Autoindustrie muss sich auf „merkliche Abschwächung“ des Wachstums einstellen
Nach den kräftigen Zuwächsen während der vergangenen Jahre zeichnet sich nach Überzeugung der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) in den Kernmärkten der globalen Autoindustrie ein deutlich geringeres Wachstum ab. Für 2017 wird mit Blick etwa auf Europa „nur noch“ mit einem Absatzplus in Höhe von 2,7 Prozent gerechnet, was verglichen mit den 6,8 Prozent in diesem Jahr eine „merkliche Abschwächung“ bedeute. Noch verhaltener ist der PwC-Ausblick für den US-Markt, wo die Verkaufszahlen 2017 sogar um 0,5 Prozent schrumpfen könnten. Auch in China werde sich das diesjährige Plus von rund 14 Prozent kaum wiederholen lassen, heißt es weiter.
„Im Gegenteil – wenn die Steuererleichterungen für Fahrzeuge mit kleinen Motoren wie geplant zum 31. Dezember auslaufen, droht im ersten Halbjahr ein regelrechter Einbruch“, warnt Christoph Stürmer, Global-Lead-Analyst bei PwC Autofacts. Die gleichzeitige Abschwächung in den drei großen Kernmärkten führe letztlich dazu, dass der Autoabsatz in den genannten Märkten im kommenden Jahr in Summe „nur noch“ um rund 3,1 Prozent zulegen werde, was einem der schwächsten Werte seit der Finanzkrise entspräche. „Autohersteller, die zuletzt von der Erholung in den USA und Europa besonders profitiert haben, werden sich auf der Suche nach Absatzchancen wieder stärker auf die Schwellenländer fokussieren müssen“, meint angesichts dessen Felix Kuhnert, Automotive Leader bei PwC mit Zuständigkeit für Deutschland und Europa.
Diese „Abkühlung“ komme insofern plötzlich, als dass das Geschäft in diesem Jahr noch boome – zumindest in Europa. Denn selbst wenn sich das Wachstum in der EU und im EFTA-Raum von den 9,5 Prozent 2015 auf in diesem Jahr wohl 6,8 Prozent verringern werde, bedeute das immer noch ein Absatzplus von mehr als einer Million Fahrzeuge, rechnet PwC vor. Unterm Strich dürften nach Meinung der Unternehmensberatung die Neuzulassungen damit in diesem Jahr erstmals seit Langem wieder über die 17-Millionen-Marke gestiegen sein und insofern nicht allzu weit vom Ergebnis des bisherigen Rekordjahres 2007 entfernt liegen, in dem europaweit gut 18,2 Millionen Pkw und leichte Nutzfahrzeuge abgesetzt wurden. „Gemessen an den vielfältigen politischen und konjunkturellen Risiken ist das Ergebnis beeindruckend“, findet Kuhnert. Gleichwohl fürchtet der PwC-Partner, „dass sich die Autoindustrie den allgemeinen Problemen in Europa nicht länger wird entziehen können. Angesichts zahlreicher Wahlkämpfe dürfte sich die Stimmung der Verbraucher wieder eintrüben.“
Dies werde auch die Autoindustrie zu spüren bekommen, während sich ungeachtet all dessen dieses Jahr vorerst die Nachfrage vor allem nach Geländewagen bzw. SUVs erneut dynamisch gezeigt habe. Gemessen am Tiefpunkt während der Eurokrise 2012 sollen sich die Zulassungen von knapp 1,8 Millionen auf annähernd 3,4 Millionen Fahrzeuge fast verdoppelt haben. Als Verlierer dieser Entwicklung werden die sogenannten „Multi Purpose Vehicles“ (MPV) oder auch Minivans gesehen, deren Absatz PwC zufolge im gleichen Zeitraum um 15,8 Prozent auf gut 1,1 Millionen Einheiten zurückging. Das spiegelt sich offenbar auch in der Zahl der in diesem Segment angebotenen Modelle wider, zumal Kunden in Europa mittlerweile zwischen 78 verschiedenen SUVs wählen können, aber gleichzeitig aber wohl nur 29 Minivan-Modelle gibt.
Beim Blick auf die einzelnen europäischen Länder ist dem Beratungsunternehmen aufgefallen, dass von den 17,0 Millionen verkauften Pkw und leichten Nutzfahrzeugen allein 12,4 Millionen auf die fünf größten Märkte – also Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien – entfallen. Vor allem in Italien habe sich der Pkw-Absatz mit einem Plus von rund 40 Prozent seit 2013 „stürmisch“ entwickelt, während Spanien voraussichtlich einen Zuwachs von mehr als elf Prozent verzeichnen werde. Deutschland verteidigt mit knapp 3,4 Millionen Pkw (plus 4,4 Prozent) demnach seine Position als größter europäischer Automarkt, während Großbritannien trotz Brexit-Votum um 2,1 Prozent auf 2,7 Millionen Pkw zulegen, 2017 dann aber einen Rückgang verkraften müssen wird.
Der chinesische Automarkt erholte sich nach einem als schwach bezeichneten Vorjahr demnach merklich und legte beim Absatz 2016 insgesamt um 14 Prozent auf mehr als 26,7 Millionen Fahrzeugen zu. Als Grund dafür vermutet PwC die vorübergehende Halbierung der Mehrwertsteuer für Fahrzeuge mit weniger als 1,6 Liter Hubraum, wobei befürchtet wird, dass diese Subvention Ende dieses Jahres womöglich ausläuft. „2016 war ein Ausreißer nach oben, auch weil viele Verbraucher ihren geplanten Autokauf vorgezogen haben, um den Steuervorteil noch mitzunehmen. Generell sind die Zeiten vorbei, in denen der Absatz in China Jahr über Jahr zweistellig zulegte. Spätestens wenn die Mehrwertsteuer wieder auf ihr reguläres Niveau angehoben wird, dürfte sich das Wachstum bei drei bis sechs Prozent einpendeln“, so Stürmer.
Abgesehen von dem Subventionseffekt soll die größte Marktdynamik ähnlich wie in Europa im SUV-Segment zu beobachten gewesen sein, wo ein Absatzplus von 44,4 Prozent registriert wurde, sich Stürmer zufolge 2017 aber wohl kaum wird fortschreiben lassen können. „Der Wettbewerb in China wird immer härter, was vor allem an den hohen Überkapazitäten und daran liegt, dass immer mehr sehr günstige Elektrofahrzeuge in den Markt gedrückt werden. Diesen Druck werden auch die deutschen Hersteller zu spüren bekommen“, erklärt Stürmer. Alles in allem geht PwC davon aus, dass der chinesische Automarkt 2017 nur mehr um 5,6 Prozent auf 28,2 Millionen verkaufte Fahrzeuge wachsen wird.
In den USA dürfte der Absatz dieses Jahr zwar auf ein neues Allzeithoch von 17,5 Millionen Fahrzeugen steigen – allerdings beziffert das Beratungsunternehmen das Wachstum mit lediglich einem Prozent. Als bemerkenswert herausgestellt wird in diesem Zusammenhang, dass auf zwei verkaufte Pkw drei „Light Trucks“ wie Pick-ups oder SUVs kamen – noch vor wenigen Jahren soll das Verhältnis umgekehrt gewesen sein. „In den USA hat der Spritverbrauch beim Autokauf zuletzt praktisch keine Rolle mehr gespielt. Das zeigt sich auch daran, dass der ohnehin überschaubare Absatz von Hybridfahrzeugen in den ersten elf Monaten 2016 um 11,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr noch einmal deutlich zurückgegangen ist“, so Stürmer. Angesichts einer sich eintrübenden Konjunktur und der voraussichtlich steigenden Zinsen prognostiziert PwC für 2017 nun jedoch ein Absatzminus von 0,5 Prozent. cm
Schreiben Sie einen Kommentar
An Diskussionen teilnehmenHinterlassen Sie uns einen Kommentar!