngst von Goodyear oder Michelin angekündigten und mit dem Verlust von rund 3.300 Arbeitsplätzen verbundenen Werksschließungen „auch etwas Gutes“ abgewinnen (Bild: Screenshot)

Selbst wenn es Thomas Gottschalk bei seinem (wirklich endgültigen?) Abschied als Moderator der ZDF-Sendung „Wetten, dass …?“ mit von ihm angedeuteten Sprechverboten im deutschen Fernsehen leicht in Zweifel gezogen hat, so leben wir gottlob doch in einem Land, in dem ein jeder seine Meinung offen sagen kann und sollte. Das ist nicht gleichbedeutend damit, dass alle anderen dieselbe Auffassung vertreten bzw. ihnen der jeweilige Standpunkt gefallen muss.

Als einen solchen Fall kann man guten Gewissens wohl den Kommentar eines Wirtschaftsredakteurs der Zeitung Die Welt zu den jüngsten Ankündigungen von Reifenwerksschließungen durch Goodyear und Michelin ansehen. Denn er schreibt bzw. versucht zu erklären, warum das Aus von vier Produktionsstandorten und der damit verbundene Wegfall von in Summe beinahe 3.300 Arbeitsplätzen in Deutschland aus seiner Sicht „auch etwas Gutes hat“.

Selbst wenn das von der Ampelregierung auf den Weg gebrachte Gesetz rund um die Legalisierung von Cannabis schon jetzt in Kraft wäre – die Verabschiedung ist für ds kommende Jahr vorgesehen – und ich ein Faible für solche „bewusstseinserweiternde Substanzen“ respektive solche konsumiert hätte, käme mir nicht in den Sinn, dem Verlust von Stellen und Produktionsstandorten in Deutschland – auch wenn sie aus verschiedensten Gründen noch so unvermeidlich erscheinen mögen – „etwas Gutes“ abzugewinnen. Insofern lohnt vielleicht ein Blick auf die Erklärungen des Kollegen bei der Welt.

Sein Tenor bei dem Ganzen scheint zu sein: Reifen gehören nicht zu den Erfolg versprechenden Zukunftsbranchen – „das kann dann mal weg“, könnte man seine Äußerungen also interpretieren. Wenigstens werden von ihm die von Michelin und Goodyear sowie nicht zuletzt dem Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie (WdK) im Zusammenhang mit alldem ins Feld geführten Klagen über (zu) hohe Energiepreise, billige Konkurrenz aus Asien oder eine allgemein sinkende Nachfrage zur Kenntnis genommen, aber als „nur die halbe Wahrheit“ bezeichnet. Was unmittelbar die Frage nach der zweiten Hälfte aufwirft.

Die Antwort lautet: Strukturwandel in der Reifenindustrie. Und der – so heißt es weiter – bringe zwar kurzfristig negative Effekte mit sich, könne auf längere Sicht aber gut sein für den Standort Deutschland. „Einfache Reifen werden in Asien schlicht billiger hergestellt als in Europa. So wie Schuhe, Kleidung oder Handys. Wer solche Produkte kauft, spart Geld, das er für andere Dinge ausgeben kann. Ein Wohlstandsgewinn für den Kunden“, wie es erklärend dazu heißt. Einen bevorstehenden Arbeitsplatzverlust und daraus meist resultierende finanzielle Einschnitte mit einem Wohlstandsgewinn in Verbindung, fällt dabei allerdings nicht jedem leicht.

In Deutschland würden sich die Reifenhersteller richtigerweise auf Produkte für das Premiumsegment fokussieren, für die bei der Welt ein Markt gesehen wird, der über die nach den Schließungen verbleibenden Werke ausreichend bedient werden könne. Logisch, schließlich werden zumindest rund 3.300 Menschen zukünftig tendenziell eher zu Profilen Made in Asia als zu in Deutschland gefertigten Premiumreifen greifen (müssen). Vom drohenden Arbeitsplatzverlust Betroffenen aus der Reifenbranche wird im Zuge besagten Strukturwandels übrigens der Wechsel „von einer schrumpfenden zu einer wachsenden Firma“ angeraten, womit im Speziellen die Goodyear-Mitarbeiter am Standort Fürstenwalde und die gut 20 Kilometer entfernte Tesla-Fabrik in Grünheide gemeint sind.

„Veränderung ist die Grundlage von wirtschaftlichem Fortschritt. Arbeitskräfte und Kapital sind in Deutschland knapp. Sie sollten in Zukunftsbranchen eingesetzt werden – und nicht in einem aussichtslosen Kampf gegen die Billigkonkurrenten aus Asien“, heißt es weiter in dem Welt-Kommentar. Dabei wird zwar anerkannt, dass die Schließungspläne von Michelin und Goodyear „bitter“ für die von den angedachten Maßnahmen der Unternehmen Betroffenen sind. Über Goodyear/Tesla hinaus werden weitere Anregungen dazu, in konkret welchen Zukunftsbranchen hierzulande sie nun denn unterkommen könnten, allerdings nicht gegeben.

Auch auf die sich aufdrängende Frage, was denn überhaupt als Zukunftsbranche angesehen wird, bleibt unbeantwortet. Okay, die mit Milliarden an Euro subventionierte E-Mobilität scheint dazu zu zählen. Was noch? Die ebenfalls mit Milliarden geförderte Intel-Ansiedlung in Magdeburg? Wobei hinsichtlich Letzterem wohl eher davon auszugehen ist, dass bei der Entscheidung des Chipherstellers vor allem der Geldsegen von Vater eine Rolle gespielt haben mag als der Glaube an einen technologischen Vorsprung vor Produktionsstandorten in Asien – man denke nur an Taiwan.

Vor diesem Hintergrund empfindet ein Großteil der Welt-Leser den auf den Webseiten der Zeitung veröffentlichen Kommentar zu den jüngsten Reifenwerksschließungen als zynisch. Das lässt sich einerseits den aktuell 720 zu dem Onlinebetrag abgegebenen Meinungsäußerungen entnehmen. Andererseits haben darüber hinaus gut 1.900 die Frage beantwortet, ob sie die Meinung seines Verfassers teilen: Knapp zehn Prozent der abgegebenen Stimmen bejahen dies, mehr als 90 Prozent haben mit Nein gestimmt. Das werde ich – Sie ahnen es – jetzt auch gleich noch nachholen.

1 Antwort
  1. Peter Reinhardt says:

    Hallo
    Vielen Dank für ihren Kommentar und zur Stellungnahme zum Artikel:
    Haben Reifenwerksschließungen „auch etwas Gutes?
    Der Wirtschaftsredakteur Daniel Zwick von der Zeitung Die Welt, sollte sich mit Dingen beschäftigen die er versteht und nicht über komplexe Sachen schreiben die seinen Sachverstand überschreiten.
    MFG

    Antworten

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