Im Zwiespalt: Wie steht’s ums diesjährige Reifengeschäft?

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Trotz eines mehr oder weniger verhaltenen Frühjahrsrüstgeschäftes mit – zumindest bis einschließlich Mai – entsprechenden Stückzahlrückgängen beim Absatz von Pkw-Reifen Handel in Richtung Verbraucher ist dennoch von einer aktuell als weitgehend „ordentlich“ beschriebenen Stimmung im Reifenfachhandel zu hören. Wie passt das zusammen? Und was erwartet die Branche jenseits ihrer vermeintlich „gegenwärtig guten Lage“?

Der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseurhandwerk e.V. (BRV) hat mit der Datenabfrage für seinen Betriebsvergleich im Reifenfachhandel die ersten fünf Monate des laufenden Jahres betreffend begonnen. Noch bis zum 10. Juli können Interessierte mit ihrer Teilnahme daran dazu beitragen, dass der Branche repräsentative und aussagekräftige betriebswirtschaftliche Zahlen zu Verfügung stehen. Bis zu deren Veröffentlichung nach einer entsprechenden Auswertung wie immer in Zusammenarbeit mit der BBE Automotive GmbH wird einstweilen ein zwiespältiges Zwischenfazit der jüngeren Entwicklung der Branchenbetriebe gezogen: Zwar wiesen einige einen positiven Trend auf, aber dennoch stünden die Unternehmen künftig trotzdem vor großen Herausforderungen.

„Insbesondere anstehende Investitionen in Werkstattausrüstung, IT-Systeme und die Weiterbildung der Mitarbeiter machen es nötig, auch in den kommenden Jahren ausreichende Gesamtrenditen im Betrieb zu erzielen. Experten empfehlen, einen Renditewert von sechs Prozent anzustreben“, sagt BRV-Geschäftsführer Yorick M. Lowin. Zumindest 2016 war man mit 3,2 Prozent noch ein gutes Stück weit davon entfernt. Ungeachtet dessen und einer am besten wohl mit durchwachsen zu umschreibenden Frühjahrssaison 2017 mit einem bis dato eher rückläufigen Absatztrend im wichtigen Pkw-Reifengeschäft scheint die Stimmung im Handel dennoch weiterhin einigermaßen „ordentlich“ zu sein.

 

Dies lässt sich so jedenfalls dem BRV-Branchenbarometer TIX (Tire Index) für das zweite Quartal des laufenden Jahres entnehmen. Jeder zweite der an dieser mehr oder weniger regelmäßigen Befragung teilnehmenden Betriebe soll der Branche attestiert haben, sie sei „gegenwärtig in einer guten Lage“. Die Erwartungen an die Zukunft werden jedoch ebenfalls eher als zwiespältig beschrieben – an ein „Weiter so“ glauben demnach immer weniger. Aktuell geht demnach gerade mal die Hälfte der an dem Panel teilnehmenden Betriebe von einer gleichbleibenden Entwicklung in der Zukunft aus – zu Beginn des Jahres lag ihr Anteil noch bei gut drei Vierteln.

Dem BRV zufolge ist letztlich eine gewisse Polarisierung zu beobachten, wobei sich die Ränge der Optimisten, die positive Impulse für die Branche sehen, etwas stärker füllen als die der Pessimisten, die von der Zukunft (viel) Schlechtes befürchten. Gleiches habe sich auch mit Blick auf die Beurteilung der eigenen Unternehmenssituation durch die Reifenfachhändler gezeigt, wenngleich hier mit einem stärkeren Akzent auf einer optimistischeren Perspektive, heißt es weiter. „Der Reifenservice bringt aktuell nur bedingt positive Impulse. Verglichen mit dem Vorjahr, wird gegenwärtig eher weniger umgerüstet“, bestätigt sich bei alldem das Ergebnis einer aktuellen Onlineumfrage der NEUE REIFENZEITUNG. Demnach stagniert der Reifenserviceumsatz pro Reifen tendenziell, wobei vor allem die Reifeneinlagerung betroffen sei.

 

Kein Wunder, scheint doch der „Aufstieg des Ganzjahresreifens nicht zu bremsen“ nebst den damit verbundenen Einbußen bei den entsprechenden herkömmlichen Reifenservicedienstleistungen. Ein Blick auf die Absatzentwicklung im deutschen Pkw-Reifenersatzgeschäft während der ersten fünf Monate des laufenden Jahres belegt den Trend zum Allwetterreifen eindeutig. Laut dem Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie (WdK), sind die Verkäufe des Handels in Richtung Endverbraucher (Sell-out) bei Pkw-Reifen insgesamt um gute drei Prozent rückläufig gewesen: Während solche für den Sommer und den Winter aber sogar rund fünf bzw. sechs Prozent verloren, soll die Nachfrage nach Ganzjahresreifen demgegenüber um knapp zwölf Prozent zugelegt haben.

Ähnlich positiv hat sich demnach das Segment 4×4-/SUV-/Offroadreifen entwickelt mit einem Plus von bis dato knapp sieben Prozent. In Sachen Llkw- und Lkw-Reifen sind die Zuwächse mit gut respektive knapp einem Prozent zwar nicht so groß, aber immerhin oberhalb der Nulllinie. Gleiches gilt hinsichtlich des Absatzes Industrie an Handel (Sell-in) gemäß der Statistik der European Tyre and Rubber Manufacturers’ Association (ETRMA): Wachstum wird hier durchgängig für sämtliche Produktsegmente berichtet – in manchem mehr (Lkw-Reifen), in manchem weniger (Pkw-Reifen). Ist bezogen auf die Stückzahlen also doch alles so halbwegs im grünen Bereich? Darauf ein klares Jein: für die Reifenhersteller vielleicht, für den Handel aber nicht so ganz. Bis jetzt zumindest. Aber vielleicht zeichnet der noch laufende BRV-Betriebsvergleich ja ein positiveres Bild.

 

Zu wünschen wäre es. Herausforderungen, denen sich der Handel stellen muss, gibt es schließlich genug. „Die nahe Zukunft bringt dem Reifenfachhandel klare Veränderungen: Das Internet hat das Informations- und Einkaufsverhalten der Pkw-Fahrer deutlich verändert. Dies ist bereits heute spürbar und wird auch morgen ein transformierender Faktor sein“, wird schließlich nicht zuletzt im TIX für das zweite Quartal 2017 konstatiert. Außerdem würden die Betriebe darüber hinaus zukünftig wohl auch immer stärker mit immer komplexerer Fahrzeugtechnik konfrontiert, heißt es weiter. Und in naher Zukunft komme dann noch die E-Mobilität hinzu, selbst wenn vielleicht nicht mit einem solchen Tempo, wie so manche – allen voran Vertreter der Politik – gedacht oder es sich gewünscht haben.

All diese Herausforderungen sind dem Handel laut dem BRV zwar bewusst, und die damit einhergehenden Veränderungen werden dem jüngsten Branchenbarometer zufolge sogar eher als Chance denn als Risiko gesehen. „Gleichwohl wird Handlungsdruck nur bedingt gespürt. Der Reifenfachhandel fühlt sich ganz überwiegend gut gerüstet. Strategische Handlungsfelder, um zukünftig im Wettbewerb bestehen zu können, werden nicht eindeutig benannt. Teilweise wird überhaupt kein Handlungsbedarf gesehen“, wird angesichts der aktuellen Umfrageergebnisse dennoch ein Stück weit so etwas wie Lethargie diagnostiziert. Oder ist das schon Resignation? christian.marx@reifenpresse.de

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