Jedem der Seine: Drei, eigentlich aber noch viel mehr neue „P Zeros“
„P Zero“ heißt die Topproduktlinie von Pirelli, wenn es um Pkw-Reifen geht. Einzug hielt diese Bezeichnung schon 1986, als Reifen dieses Namens in der Rallyeweltmeisterschaft an einem Lancia Delta S4 zum Einsatz kamen. Nur ein Jahr später folgte der Schritt vom Motorsport auf die Straße, als sich Ferrari beim F40 für den „P Zero“ als Erstausrüstung entschied. Auch heute noch findet sich der entsprechende Schriftzug auf der Seitenwand von Rennreifen (Formel 1) genauso wieder wie bei solchen für den normalen Straßenverkehr. Mehr noch: 30 Jahre nach der Premiere des Urahns hat Pirelli seine „P-Zero“-Linie erneuert mit insgesamt drei Varianten. Denn den aktuellen „P Zero“ gibt es einerseits nun mit zwei verschiedenen – einmal eher für Luxuslimousinen und einmal vorwiegend für sportliche Fahrzeuge ausgelegten – Profilvarianten sowie andererseits noch in Form einer ebenfalls erneuerten „P-Zero-Corsa“-Version für sogenannte „Supercars“, also extrem sportliche Boliden. Eigentlich gibt es die drei Neuen aber in noch weit mehr Ausführungen.
Zumal der Hersteller seit einiger Zeit ja verstärkt die Botschaft propagiert, seine Reifen jeweils speziell im Hinblick auf die Anforderungen der Automobilhersteller für deren Modelle maßzuschneidern. Bezieht man all die an Zusatzkennungen wie AO/RO1 (Audi), dem Stern (BMW), F (Ferrari), J (Jaguar), L (Lamborghini), MC (McLaren), MO/MOE/MO1 (Mercedes), N1 (Porsche), VOL (Volvo) etc. mit in die Betrachtung ein, ist die Zahl der sich unterscheidender (Erstausrüstungs-)Spezifikationen folglich ungleich größer. Wie sich anhand der genannten Automarken leicht nachvollziehen lässt, zielt Pirelli mit den in Größen ab 17 bis hin zu 22 Zoll erhältlichen „P Zero“ und dem in 18 bis 21 Zoll verfügbaren „P Zero Corso“ mit samt ihrer zahlreichen (OE-)Varianten zugleich natürlich auf das sogenannte Prestige- und Premiumsegment des Fahrzeugmarktes. Nicht ohne Grund, wie Gregorio Borgo, Pirellis General Manager Operations, erklärt.
„Während die Zahl der Pkw-Neuzulassungen im Standardsegment seit dem Jahr 2000 um den Faktor 1,5 gewachsen ist, lagen die Steigerungsraten im Premiumsegment bei einem Faktor drei und im Prestigesegment sogar bei dem Faktor sieben“, sagt er. In Bezug auf entsprechende Bereifungen für höherwertige/sportlichere Fahrzeuge rechne man im Reifenmarkt vor diesem Hintergrund mit einer Zunahme des Marktanteils von Größen über 17 Zoll auf bis zu 25 Prozent im Jahre 2020, während es 2000 noch sieben Prozent gewesen sein sollen. In diesem Zusammenhang verweist Borgo des Weiteren auf eine Untersuchung von Bain & Company, wonach die Nachfrage nach Luxusartikeln von 2014 auf 2015 um insgesamt fünf Prozent auf über eine Billion Euro angewachsen ist und Luxusautos mit 405 Milliarden Euro dabei einen gut 40-prozentigen Anteil und ein Wachstum von acht Prozent von 2014 auf 2015 für sich reklamieren können.
Da sich Pirelli mit seiner „Premiumstrategie“ als führend gerade in diesem Bereich sieht, könne man durch diesen Trend also nur an Marktanteil gewinnen, ist er überzeugt. Schließlich könne keine andere Marke mit so vielen Erstausrüstungshomologationen aufwarten wie die Italiener: Allein mit den drei neu vorgestellten „P-Zero“-Modellen sollen 60 neue OE-Freigaben die bisherige Bilanz im Premium-/Prestigesegment auf mittlerweile leicht über 700 hochgeschraubt haben. Zwar wissen nach von Borgo präsentiertem Zahlenmaterial nur 16 Prozent der Autofahrer mit dem Thema für die Erstausrüstung homologierter Reifen etwas anzufangen und 84 Prozent nicht. „Doch wenn sie verstanden haben, dass es sich hierbei um so etwas wie ‚Originalersatzteile’ für ihr Auto handelt, dann sind sie bereit, mehr dafür zu bezahlen“, so Borgo im Hinblick auf die Ergebnisse einer entsprechenden Umfrage. Demnach würden 46 Prozent einen höheren Preis für Reifen in OE-Spezifikation zahlen sowie weitere 32 Prozent „vielleicht“ und 22 Prozent nicht.
Insofern sieht sich Pirelli mit den neuen Reifenmodellen der „P-Zero“-Familie gut aufgestellt für die Bedürfnisse im höheren Segment des Reifenmarktes. Schließlich stehe dieser Name für modernste Technologie und zeichneten sich die Produkte durch eine Vielzahl technischer Neuerungen aus, welche die Ingenieure des Reifenherstellers in enger Zusammenarbeit mit den Technikern der weltweit führenden Automobilhersteller entwickelt hätten. „Schon in der Entwicklungsphase eines neuen Fahrzeugmodells werden die Technologien, Prozesse und Materialien präzise auf die spezifischen Anforderungen des Fahrzeugmodells abgestimmt“, sagt Giuliano Menassi, seit einigen Monaten neuer Leiter des Bereiches Forschung und Entwicklung bei Pirelli. Natürlich sei es eine Herausforderung, für immer mehr unterschiedliche Fahrzeugmodelle jeweils maßgeschneiderte Reifen zu liefern. Doch bildeten die daraus resultierende Individualisierung bzw. auf die Eigenschaften eines Fahrzeuges abgestimmte Produkte so etwas wie die „Eckpfeiler der Philosophie von Pirelli“.
Dabei sei das Ganze durch die Bildung einer Art von – so Menassi – „Clustern“ und mittels einer ausgefeilten Logistik durchaus beherrschbar. „Die Roadmap, also die Planung, welcher Reifen bzw. welche Spezifikation für welches Fahrzeug sein soll, ist dabei von Anfang an relativ klar strukturiert“, beschreibt er das Vorgehen aufseiten des Unternehmens. Wer in diesem Zusammenhang gleich an Pirellis MIRS-Produktionsverfahren (Modular Integrated Robotized System) denkt, liegt damit allerdings nur zum Teil richtig. Dies ist zwar eher für die Herstellung kleiner Losgrößen gedacht und sollte daher bei einem Ansatz jeweils ganz spezifischer Reifen für nicht gerade besonders volumenstarke Fahrzeugmodelle doch vermeintlich die erste Wahl sein. Doch laut Menassi werden die „P Zeros“ dennoch eher konventionell nach dem so bezeichneten „Cell“-System gefertigt – erst bei Stückzahlen von 2.000 Reifen pro Jahr und darunter werde die MIRS-Fertigung in Betracht gezogen, ergänzt er.
„Der neue ‚P Zero’ ist der Reifen mit der derzeit besten Performance und der höchsten Zuverlässigkeit, wenn es gilt, die gewaltige Kraft moderner Supersportwagen sicher auf die Straße zu übertragen“, ist bei alldem Alessandro Ascanelli, Leiter Forschung und Entwicklung in Sachen Pkw-Reifen bei dem Hersteller, von den Qualitäten der aktuellen Pirelli-Produktgeneration überzeugt. Seinen Worten zufolge tragen dazu unter anderem neue Mischungen bei, die das Handling des Reifens verbessern, zugleich aber noch seinen Rollwiderstand senken. Insofern attestiert Pirelli den neuen Reifen optimierte Eigenschaften auf nasser wie trockener Fahrbahn dank neuartiger Polymere in der Laufflächenmischung. Unterstützt wird das Ganze durch ein Laufflächenprofil mit tieferen Längsrillen, welche für eine schnelle Ableitung von Wasser aus der Bodenaufstandsfläche sorgen sollen. „Die Wasserverdrängung aus der Lauffläche wurde um zehn Prozent erhöht. Aus diesen Vorteilen resultiert eine verbesserte Bremsleistung auf Nässe“, so Ascanelli.
Einen Beitrag zu den Handlingeigenschaften des „P Zero“ liefert demnach außerdem eine vom Rennsport inspirierte Wulst, und auch hinsichtlich seiner Stabilität bei höchsten Geschwindigkeiten seien die neuen Straßenreifen vergleichbar mit den Formel-1-Reifen des Herstellers, heißt es weiter. Die sogenannte „F1-Wulsttechnologie“ wird Ascanelli zufolge durch eine besonders feste, unbiegsame Mischung im Bereich der Wulst charakterisiert, die schnellere und präzisere Lenkreaktionen ermöglicht, ohne dass der seitliche Grip dabei unerwartet abreiße. „Diese Fähigkeit unterscheidet den ‚P Zero’ von vielen Wettbewerbern. Die ‚F1-Wulsttechnologie bewirkt eine gleichmäßigere Verteilung der an der Wulst und der Seitenwand angreifenden Kräfte. Daraus resultieren verringerte Performance-Schwankungen sowie eine erhöhte Intaktheit der Struktur bei hohen Belastungen und Geschwindigkeiten. Infolgedessen ist das Verhalten des Reifens noch gradliniger und berechenbarer, wobei er seine Leistungsgrenze nicht abrupt, sondern schrittweise erreicht“, verspricht Pirelli.
Dies ermögliche es dem Fahrer, den sportlichen Fahrspaß bei maximaler Sicherheit zu genießen – und das zudem länger als mit den bisherigen „P-Zero“-Modellen, weil man bei den Neuen außerdem noch auf einen gleichmäßigeren Abrieb und damit letztlich einen höhere Laufleistung Wert gelegt hat. Dazu haben Pirelli-Ingenieure die Reifenaufstandsfläche flacher gestaltet als bisher. In Kombination mit einer Gewichtsreduktion des Reifens sowie der Nutzung von Materialien mit hohem Silikaanteil (über 80 Prozent) attestiert der Anbieter dem „P Zero“ zudem einen im Vergleich zu seinem Vorgänger im 15 Prozent reduzierten Rollwiderstandes, was sich wiederum in einem – wie es heißt – „deutlich geringeren“ Kraftstoffverbrauch niederschlage, während mittels des gewählten Laufflächenprofils noch ein Beitrag zur Minderung des Geräuschpegels im Fahrgastraum geleistet werden soll.
„Die Ausrichtung der quer verlaufenden Rillen erfolgte absichtlich ungeordnet. Auf diese Weise wird die Ausdehnung der durch Luftverwirbelungen verursachten Schallwellen unterbrochen und deren ursprüngliche Geräuschfrequenz in mehrere unterschiedliche Frequenzen unterteilt. Dieses Verfahren minimiert ihre Lautstärke, der Reifen rollt deutlich leiser ab“, erklärt der Leiter der Pkw-Reifenentwicklung bei Pirelli. Für Autos mit einem sportlich ausgerichteten Charakter ist das Profilmuster weniger komplex ausgelegt, um eine besonders dynamische Performance zu gewährleisten, erklärt der Reifenhersteller, warum es den „P Zero“ in unterschiedlichen Profilausführungen gibt. Das zweite Profilmuster sei insbesondere für Limousinen ideal geeignet, weil seine äußere Schulter tiefere Rillen aufweist, um die durch Unebenheiten der Fahrbahn verursachten Stöße besser absorbieren und damit ein Mehr an Fahrkomfort bieten zu können. Demgegenüber komme das Profildesign des „P Zero Corsa“ dem eines Slicks aus dem Motorsport schon sehr nahe – entsprechend der anvisierten Zielgruppe von Fahrern sogenannter „Supercars“.
Mit den drei Neuen besteht Pirellis „P-Zero“-Produktfamilie somit aus nunmehr insgesamt elf Mitgliedern angefangen beim „P Zero System“, dem „P Zero Rosso“ und dem „P Zero Nero GT“ über den „P Zero All Season“, den alten „P Zero“ und den beiden neuen „P Zeros“ sowie den „P Zero Corsa Asimmetrico 2“ und den „P Zero Corsa“ bis hin zum „P Zero Trofeo R“ und dem „P Zero F1“ für die Rennstrecke. Damit wird eine ziemliche Einsatzbandbreite abgedeckt, wobei dazu ja jeweils noch die entsprechenden Erstausrüstungspezifikationen hinzukommen. Pirelli selbst spricht im Hinblick allein auf seine „P-Zero“-Palette von über 500 Varianten. Da sollte sich eigentlich für jeden Wagen aus dem vom Hersteller mit ihr anvisierten Premium-/Prestigesegment eine Bereifungsoption finden lassen: jedem der Seine also. christian.marx@reifenpresse.de
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