Fahrenbachs Abgang schickt verunsicherte Mannschaft auf Tauchstation

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Lars Fahrenbach ist seit mehr als 30 Jahren für den Continental-Konzern tätig und auf der Karriereleiter gut vorangekommen. Zuletzt als Geschäftsführer der Handelstochter Vergölst verantwortlich sowie für die ContiTrade-Gesellschaften in Österreich, der Schweiz und Belgien. In einer schmucklosen Pressemitteilung heißt es nun, Fahrenbach werde sich „neuen Herausforderungen außerhalb des Konzerns widmen“. So weit, so gut oder auch so weit so schlecht. Es scheint, dass es irgendwo und irgendwie mächtig gekracht hat, und da wüsste man allzu gerne, worum es ging. Eine Skype-Session ließ die Mitarbeiter ratlos zurück: Die Frage, warum Fahrenbach den Konzern verlassen werde, blieb unbeantwortet. In einem gemeinsamen Auftritt mit seiner Nachfolgerin sollte wohl Harmonie und Verständnis geheuchelt werden. Nichts Neues bei Conti. Erst kürzlich ließ man den zurückgetretenen CEO Dr. Elmar Degenhart brav zeigen, wie er den Staffelstab an Nikolai Setzer weiterreichte. Alles gut. Skeptikern sollten so vielleicht die letzten Zweifel genommen worden sein, der Rücktritt sei vielleicht nicht ganz so freiwillig gewesen.

Fahrenbach ist in meinen Augen ein interessanter Mann. Für den diplomatischen Dienst vielleicht nicht prädestiniert, aber umgänglich und kritisch. Journalisten werden durchweg von ihren Gesprächspartnern gut behandelt. Egal, was man über einen „Schreiberling“ auch denken mag, man ist halt nett zu ihm und verärgert ihn nicht. Es gilt: Ob er uns helfen kann, wissen wir nicht, aber schaden kann er allemal. Und wenn Journalisten zu gut von allen Seiten behandelt werden, kann nach deren Selbstverständnis aus einem „Schreiberlinge“ gar eine „Edelfeder“ werden. Daher helfen kritische Stimmen, recht schön bodenständig bleiben zu können. Sofern man Kritik an sich zulassen und damit auch auseinandersetzen kann. Nicht jeder kann das.

Was für Journalisten gilt, gilt für jeden Vorgesetzten. Mancher glaubt, irgendwann über Wasser laufen zu können, nur weil die Geschäfte – aus welchen Gründen auch immer – gut laufen. Dabei ist der Grund immer klar: Führungsstarke, strategisches Denken der Chefs. Wenn es schlecht läuft, waren die Mitarbeiter zu dämlich, die großartigen, ihnen vorgegebenen Ideen umsetzen zu können. Fatal, wenn kritische Geister in der Organisation fehlen. Wer befiehlt und im Hauruckstil managt, schafft sich gehorsame Mitarbeiter, die selbst nachts um zwei Uhr noch die Ampel drücken und auf „Grün“ warten, um erst dann die Straße zu überqueren. Mit Basta-Management zieht man sich Mitarbeiter heran, die ohne Sinn und Verstand auch einen Kopfstand an jeder Straßenecke machen würden, nur weil es so von ihnen erwartet wird.

Performance-Gründe können nicht zur Trennung geführt haben, denn Vergölst hat sich im Corona-Jahr 2020 respektabel geschlagen. Den Vergölst-Mitarbeitern wurde vor wenigen Wochen in einem Telefon-Call mitgeteilt, dass trotz aller Erschwernisse ein mehr oder weniger ausgeglichenes Ergebnis für 2020 möglich sei.

Mit Nikolai Setzers Wechsel in den Automotive-Bereich waren umfangreichere personelle Maßnahmen verbunden. Fahrenbach erhielt neue Chefs: einen für den Handel europaweit verantwortlichen Manager sowie einen für das europäische Ersatzgeschäft verantwortlichen Manager. Dort soll Fahrenbach „angeeckt“ sein. Nun kann man auch nach dreißig Jahren und mehr Betriebszugehörigkeit durchaus noch „fliegen“, sofern es dafür handfeste Gründe wie gestohlene Löffel etc. gäbe. Doch diese Spekulation lässt sich knicken. Offensichtlich hat man Fahrenbach einen attraktiven Ausstieg angeboten und – wie in Fällen dieser Art zumeist üblich – sich auf gegenseitiges Stillschweigen verständigt. Das mag erklären, warum Fahrenbach zurzeit nicht auf Presseanfragen reagiert.

Reibereien zwischen den Conti-Verkäufern und ihrer Handelstochter Vergölst sind ja überhaupt nicht neu. Von der Handelstochter wird erwartet, die Konzernreifen zu vermarkten, und zwar möglichst viele, dann aber zu hohen Preisen, um die Conti-Kunden im Fachhandel nicht zu stören. Und bei allen Preisverhandlungen ist der Conti-Verkäufer bemüht, möglichst viel für sich im Ärmel zu behalten, macht sich gut für den eigenen Performance-Report. Letztlich bleibt die Handelstochter – und das ist seit Jahr und Tag so – unter Druck, rote Zahlen zu vermeiden. Es gibt ein paar ganz profane Weisheiten: Man kann an einem verkauften Reifen nicht zweimal verdienen, was im Conti-Verkauf bleibt, kann bei Vergölst nicht mehr erscheinen. Das zweite Ärgernis heißt Wettbewerb. Eine Handelstochter soll unterlassen, was den Fachhandel in Wallung bringen könnte. Keine Ahnung, wie viele Reifenhändler sich übers Jahr beschweren, von der Handelstochter aus dem Geschäft gedrängt worden zu sein. Da hört man als verantwortlicher Manager besser gar nicht erst hin, ansonsten würden solche Gespräche zur Tagesordnung werden. Handelstöchter müssen sich an der Front bewegen und können nicht von der Muttergesellschaft so manipuliert werden, dass ein vernünftiges Ergebnis zu erwarten wäre.

Dass Fahrenbach den Konzern verlässt, hat nicht allein mich hellhörig gemacht, sondern ohne Frage auch größere Unruhe in den Konzern getragen. Jeder hält sich bedeckt, sagt lieber nichts, weil Loyalität zum Unternehmen (die vor der Loyalität zum Vorgesetzten zu stehen hat) an Wert verliert. Einfach gesagt: Die Mitarbeiter haben Angst, etwas zu sagen, geschweige denn kritisch zu bleiben. Das sollte zu denken geben. klaus.haddenbrock@reifenpresse.de

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