TÜV-Fachtagung „tyre.wheel.tech“ mit fast 200 Teilnehmern
Vergangenen Dezember drehte sich beim TÜV Süd in München alles rund um Reifen und Räder – TÜV Automotive und TÜV Akademie hatten zur Fachtagung „tyre.wheel.tech 2004“ eingeladen. Neben neuen Reifenkonzepten sowie neuen Test- und Messmethoden standen bei der Tagung, zur der mehr als 180 Teilnehmer in die bayrische Landeshauptstadt gekommen waren, Entwicklungstrends wie der „intelligente“ Reifen und der Einfluss des Systems Rad/Reifen auf das gesamte Fahrzeug auf dem Themenplan. „Die Veranstaltung ist Teil unserer ‚tech’-Konferenzreihe und damit haben wir das Thema Reifen in diesem Rahmen gewissermaßen wiederbelebt“, begrüßte Dr. Thomas Aubel, Geschäftsführung der TÜV Automotive GmbH TÜV-Süd-Gruppe, die nach München gekommenen Gäste. Noch vor zwei Jahren habe vor allem das Thema Räder im Vordergrund gestanden, bei der diesjährigen Tagung sei es – wie der Titel der Veranstaltung impliziert – darum gegangen, eher einen Mix von Reifen- und Räderthemen anzubieten. Deshalb umfasste das Programm nicht weniger als 20 Vorträge rund um die Fragen, welche die Branche im Hinblick auf die Produkttechnik bzw. -entwicklung bewegen.
Sowohl der Plenarvortrag zur Eröffnung der Konferenz als auch der erste Themenblock beschäftigten sich eingehend mit dem Thema Notlaufreifen und Reifendruckkontrolle. Interessanterweise sind es laut den von Pedro Costa aus dem Hause Michelin im Rahmen seiner Ausführungen präsentierten Informationen nicht mehr nur die Fahrzeughersteller, die verstärkt darauf dringen, endlich das Pkw-Ersatzrad durch ein Pannenlaufsystem zu ersetzen. Schließlich könne der so gewonnene Stauraum besser genutzt werden als durch das Mitschleppen einer zusätzlichen Last. Auch bei den Verbrauchern stehe der Wunsch nach ungebremster Mobilität – selbst im Falle einer Reifenpanne – mehr und mehr im Vordergrund. „Der Sicherheitsgewinn durch Notlaufreifen hat bei den Verbrauchern dabei höchste Priorität“, erklärte Costa und belegte dies durch Michelin-Marktforschungsergebnisse. So fürchten sich demnach 77 Prozent der Pkw-Fahrer im Falle eines plötzlichen Druckverlustes in einem Reifen davor, die Kontrolle über ihr Fahrzeug zu verlieren. „Vor allem in Deutschland ist dieser Aspekt den Autofahrern sehr wichtig“, ergänzte er.
Jeweils um 50 Prozent möchten es vermeiden, mit einer Reifenpanne in einer unsicheren Umgebung liegen zu bleiben (52 %), einen defekten Reifen an einer gefährlichen Stelle im Verkehr wechseln zu müssen (48 %) oder sogar in der Nacht einen kaputten Pneu gegen das Ersatzrad zu tauschen (47 %). Nur 15 Prozent der 2003 in den vier Märkten Japan, USA, Deutschland und Frankreich befragten über 3.400 Autofahrer nannten keines dieser Argumente. Darüber hinaus hätten weitergehende Befragungen gezeigt, dass viele Verbraucher bereit seien, einen Pkw mit Notlaufreifen zu kaufen. Für Frankreich gibt Michelin den Anteil derjenigen, die ein so ausgestattetes Fahrzeug ganz sicher bzw. wahrscheinlich anschaffen würden mit 67 Prozent an, in Deutschland und Japan waren es 60 bzw. 62 Prozent. Nur in den USA liegt die Quote mit 45 Prozent deutlich niedriger, hier würden auch 21 Prozent ein entsprechend ausgerüstetes Auto definitiv nicht bzw. wahrscheinlich nicht kaufen wollen, während sich in den anderen drei Ländern nur gut zehn bis 15 Prozent in dieser Richtung geäußert hatten. Insofern sieht Costa den Boden bereitet für Notlaufreifen und die zugehörigen Druckkontrollsysteme.
Notlaufsysteme könnten vor den Folgen eines plötzlichen Druckverlustes in den Reifen schützen, und Reifendruckkontrollsysteme hätten das Potenzial, den Fahrer vor einem sich durch schleichenden Druckverlust ankündigenden Reifendefekt zu warnen. Nach dem von Costa präsentierten Zahlenmaterial überwiegen in Europa mit einem Anteil von 72 Prozent Reifenausfälle durch einen langsamen Luftverlust (definiert Michelin dadurch, dass das Absinken auf 0 bar Fülldruck mehr als drei Minuten dauert) in den Pneus. Vor diesem Hintergrund plädierte Dr. Urban Forssell von der schwedischen Firma NIRA Dynamics AB in seinem Vortrag für den Einsatz vor allem von indirekten – also über ABS bzw. ESP messende – Druckkontrollsystemen. Bei plötzlichen Druckverlusten – so die Argumentation – nütze die schnelle Warnung des Fahrers ohnehin nicht mehr viel, verhindert werden könne der Plattfuß dann ohnehin nicht mehr. Schnelle Messungen und die gegebenenfalls damit verbundenen Warnungen sind aber gerade die Hauptvorteile der direkten Reifendruckkontrolle mit einem eigenen Sensor in jedem Pneu. „Die schnelle Detektion eines plötzlichen Druckverlustes bietet keinen zusätzlichen Sicherheitsgewinn“, gab sich Forssell überzeugt. Wären seine den Tagungsteilnehmern als Studie präsentierten Darlegungen zu einem anderen Schluss gekommen, hätte dies schon sehr verwundert. Schließlich gehört NIRA Dynamics in die Riege der Unternehmen, die indirekt messende Druckkontrollsysteme anbieten.
Bei der Diskussion um Notlaufsysteme stellt sich allerdings zunächst einmal die Frage danach, was überhaupt ein Notlaufreifen ist. Konsens in der Branche ist zwar, dass unter dieser Bezeichnung Pneus zu verstehen sind, die auch ohne Luftdruck eine gewisse Strecke bei reduzierter Geschwindigkeit weitergefahren werden können. Aber ebenso wie jeder Fahrzeug- und Reifenhersteller bei der Namensgebung – zum Beispiel „RFT“ bei BMW, „MOextended“ bei Mercedes, „EMT“ bei Goodyear, „DSST“ bei Dunlop usw. – sein eigenes Süppchen kocht, variieren die Angaben der einzelnen Anbieter zu den jeweiligen Pannenrestlaufstrecken. „Runflat-Eigenschaften werden bisher nicht in den Regelwerken der ECE bzw. EU berücksichtigt“, stellte angesichts dessen Dr. Jost Gail von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) fest. Das hat das Forschungsinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf den Plan gerufen und motiviert, die Notlaufstrecken und die Fahrdynamikeigenschaften ausgewählter Runflat-Reifen zu überprüfen.
Die Tests zu den Notlaufstrecken wurden dabei mit dem Innentrommelprüfstand der BASt durchgeführt. „Wegen fehlender allgemein gültiger Prüfvorschriften haben wir eigene Prüfvorgaben entwickelt“, erklärte Gail den Tagungsteilnehmern. So wurden im Rahmen der Testprozedur die Notlaufreifen – geprüft wurden fünf selbsttragende Pneus mit verstärkter Seitenwand sowie ein Modell mit Stützring – gemäß ECE konditioniert und mit einer Radlast von 80 Prozent der durch den Tragfähigkeitsindex vorgegebenen Last beaufschlagt – die Prüfgeschwindigkeit betrug 80 Kilometer pro Stunde. Als zusätzliche Belastung für je 20 Prozent der Notlaufstrecke kamen Beschleunigungs- und Bremsvorgänge, ein wechselnder Schräglauf (±2° sinusförmig mit einer Periode von ca. 200 m) sowie ein Parallelversatz des Reifens (2 cm/s) hinzu. Die Versuchsergebnisse zeigten – so Gail – große Unterschiede in der Notlaufstrecke, die je nach Reifenmodell mit 80, 150 oder 200 Kilometern angegeben war.
Bei den BASt-Messungen kam es zu zwei vorzeitigen Abbrüchen, weil die entsprechenden Reifen nach 115 bzw. 66 Kilometern und damit schon vor Erreichen der von den Herstellern angegebenen Limits (150 km) zu stark beschädigt waren. Ein Reifen schaffte mit 84 Kilometern die Solldistanz von 80 Kilometern gerade so eben, während bei den restlichen Dreien der Test nach 240, 450 und 600 Kilometern und damit beim Dreifachen der jeweiligen Herstellerangabe von 80, 150 und 200 Kilometern beendet wurde. „Der Reifen mit Stützring überstand den Test dabei ohne wesentliche Beschädigung“, führte Gail weiter aus. Bei den selbsttragenden Reifenmodellen habe dies schon anders ausgesehen. Risse, Knickfalten und Durchtrennungen in der Seitenwand seien ebenso zu beobachten gewesen wie Ausbeulungen des Wulstes oder Gummiausbrüche in unterschiedlicher Körnung. Zudem hätten sich das Abrollverhalten und die Laufruhe sowie der Rollwiderstand und der dynamische Radhalbmesser mit der auf dem Prüfstand zurückgelegten Strecke verändert. Aus diesen Ergebnissen leitet die BASt die Notwendigkeit der Überprüfung der Notlaufeigenschaften von Runflats ab.
Schädigungen der Reifen zeigten sich zudem bei den fahrdynamischen Tests, bei denen Bremsen geradeaus und in der Kurve, ein doppelter Spurwechsel sowie die stationäre Kreisfahrt (auch mit plötzlicher Entlüftung) auf dem Programm standen. Gefahren wurde im druckbehafteten Zustand sowie mit jeweils einem drucklosen Pneu (vorne rechts, hinten rechts). Zu Schäden – Seitenwand, Abwurf von der Felge, Laufflächenablösung – kam es demnach freilich nur im drucklosen Zustand bei hoher Beanspruchung, wobei die gefahrenen Geschwindigkeiten immer unterhalb des von den Herstellern angegebenen Limits von 80 Kilometern pro Stunde blieben. Gail bescheinigt den Runflats nichtsdestotrotz „gute fahrdynamische Eigenschaften im drucklosen Zustand“ sowie „sehr gute“ mit korrektem Luftdruck. „Auch ohne Druck waren hohe Querbeschleunigungen in den Tests möglich. Eine Fahrdynamikregelung kann die Fahrt mit drucklosem Reifen zusätzlich absichern“, fasste Gail die Ergebnisse zusammen. „Runflat-Reifen stellen eindeutig einen Sicherheitsgewinn dar. Allerdings sind die Rückmeldungen an den Fahrer – Geräuschentwicklung, Einfluss auf die Lenkung – im drucklosen Zustand so gering, dass eine Reifendruckkontrolle unentbehrlich ist. Gegebenenfalls sollte auch eine Reifentemperaturkontrolle während des Notlaufbetriebes realisiert werden“, stellte der BASt-Mitarbeiter fest.
Nach den Erfahrungen der Prüfstands- und Fahrtests spricht sich das Forschungsinstitut des Ministeriums dafür aus, Runflats nach druckloser Fahrt zu ersetzen und den Fahrern nicht nur eindeutige Hinweise in Richtung der maximalen Pannenlaufstrecke und Geschwindigkeit zu geben. Zu den BASt-Empfehlungen gehört auch der vonseiten der Hersteller an die Verbraucher zu richtende Rat, die Fahrweise bei druckloser Fahrt entsprechend anzupassen, um hohe Längs- und Querkräfte zu vermeiden, die den Reifen mehr als nötig belasten und damit zerstören können. Die konkrete Nachfrage, ob ein nur wenige Kilometer drucklos gefahrener Pneu tatsächlich entsorgt werden sollte, konnte Gail allerdings nicht eindeutig beantworten. „Ob der Reifen repariert werden kann, hängt stark vom jeweiligen Einzelfall ab, sodass sich diese Frage nicht allgemein gültig beantworten lässt. Hier sind dann der Nutzer selbst sowie die Werkstatt in der Pflicht. Denn nur der Fahrer weiß um die tatsächlich mit dem drucklosen Reifen zurückgelegte Strecke und wie er dabei gefordert wurde. Die Werkstatt muss unter Zugrundelegung dieser Informationen und der Beurteilung des Reifenzustandes dann eine Entscheidung fällen“, meinte Gail.
Noch sind – zumindest im Serieneinsatz – vom Reifen selbst nämlich keine Informationen darüber zu erhalten, welche Kräfte auf ihn gewirkt haben. Das könnte sich in der Zukunft jedoch ändern, hat doch Harald Goertz vom Institut für Kraftfahrwesen der RWTH Aachen im Rahmen der TÜV-Tagung die Fortschritte bezüglich des Prototypen eines „intelligenten Reifens“ gezeigt, der mittels eines Sensors Signale vom Reifen und vom Reifen-/Fahrbahnkontakt an Fahrdynamikregelsysteme und Fahrerassistenzsysteme übermitteln kann. Dies ist Teil des „Apollo“ genannten Forschungsprojektes, das innerhalb des fünften Rahmenprogramms „Information Society Technologies“ (IST) von der europäischen Kommission gefördert wird und zur Erhöhung der Verkehrssicherheit beitragen soll. „Aus den Grundlagen des Deformationsverhaltens des Reifens in seinen unterschiedlichen Betriebssituationen lassen sich verschiedene Möglichkeiten ableiten, welche Größen am Reifen sensiert und wie diese Informationen interpretiert werden können“, so Goertz.
Als Datenaufnehmer dient dabei ein optischer Reifensensor, der auf einem positionsempfindlichen Detektor (PSD) basiert. Durch eine Linse wird das Licht einer am Reifengürtel befestigten Leuchtdiode auf diese Fläche fokussiert, dabei wandert der Fokuspunkt seitlich bzw. längs, woraus sich letztendlich die Position des Fokuspunkts auf dem PSD berechnen und damit die horizontale Lage der Leuchtdiode bestimmen lässt. Über die Veränderung der gemessenen Lichtintensität kann zudem auf die Entfernung von der Lichtquelle zur Linse geschlossen werden. „Wenn keine weiteren Deformationen des Gürtels überlagert sind“, wie Goertz präzisierte. Die lokalen und globalen Reifendeformationen im Fahrbetrieb sind seinen Worten zufolge die wesentlichen physikalischen Größen zur Ermittlung der relevanten Daten, die dem Fahrer und den Fahrzeugsystemen zur Verfügung gestellt werden können. Mit den im Rahmen von „Apollo“ entwickelten Sensoren und Funkübertragungseinrichtungen will man nun ein Messprogramm durchführen, um die entwickelten Auswertealgorithmen zu erproben und anzupassen sowie die Funktionalität des Reifensensorsystems zu validieren. Spezielle Messungen auf realen Fahrbahnen mit unterschiedlichen Reibbelägen sollen Auskunft über das Potenzial der entwickelten Algorithmen liefern. Anschließend ist der Aufbau eines Demonstrationsfahrzeugs geplant, mit dem die Funktionen des neu entwickelten Reifensensorsystems prototypisch gezeigt werden sollen.
Mit der Zukunft des Reifens befassten sich auch die Vorträge, die in dem Themenblock „Reifen im Spiegel der internationalen Gesetzgebung“ zusammengefasst waren. Hier zeigte zunächst Dr. Reiner Stenschke vom Umweltbundesamt (UBA) den Status quo der Gesetzgebung in Bezug auf die Umwelteigenschaften von Reifen auf, bevor er – abgeleitet aus neueren Untersuchungen – auf mögliche Änderungen in der Zukunft einging. Konkrete Stichworte in diesem Zusammenhang sind die von den Pneus ausgehenden Geräuschemissionen, deren Rollwiderstand sowie die in den bei der Reifenfertigung verwendeten hoch aromatischen Ölen enthaltenen polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe, die als Krebs erregend gelten. „Zur Ermittlung des gegenwärtigen Standes der Technik im Hinblick auf Abrollgeräusch, Rollwiderstand und wichtige Gebrauchseigenschaften wurden in unserem Auftrag Untersuchungen für Nutzfahrzeug- und Pkw-Reifen durchgeführt“, sagte Stenschke.
Die Auswertung der dabei gemäß Richtlinie 2001/43/EG ermittelten Abrollgeräusche hätte gezeigt, dass die ermittelten Messwerte zum Teil deutlich unter dem Niveau der derzeitigen EU-Grenzwerte – bei Pkw in Abhängigkeit von der Reifenbreite zwischen 72 und 76 dB(A), bei leichten Nutzfahrzeugen je nach Reifenart (normal, M&S, spezial) im Bereich von 75 bis 78 dB(A) bzw. bei schweren Nutzfahrzeugen zwischen 76 und 79 dB(A) – lägen. Grund genug für das UBA der EU eine Absenkung des maximal erlaubten Geräuschemissionspegels auf 71 dB(A) für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge gleichermaßen sowie einen Wert von 70 bzw. 73 dB(A) für schwere Nutzfahrzeuge vorzuschlagen. „Diese internen, bislang nicht publizierten Grenzwerte verstehen wir als Diskussionsgrundlage. Denn mit den derzeitigen Grenzwerten lässt sich jedenfalls keine weitere Absenkung der von Reifen ausgehenden Geräuschemissionen erreichen, denn wie gesehen liegen die meisten Produkte schon heute unterhalb der jeweiligen Limits“, meinte Stenschke.
Für den Rollwiderstandsbeiwert von Reifen gebe es seitens der EU zwar noch keine verbindliche Richtlinie. Da jedoch allgemein bekannt sei, dass ein um 30 Prozent niedrigerer Rollwiderstand zu Kraftstoffeinsparungen von rund fünf Prozent führe und als Folge dessen zudem die CO2-Emissionen in gleichem Maße reduziert würden, begrüße das UBA, dass bei der Fortschreibung der Reifenrichtlinie künftig auch Rollwiderstandsaspekte berücksichtigt werden sollen. Um die Wechselwirkungen zwischen Rollwiderstand und Reifenperformance (insbesondere bei Nässe) zu untersuchen, hat man auch diesbezüglich entsprechende Messungen und Auswertungen vorgenommen. „Dabei hat sich gezeigt, dass keine Zielkonflikte zum Beispiel beim Nassbremsverhalten bestehen“, so Stenschke. „Es hat sich außerdem gezeigt, dass bei Pkw-Reifen entgegen früheren Vermutungen Winterreifen keinen höheren Rollwiderstand haben als Sommerreifen. Konsequenterweise wurde dies für die Kriterien des Umweltzeichens berücksichtigt, sodass seit Januar der diesbezügliche Grenzwert gesenkt wurde und damit jetzt dem für Sommerreifen entspricht.“
Was das in jüngster Vergangenheit in der Branche kontrovers diskutierte Thema hoch aromatischer Öle in den Gummimischungen angeht, spielen für das UBA vor allem die Einzelkonzentration von Benzo(a)pyren sowie der Summenwert für die acht als Krebs erregend eingestuften PAKs – Benz(a)anthracene, Chrysen, Benzo(b+j+k)fluoranthene, Benzo(e)pyren, Benzo(a)pyren, Dibenz(a,h)anthracene – eine wichtige Rolle. Nach Aussagen Stenschkes betrugen die Partikelemissionen durch Reifenabrieb im Jahr 2000 in Deutschland rund 70 kt (davon 6 kt in der Partikelgrößenfraktion kleiner 10 µm) im Vergleich zu 32 kt Dieselrußpartikeln. Mit diesem Reifenabrieb gelangten nach den UBA-Zahlen damit etwa jährlich etwa 350 Kilogramm Benzo(a)pyren und 3,08 Tonnen PAK in die Umwelt – durch Dieselpartikel 420 Kilogramm bzw. 0,95 Tonnen. „Die Dieselpartikelemissionen werden in den nächsten Jahren durch schärfere Grenzwerte für Dieselfahrzeuge stark zurückgehen, für die Emissionen von Reifenabrieb ist dagegen aufgrund der steigenden Fahrleistungen und fehlender Emissionsminderungsmöglichkeiten mit einem weiteren Anstieg zu rechnen“, zeigte sich Stenschke überzeugt.
Und auch wenn die PAK-Emissionen durch Reifenabrieb nur wenige Prozent zu den gesamten PAK-Emissionen in Deutschland beitrügen, so seien es doch Emissionen, die sich mit vertretbarem Aufwand vermeiden ließen. Denn es gebe Alternativen zu den kennzeichnungspflichtigen hoch aromatischen Ölen, deren generelle Eignung vom europäischen Verband der Kautschukindustrie (BLIC) und der Mineralölindustrie bereits aufgezeigt worden sei. Die Mehrkosten bei der heutigen Marktlage gibt das UBA mit rund 50 Euro-Cent je Reifen an, wobei dies noch dadurch kompensiert werde, dass diese Reifen tendenziell einen niedrigeren Rollwiderstand aufwiesen und damit den Kraftstoffverbrauch positiv beeinflussen könnten. „Die EU-Kommission hat daher im Februar diesen Jahres nach mehreren Verhandlungsrunden mit Vertretern der Reifen- und Mineralölindustrie sowie der EU-Mitgliedsstaaten den Entwurf für eine entsprechende Regelung vorgelegt“, erklärte Stenschke.
Bei der Herstellung von Reifen dürften demnach nur Öle verwendet werden, deren Gehalt an Benzo(a)pyren kleiner als ein Milligramm je Kilogramm ist bzw. deren Summengehalt der acht PAKs zehn Milligramm pro Kilogramm nicht überschreitet. Außerdem dürften keine Reifen auf den Markt gebracht werden, bei deren Herstellung diese PAK-Grenzwerte nicht eingehalten werden. Diese Anforderungen sollen für Reifen von Personenkraftwagen, leichten und schweren Nutzfahrzeugen, landwirtschaftlichen Maschinen und Motorrädern vom 1. Januar 2009 an gelten. Rennreifen sollen die Anforderung erst ab 1. Januar 2012 einhalten müssen. Reifen für Flugzeuge sind von den Regelungen ausgenommen. Bislang ist Stenschkes Worten zufolge jedoch noch nicht einmal ein genormtes Messverfahren festgelegt, mit dem diese Emissionswerte zukünftig bestimmt werden sollen.
Weniger mit den Umwelteigenschaften als mit dem Beitrag, den Reifen zur Verkehrssicherheit leisten können, setzt sich eine von der TÜV Automotive GmbH für die Europäische Komission erstellte Studie auseinander. Motivation der Untersuchung war aber auch hier, durch das Zusammentragen und das systematische Analysieren von Daten und Informationen rund um das Thema Reifen Handlungsempfehlungen für die gesetzgebenden Gremien abzuleiten. Zum einen wurden zu diesem Zweck Daten aus der weltweiten Unfallforschung herangezogen – natürlich immer mit Blick speziell auf die Bereifung. Hier wurde mit vielen Stellen – Behörden, Verbänden, Forschungsinstituten etc. – zusammengearbeitet, Reifen- und Fahrzeughersteller kontaktiert sowie auf TÜV-eigenes Datenmaterial zurückgegriffen. „Die Basisdaten, die wir gesammelt, dann gefiltert und ausgewertet haben, waren allerdings sehr inhaltsarm und unspezifisch, was die Rolle und die Einflüsse der Reifen am Unfallgeschehen betrifft“, erläuterte Walter Reithmaier von der TÜV Automotive GmbH bei der Vorstellung der Studie. Reifen würden seinen Worten zufolge in den Statistiken meist ohne weitere Differenzierung nur innerhalb der Ursache „technische Defekte“ aufgeführt. Wenn sie als unfallursächlich erfasst seien, dass meist wegen plötzlichen Druckverlustes. „Performance-Kriterien bleiben gänzlich unberücksichtigt“, sagte Reithmaier.
Insofern verwundert nicht, dass die in der Studie genannte Spanne derjenigen Fälle, bei denen schadhafte Reifen als unfallursächlicher technischer Defekt festgestellt wurden, mit 20 bis 60 Prozent der Fälle relativ groß ist. Damit stünden defekte Bereifungen an zweiter Stelle bei den technisch bedingten Unfallursachen. Zu 40 bis 60 Prozent führt die Studie dies auf eine vernachlässigte Wartung (Minderdruck, abgefahrenes Profil, Reifenüberalterung, Reifen dem Fahrbahnzustand nicht angemessen) der Pneus zurück, in 15 bis 35 Prozent der Fälle spielen andere Gründe eine Rolle. „Dies können Schäden nach Überfahren eines Hindernisses, eine fehlerhafte Montage/Reparatur oder Produktionsfehler sein, wobei letzterer Faktor hauptsächlich von runderneuerten Reifen beeinflusst wird“, meinte Reithmaier. Bei den Runderneuerten gebe es halt solche Produkte, die heutigen Anforderungen ohne Abstriche genügten, und solche, die dies eben nicht täten.
Der TÜV hat jedoch nicht nur Unfallzahlen analysiert, sondern darüber hinaus aus einem technischen Blickwinkel versucht zu evaluieren, welchen Sicherheitsbeitrag die Bereifung beim Fahrzeugeinsatz liefert. Zu diesem Zweck wurden – so Reithmaier – zahlreiche Expertengespräche geführt sowie intensiv in der Literatur und Forschungsarbeiten recherchiert. Auch hier flossen demzufolge wieder eigenes Fachwissen sowie die Ergebnisse eigener Versuchs- und Forschungsprojekte in die Betrachtung mit ein. Denn Schädigungen der Reifen könnten – so die Argumentation – nicht nur von falscher Wartung herrühren, sondern außerdem daher, dass ein Pneu hinsichtlich Konzeption und Ausführung nicht zu einem bestimmten Fahrzeugtyp passt und so im Betrieb über Gebühr beansprucht wird. „Das kann man sich bei der EU gar nicht vorstellen, weil man dort meint, dass jeder ECE-konforme Reifen ein guter Reifen ist“, so Reithmaier.
Dass es da von dem einen Reifenmodell zum anderen durchaus Unterschiede gibt, belegte das von ihm im Rahmen der TÜV-Tagung präsentierte Datenmaterial. Bei neun verschiedenen Reifenmodellen, die auf ein und demselben SUV (Sport Utility Vehicle) gefahren wurden, hat man beispielsweise im Fahrbetrieb die Gürtelkantentemperatur der jeweiligen Pneus gemessen. Als niedrigste Temperatur wurden für eines der Modelle knapp 70° C gemessen, als höchste ein Wert von gut 85° C. Vor dem Hintergrund Raithmaiers Aussagen, dass zu hohe Gürtelkantentemperaturen einen Reifen schädigen können, und dem gemessen Unterschied von 15 bis 20 Grad lässt sich obige Argumentation durchaus nachvollziehen. Ähnlich große Temperaturdifferenzen hat der TÜV übrigens für den Fall gemessen, dass vier verschiedene SUVs jeweils mit dem gleichen Reifen ausgerüstet wurden. Die zusätzliche Analyse von im Zeitraum 1997 bis 2003 veröffentlichen Reifentests in Fachzeitschriften förderte zudem große Unterschiede in den Leistungswerten der verschiedenen Produkte – fast 400 Reifen aus insgesamt 30 Tests – zutage. Bezüglich der Verzögerung auf nasser Fahrbahn wurden demnach Differenzen von bis zu 25 Prozent festgestellt, beim Aquaplaning in Längsrichtung von bis zu 15 Prozent.
Dies und die darüber hinaus bei den subjektiven Wertungskriterien der Tests registrierten Unterschiede von je nach Reifenfabrikat beispielsweise ausgewogenem oder schwer kontrollierbarem Fahrverhalten führt in der Studie zu dem Schluss, dass der Wahl der „richtigen“ Reifen-Fahrzeug-Kombination ein höherer Stellenwert beizumessen sei. „Je höher der Geschwindigkeitsindex und je niedriger der Reifenquerschnitt wird, desto höher sind die Anforderungen an die Bereifung und desto größer ist die Notwendigkeit, mögliche ungünstige Kombinationen auszuschließen – sowohl hinsichtlich der Betriebssicherheit als auch des Fahrverhaltens“, so Reithmaier. Kommt hier etwa wieder die Fabrikatsbindung durch die Hintertür? Im Folgenden ging der TÜV-Mann noch auf den Stand Technik bzw. der technologischen Entwicklung des Reifens ein. Notlaufreifen, Druckkontrollsysteme, der „intelligente Reifen“ sowie elektronische Chips zur Identifikation der Pneus bildeten dabei die Schwerpunkte. Darüber hinaus empfiehlt die Studie Detailänderungen im Zusammenhang mit den bestehenden Reifenrichtlinien. Genannt seien hier beipielhaft eine einheitliche Kennzeichnung von Notlaufreifen oder die Anhebung der Mindestprofiltiefe von derzeit 1,6 auf 2,5 Millimeter. Alle Anregungen des von der TÜV Automotive GmbH erstellten Werkes wiederzugeben würde allerdings den Rahmen dieses Beitrags vollends sprengen, sodass Interessierte auf die vollständige, über 170 Seiten umfassende Studie verwiesen seien.
Welchen Beitrag Fahrzeug- und Reifenhersteller sowie auch Materialzulieferer und im Bereich der Messtechnik aktive Unternehmen zur weiteren Verbesserung der technischen Eigenschaften von Reifen leisten können, zeigten eine ganze Reihe von Referenten in den Themenblöcken „Reifenentwicklung heute“ bzw. „Neue Testmethoden“ der „tyre.wheel.tech 2004“. So stellte Hans-Rudolf Hein wie schon beim Stahlgruber Round Table im Frühjahr 2004 ausführlich den BMW-Reifenentwicklungsprozess vor. Dabei spielen seinen Worten zufolge eine Menge Anforderungen etwa hinsichtlich Komfort, Sicherheit oder Qualität eine gewichtige Rolle. Grundphilosophie sei jedoch, dass BMW-Fahrzeuge immer dem Anspruch „best of handling“ in dem jeweiligen Marktsegment genügen müssten. Und dazu leisteten nun einmal die Reifen einen entscheidenden Beitrag, weshalb man einerseits nur mit den führenden Herstellen Bridgestone, Continental, Dunlop, Goodyear, Michelin und Pirelli zusammenarbeite sowie andererseits die in der Branche viel diskutierte Stern-Markierung als Kennzeichnung einer „Original-BMW-Bereifung“ durchaus ihre Daseinsberechtigung besitze. „Das versteht, wer gesehen hat, welchen enormen Aufwand wir bezüglich der Reifenentwicklung für unsere Fahrzeuge betreiben“, so Hein.
Andere Fahrzeughersteller setzen andere Entwicklungsschwerpunkte als beim Handling. Das zeigten die Ausführungen Saburo Miyabe. „Die von den Herstellern definierten Anforderungen sind dabei haupsächlich technischer Natur“, erklärte Miyabe. „Zwar stehen Faktoren wie die Kilometerlaufleistung oder das Handling mit einem Anteil von 43 bzw. 19 Prozent der Nennungen in der Endverbrauchergunst ganz oben, aber an dritter Stelle folgt mit 17 Prozent gemäß der 2003er OE-Reifenzufriedenheitsstudie von J.D. Power allerdings schon das Aussehen bzw. das Erscheinungsbild des Reifens“, so Miyabe weiter. Deshalb rücke das Styling eines Pneus immer mehr in den Vordergrund bei Neuentwicklungen, sowohl was die Profil- als auch die Seitenwandgestaltung angehe. Nichtsdestotrotz würden jedoch aus Designgründen keine Abstriche hinsichtlich der Leistungseigenschaften eines Pneus hingenommen. Der Grundsatz „form follows function“ gelte nach wie vor.
Wider etwas technischer wurde es dann mit einem Vortrag des Materialherstellers Cordenka, in dem die Eigenschaften von Rayon als Verstärkungsmaterial bei der Fertigung von High Performance-Reifen beleuchtet wurden. „Dank geringer Hystereseeffekte dieses Materials ist die Gefahr so genannter Flat Spots (Abplattung in der Reifenlauffläche bei längerem Stillstand des Fahrzeugs, d. Red.) wesentlich geringer. Vorteile bei der Verwendung von Rayon sehen wir außerdem bezüglich des Rollwiderstandes oder bezüglich der – insbesondere bei Runflat-Reifen – Erwärmung des Reifens durch das Walken“, sagte Brún Jelsma und belegte seine Aussagen mit einer ganzen Reihe von Messkurven. Diesbezüglich stand ihm Pirelli-Entwickler Dario Scaltritti in nichts nach, als er eine neues Indoor-/Outdoor-Reifentestverfahren vorstellte, das zusammen mit dem Kunden Alfa Romeo entwickelt wurde. Dadurch, dass eine Reihe von Tests mit Rechnereinsatz simuliert werden kann, bevor ein Prototyp tatsächlich gefertigt wird, könnte – so seine Worte – die Entwicklungszeit weiter verkürzt und gleichzeitig die Anzahl der Fahrversuche reduziert werden.
In diese Richtung bzw. in Richtung einer höheren Produktqualität zielten eine ganze Reihe weiterer in München vorgestellte Innovationen – sei es die rechnerische Modellierung von Reifeneigenschaften mittels der so bezeichneten „TIME 2“-Prozedur oder auch ein Messverfahren zur Onlinebestimmung der Reifenposition (Spur, Sturz, Lenkwinkel etc.) am Fahrzeug, die Messung der Hochgeschwindigkeitstopografie von Reifen mittels eines Laser-Lichtschnittverfahrens sowie ein neuer Ansatz zur Bestimmung der Uniformity unter Produktionsbedingungen. Bei all diesen „reifenlastigen“ Themen sei nicht vergessen zu erwähnen, dass die Tagung gemäß ihres Namens natürlich auch dem Rädersegment gerecht wurde. So etwa demonstrierte Markus Huber von der Audi AG, zu welchen Gewichtseinsparungen die Topologieoptimierung bei einem fixierten Raddesign führen kann. Die Aufgabe für das Team um Huber bestand konkret darin, bei einem hinsichtlich seines Luftwiderstandsbeiwertes optimierten Niederdruckgussrad in der Dimension 7Jx16 ET35 für den A6 möglichst viel Masse abzuspecken, ohne das Erscheinungsbild des Rades zu ändern.
„Dazu wurde das Volumenmodell analog zu FEM-Berechnungen mit einem Knotengitter überzogen und die unveränderlichen Geometrien mit einem so bezeichneten ‚Surface-Freeze’ fixiert“, erklärte Huber. Dann wurde die Belastung des Rades gemäß der technischen Spezifikationen simuliert und sämtliche nicht beanspruchten Knoten und Stäbe des Gitters entfernt. Daraus leiteten die Audi-Entwickler die nötigen Modifikationen an dem Rad ab: eine Segmentierung unter dem äußeren Reifensitzbereich, Optimierung der Speicheninnentaschen, eine kleeblattförmige Anlagefläche sowie die Reduzierung der Wandstärke der Felgeninnenseite bei gleichzeitiger Verstärkung durch eine Art „Fachwerkstruktur“. Theoretisch hätte sich bei einem Ausgangsgewicht von elf Kilogramm so eine Massenreduzierung um maximal gut anderthalb Kilogramm erreichen lassen können. Letztendlich übrig geblieben sind immer noch beachtliche 1,1 Kilogramm pro Rad. „Die Methode der Topologieoptimierung kann interessante Denkanstöße für die konventionelle Räderentwicklung von Gussrädern geben und Einsparpotenziale an der Grenze der Gieß- und Kokillentechnik aufzeigen“, lautete denn auch Hubers Fazit. „Wir haben zwar auf dieses Rad, das wir im Rahmen dieser Tagung erstmals der Öffentlichkeit zeigen, noch keinen Reifen montiert, aber wir hoffen, dass es nicht nur etwas für den Schrank ist, sondern sich irgendwann in der Praxis bewähren kann“, ergänzte Huber.
Das hofft sicherlich auch die Bühler Druckguss AG für ihr in München vorgestelltes neues Druckgussverfahren namens IWP, was stellvertretend für „Innovative Wheel Pressing“ steht. „Schon seit mehreren Jahren sind Anstrengungen im Gange, das Aluminiumrad im Druckgießverfahren herzustellen. Was bei Motorrädern, Motorfahrrädern und Scootern gelungen ist, wurde bisher bei Pkw-Rädern aufgrund der höheren mechanischen Anforderungen noch nicht erreicht. Das konventionelle Druckgießverfahren konnte dem Wunsch nach hoher Dehnung, Festigkeit und Dichtheit nicht gerecht werden. Unser modifiziertes Druckgießverfahren IWP wird nun aber nicht nur den mechanischen Ansprüchen gerecht, sondern ist zudem sehr wirtschaftlich“, meinte der Bühler-Prozessingenieur Marc Fuchs.
Das IWP-Verfahren kann seinen Erklärungen zufolge in drei Prozessschritte unterteilt werden: die Herstellung des Ausgangsmaterials, das laminare Gießen in die Kavität und die Erstarrung unter hohem Enddruck. Eine besonders wichtige Rolle spiele in diesem Zusammenhang die Aufbereitung der Schmelze. Sie wird bei ca. 30° bis 60° C über der Liquidustemperatur in einen speziell entwickelten Behälter dosiert, wo ihr anschließend innerhalb kürzester Zeit Wärme entzogen wird, damit eine große Anzahl Keime entsteht. „Je größer die Anzahl Keime, desto feiner wird anschließend das Gefüge im halbfesten Zustand“, führte Fuchs weiter aus. „Nach Unterschreiten der Liquidustemperatur wird die Kühlrate reduziert, sodass die Keime globulitisch weiterwachsen können und untereinander ein Festphasenskelett bilden. Dieses Skelett sorgt für die Stabilität des Aluminiumbolzens. Diese Phase des Kühlvorganges ist sehr wichtig, da bei zu großer Kühlrate eine dendritische Struktur entstehen würde, die typisch für das konventionelle Niederdruckgussverfahren ist.“
Der Gießprozess selbst kann bei dem IWP-Verfahren über eine Echtzeitregelung gesteuert und überwacht werden. Bei der Erstarrung der so gegossenen Räder muss laut Fuchs im Vergleich zum Kokillengussrad zudem weniger Wärme abgeführt werden, da das Metall schon während der Füllung zu 50 Prozent erstarrt sei. Dies führe zu einer Verkürzung der Zykluszeit auf rund eine Minute und liefere damit einen wichtigen Beitrag zur Wirtschaftlichkeit des Verfahrens. Durch eine weit gehende Automatisierung könne zudem Personal gespart werden, während die kontinuierliche Prozesskontrolle des Weiteren für niedrige Ausschussquoten sorge. „Als zukünftige Potenziale von IWP sehen wir die Eliminierung der Röntgenprüfung der Räder, da Mikroporosität damit ohnehin nicht detektierbar ist. Auch eine Reduzierung der Wärmebehandlung ist denkbar“, so Fuchs weiter, der das neue Verfahren damit bezogen auf die Kosten und die Qualität dem konventionellen Niederdruckkokillenguss überlegen sieht.
In den weiteren Vorträgen zum aus dem Themenblock „Räder und Zubehör in der heutigen Fahrzeugentwicklung“ gingen die Referenten unter anderem auf den Einfluss verschiedenster Kontruktions- und Produktionsparamter bei der Schraubenfertigung auf die Sicherheit von Radverschraubungen, unterschiedliche Lackierverfahren für Radabdeckungen aus Plastik oder die Spezifika von geschmiedeten Formel-1-Magnesiumrädern ein. Damit wurde bei der „tyre.wheel.tech 2004“ alles in allem ein extrem breites Spektrum an Themen abgedeckt – eigentlich dürfte für jeden der Teilnehmer etwas Interessantes dabei gewesen sein. Und selbst wenn nicht, so bot die Veranstaltung darüber hinaus abseits der Vorträge genügend Raum zum Gedankenaustausch oder zum Pflegen und Knüpfen von Kontakten. Insofern kann man sich nur wünschen, dass sich die TÜV-Süd-Gruppe bald wieder in Form einer solchen Konferenz des Themas Reifen und Räder annimmt. Wie dem auch sei, für den 4./5. Mai 2005 ist unter dem Titel „fahrwerk.tech“ auf jeden Fall schon mal eine Tagung zu Themen aus dem Fahrwerksbereich geplant – und in diesem Zusammenhang dürfte sicherlich auch die Fahrwerkskomponente Reifen wieder im Tagungsprogramm mit auftauchen.
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