Autozulieferer als „Hidden Champions“ obenan auf der China-Einkaufsliste

Kaum ein Autobesitzer weiß, dass nur ein vergleichsweise kleiner Anteil der in seinem Fahrzeug verbauten Komponenten von den Automobilherstellern selbst stammt. Die überwiegende Mehrzahl der Teile und Baugruppen stammt von in den meisten Fällen dem Verbraucher gar nicht bekannten Zulieferern. Dabei liegt deren Wertschöpfungsanteil am Fahrzeug nach Expertenaussagen immerhin irgendwo bei gut 70 Prozent mit weiter steigender Tendenz in Richtung drei Viertel. Genau das macht die meist mittelständisch geprägten Branchenunternehmen aber offenbar besonders interessant für Investoren aus dem Reich der Mitte, die sich seit 2010 immer häufiger nach entsprechenden „Investitionsobjekten“ hierzulande umschauen: Bei den Chinesen sollen deutsche Automobilzulieferer dabei nämlich ganz oben auf der „Einkaufsliste“ stehen.

Selten stehen Automobilzulieferer hierzulande so im Fokus des öffentlichen Interesses wie zuletzt während des schwelenden, mittlerweile aber beigelegten Konfliktes zwischen Volkswagen sowie den Unternehmen ES Automobilguss und Car Trim aus der Prevent-Gruppe. Das könnte an dem nach Worten der Nürnberger Puls Marktforschung GmbH „krassem Missverhältnis“ liegen, das zwischen der Bekanntheit vieler Unternehmen der Zulieferbranche und ihrer strategischen Bedeutung für die Innovationskraft der Automobilhersteller bestehe. „Mit Bekanntheitsgraden von 82 Prozent, 75 Prozent und 58 Prozent bilden Bosch, Continental sowie (mit Einschränkungen) ThyssenKrupp rühmliche Ausnahmen“, so die Marktforscher mit Blick auf die Ergebnisse einer ihrer aktuellen Studien, für die gut 1.000 Autokäufer bezüglich dieser Thematik befragt wurden. Demgegenüber besäße die Mehrheit der milliardenschweren deutschen Automobilzulieferer eher nur „homöopathische“ (gestützte) Bekanntheitsgrade zwischen 38 Prozent (Webasto) bis hinunter zu sogar nur einem Prozent (Aunde).

„Automobilzulieferer mit Wachstumsambitionen sollten ihre Endkundenbekanntheit schon deshalb steigern, weil sie dadurch ihre Chancen beim Wettbewerb um die besten Köpfe verbessern“, meint Puls-Geschäftsführer Dr. Konrad Weßner. Die beiden Benchmarks Bosch und Continental zeigten demnach, dass und wie sich Automobilzulieferer zu starken Marken entwickeln können. Neben den erfolgreichen Endkundengeschäftsbereichen beider Unternehmen bringe Bosch mit dem Anspruch „Technik fürs Leben“ eine klare Ausrichtung an Endkunden zum Ausdruck, während Conti neben dem Sponsoring internationaler Großveranstaltungen demgegenüber aktiv seine Beiträge zur Technologie des Autos und der Mobilität von Morgen herausstelle. Diese Beispiele zeigen nach Ansicht der Marktforscher, wie sich Automobilzulieferer durch cleveres Markenmanagement von „Hidden Champions“ zu Partnern auf Augenhöhe entwickeln können. „Automobilhersteller sollten sich auf der anderen Seite nicht länger von einzelnen Zulieferern abhängig machen. Dies gilt vor allem für Zukunftsthemen wie Batteriesysteme“, so die Nürnberger weiter.

In der Deloitte-Publikation mit dem Titel „Investing in Germany – A guide for Chinese businesses“ heißt es, dass sich Investoren aus dem Reich der Mitte seit 2010 immer häufiger nach „Investitionsobjekten“ hierzulande umschauen

In der Deloitte-Publikation mit dem Titel „Investing in Germany – A guide for Chinese businesses“ heißt es, dass sich Investoren aus dem Reich der Mitte seit 2010 immer häufiger nach „Investitionsobjekten“ hierzulande umschauen

Anders als die meisten Endverbraucher wissen Marktkenner oder Unternehmen auf der Suche nach Investitionsmöglichkeiten offenbar weitaus besser um die Bedeutung der meist mittelständischen Firmen der Automobilzulieferindustrie. In die zuletzt genannte Kategorie fallen ganz augenscheinlich vor allem solche, die aus China stammen und in jüngerer Vergangenheit vermehrt nach Transaktionsmöglichkeiten auf dem europäischen Markt – siehe nicht zuletzt die Übernahme Pirellis durch ChemChina innerhalb der Reifenbranche – und dem deutschen suchen. In einer Publikation der Beratungsgesellschaft Deloitte mit dem Titel „Investing in Germany – A guide for Chinese businesses“ ist jedenfalls die Rede davon, dass sich Investoren aus dem Reich der Mitte seit 2010 immer häufiger nach „Investitionsobjekten“ hierzulande umschauen. „Eine erfolgreiche Übernahme bedeutet nicht nur potenzielle Gewinne für den Investor. Das jeweilige Unternehmen erhält Zugang zu einem neuen, bedeutenden Absatzmarkt und schafft damit die Voraussetzung für weiteres Wachstum und Investitionen auf dem Heimatmarkt“, erklärt Dirk Hällmayr, Partner und Leiter der sogenannten Chinese Services Group bei Deloitte.

„Investitionen schaffen Jobs und Wachstum – und sind deshalb wichtig für den Wirtschaftsstandort Deutschland“, ist er darüber hinaus überzeugt mit Blick auf die seit 2010 „entscheidend gestiegen[en]“ Fusions- und Akquisitionsaktivitäten chinesischer Investoren in Deutschland. Im Zuge immer höherer Investitionsvolumina nehme dabei zugleich der Qualitätsanspruch aufseiten der Chinesen zu, sodass anstelle von sich bereits in Schieflage befindlichen Übernahmekandidaten vermehrt namhafte Technologieführer auch aus dem Mittelstand mit entsprechendem Potenzial in den Fokus des Interesses rückten. In diesem Zusammenhang fällt bei Deloitte ebenfalls das Stichwort der sogenannten „Hidden Champions“. Gemeint damit sind global aufgestellte Unternehmen, die in ihren Kernbereichen Weltmarktführer sind. Und zu denen werden nun einmal auch und insbesondere die Automobilzulieferer gezählt.

 

Laut von dem Beratungsunternehmen präsentierten und demnach vom Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA) stammenden standen die deutschen Unternehmen dieses Branchensegmentes 2014 für ein Umsatzvolumen in Höhe von immerhin 73 Milliarden Euro. Und ungeachtet sich in Form eines allmählichen Fachkräftemangels abzeichnender Probleme stellen sie demnach außerdem das Gros der Arbeitsplätze im Automobilsektor. Selbst wenn sich die Zulieferindustrie hierzulande aktuell im Umschwung befinde und immer mehr Unternehmen dieses Zweiges auf eine stärkere Diversifizierung bzw. neue Geschäftsmodelle setzten, biete sie dennoch vielfältige Fusions- und Akquisitionsoptionen für chinesische Investoren, heißt es. „Die hohen Standards und das insbesondere in den Bereichen Elektronik und Antrieb vorhandene Know-how machen die Firmen attraktiv. Auch die eher mittelständische Struktur mit einer zum Teil sehr hohen Profitabilität bei den einzelnen Anbietern trägt dazu bei“, so Deloitte.

Dort bescheinigt man den Chinesen parallel zu alldem „eine mittlerweile hohe Professionalität bei Übernahmeversuchen“, sodass mit einer „lebhaften weiteren Entwicklung“ an dieser Front gerechnet wird. Bange ist den Beratern angesichts des in der jüngeren Vergangenheit zu beobachtenden Trends und in Erwartung dessen weiteren Fortschreitens mit Blick auf die heimischen Firmen gleichwohl nicht. „Übernahmen wie die von Kuka zeigen das Interesse chinesischer Investoren an deutschen Firmen und deutschem Hightech. Befürchtungen, dass Unternehmen zerschlagen werden und Arbeitsplätze verloren gehen, sind dabei in den meisten Fällen unbegründet. Viele Automobilzulieferer sind beispielsweise in der Krise von chinesischen Investoren übernommen worden – und inzwischen erfolgreich umstrukturiert und wieder konkurrenzfähig“, erklärt Hällmayr die diesbezüglich vergleichsweise entspannte Sicht der Dinge bei Deloitte. christian.marx@reifenpresse.de

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