Wenn man keine Ahnung hat: Einfach mal …
… keine ollen Kamellen als „News“ verkaufen. Das möchte man den Machern des E-Fahrer genannten Portals – ein Angebot von Focus Online und dem Computermagazin Chip, das unlängst erst mit einer gruseligen Reifendemontageanleitung auf sich aufmerksam machte – ins Stammbuch schreiben. Schließlich hat man sich dort nach eigenen Worten auf die Fahnen geschrieben, seine Leserschaft mit aktuellen Informationen rund um die E-Mobilität und andere Zukunftsthemen zu versorgen. Zumindest eine am 27. April dieses Jahres veröffentlichte „News“ über Reifen dehnt jedoch das, was üblicherweise wohl die meisten unter aktuell verstehen, in recht beachtlichem Umfang.
Genauer gesagt geht es in besagtem Beitrag um das Conti-Projekt, den für die Reifenfertigung genutzten Naturkautschuk durch aus russischem Löwenzahn gewonnenen Kautschuk zu ersetzten. Das gibt es tatsächlich, und nennt der deutsche Hersteller das Alternativmaterial „Taraxagum“. Soweit ist also zunächst alles im Lot, sieht man davon ab, das E-Fahrer herkömmlichem „Kautschuk aus dem Regenwald“ en passant attestiert, umweltschädlich zu sein. Wie „umfangreich“ für besagten Beitrag recherchiert wurde, zeigt sich aber noch auf andere Weise. Denn zu lesen ist weiterhin, Conti sei die Herstellung erster Versuchsreifen aus Löwenzahnkautschuk gelungen und wolle das Unternehmen in fünf bis zehn Jahren die Serienfertigung von „Taraxagum“-Reifen aufnehmen. Bei alldem bezieht man sich demnach auf eine Pressemitteilung des Konzerns, in der auch „Continental-Vorstandsmitglied Nikolai Setzer“ zitiert wird.
Spätestens hier sollte dann eigentlich jedem langsam klar werden, dass da irgendwas wohl nicht so ganz zueinander passen will. Denn zum einen gibt es nach offensichtlich erfolgreichen bzw. „äußerst vielversprechenden“ Versuchen bereits 2016 bei Lkw-Reifen mit einem Conti-Fahrradreifen seit 2019 tatsächlich auch schon ein erstes Serienprodukt aus Löwenzahnkautschuk, für das der Hersteller im Jahr darauf im Übrigen eine weitere unter vielen Auszeichnungen rund um sein „Taraxagum“-Projekt entgegennehmen konnte. Zum anderen ist Setzer außerdem seit Ende 2020 nicht mehr „nur“ Mitglied, sondern Vorsitzender des Konzernvorstandes. Alle Nebel lichten sich endgültig, wenn man dann schlussendlich feststellt, dass die Ende April 2022 als „News“ [sic!] veröffentlichte E-Fahrer-Meldung dem Informationsstand zur IAA Nutzfahrzeuge vom Herbst 2014 entspricht. christian.marx@reifenpresse.de
Noch besser wäre: wenn man nicht die Fresse halten kann: einfach mal Ahnung haben! <: