„Winterreifen-Company“ Conti: Kerndisziplin verteidigen/Ganzjahresreifen nicht promoten
Dass Continental über die Aussagen von Jean-Dominique Senard, in Deutschland würden den meisten Autofahrern Ganzjahresreifen statt eines saisonalen Wechsels genügen, nicht gerade erfreut ist, dürfte klar sein. Zumal der Michelin-Chef in einem Zeitungsinterview im selben Atemzug zwar vorrangig den dem so bezeichneten „Billigreifensegment“ zuzuordnenden Herstellern vorgeworfen hat, Produkte auf den Markt zu bringen, die nach „kurzer Zeit kaputt“ sind bzw. schneller ihre Leistungseigenschaften verlieren, dabei jedoch der Name seines deutschen Konkurrenten sowie der Bridgestones nicht gänzlich unerwähnt blieb. Derlei hat man im Conti-Konzern sehr wohl zur Kenntnis genommen, ohne sich jedoch genötigt zu fühlen, darauf direkt antworten zu wollen oder müssen, wie Nikolai Setzer als im dortigen Vorstand für die Reifensparte Verantwortlicher im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG erklärt. „Da sind wir typisch norddeutsch zurückhaltend“, sagt er. Gleichwohl macht er deutlich, dass Continental nach wie vor keinen Grund dafür sieht von seiner Empfehlung „Sommerreifen im Sommer – Winterreifen im Winter“ abzurücken.
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Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass das Unternehmen seit dem Frühjahr mit dem „AllSeasonContact“ nach langem Zögern nun selbst ein Produkt seiner Hauptmarke für das Segment Ganzjahresreifen in petto hat, obwohl man sich doch eigentlich als „Winterreifen-Company“ sieht. „Winterreifen sind eine unserer Kerndisziplinen. Und diese Position werden wir verteidigen“, macht Setzer unmissverständlich deutlich. Mit Blick auf das noch laufende Jahr ist Setzer im Übrigen positiv gestimmt, was den Winterreifenabsatz betrifft. Er geht von einem wenigstens stabilen, wenn nicht gar leicht steigenden Stückzahlvolumen aus. Freilich hätten die Verkäufe von Allwetterreifen deutlich zugelegt, aber von einem relativ gesehen niedrigen Niveau aus kommend. Daher sei dieses Marktsegment trotz allen Wachstums nach wie vor noch vergleichsweise klein. „Interessant dabei ist, dass nach unseren Beobachtungen Ganzjahresreifen nicht den Winterreifen Verkaufsanteile streitig machen, sondern vielmehr den Sommerreifen“, berichtet der Conti-Vorstand.
Dabei geht er davon aus, dass die Zuwächse bei den Absatzzahlen an Allwetterreifen im kommenden Jahr sogar noch über denen in diesem liegen werden. Aber nicht das sei der Grund für die Einführung des „AllSeasonContact“ gewesen. „Es gibt einfach eine Kundschaft, die man nicht ignorieren kann“, erklärt er den Conti-Ansatz. Soll heißen: Wenn also jemand entgegen der grundsätzlichen Empfehlung des Herstellers partout Ganzjahresreifen an seinem Auto haben möchte, dann will man ihm eben ein entsprechendes Conti-Produkt bieten können – nicht, dass er dann womöglich einem Wettbewerber den Vorzug geben muss. Dabei sei die Nachfrage nach entsprechenden Modellen ohnehin auf relativ wenige Länder innerhalb Europas beschränkt. In diesem Zusammenhang zählt Setzer abgesehen von Deutschland vor allem noch Frankreich, Großbritannien sowie die Benelux-Staaten auf. „Die zusammen machen allen schon gut 80 Prozent des Ganzjahresreifenmarktes in Europa aus“, erklärt er.
Da für das Unternehmen Sicherheit jedoch höchste Priorität hat, wird ungeachtet all dessen weiter eine jahreszeitlich angepasste Bereifung, also ein saisonaler Wechsel zwischen Sommer- und Winterreifen präferiert. Denn prinzipiell könne ein Kompromiss beider Gattungen jeweils nicht an die Leistungen der Spezialisten für den jeweiligen Einsatz in den wärmeren respektive kälteren Monaten des Jahres heranreichen. „Wenn ich in einen Ganzjahresreifen beispielsweise ein wenig mehr an Wintereigenschaften hineinstecke, dann geht auf der anderen Seite bei den Sommereigenschaften etwas verloren“, argumentiert Setzer. Dies könne dann letztlich sogar soweit gehen, dass die von Fahrzeugherstellern im Zuge von Erstausrüstungshomologationen gestellten Anforderungen an die Bereifung – wie insbesondere gerade beim Bremsen oder dem Handling auf trockener Fahrbahn – mit Allwetterreifen schwierig bis gar nicht zu erfüllen seien. Letztendlich vertraut Continental dabei auf den Reifenhandel bzw. die Reifenvermarkter, dass sie die Kunden im Hinblick auf das jeweils für sie am besten geeignete Produkt umfassend beraten.
Dabei werden Ganzjahresreifen grundsätzlich als vor allem geeignet beispielsweise für Wenigfahrer oder Stadtmenschen gesehen, die im Falle eines Falles bei zu unwirtlichen Fahrbahnbedingungen ihr Fahrzeug dann auch mal stehen lassen können. Mit dieser Empfehlung liegt Conti also auf einer Linie mit dem Großteil der Branche, im Ausnahmen ganz augenscheinlich von Michelin. Dass sich der Reifenfachhandel angesichts einer zunehmenden Verbreitung von Allwetterreifen mit daraus resultierend schwindenden Dienstleistungsaufträgen (Umstecken, Einlagern etc.) sowie zusätzlich noch der Konkurrenz alternativer Vertriebskanäle (Autohäuser/Werkstätten, Onlineshops) bei einer gleichzeitig mehr oder weniger bestenfalls stabilen Reifennachfrage seitens der Verbraucher aber nicht gerade einfachen Zeiten gegenüber sieht, ist ihm bewusst. Tröstlich zu hören für den Handel dürfte daher sein, dass Conti nicht vorhat, seinen „AllSeasonContact“ aktiv zu bewerben, so wie Michelin es mit seinem „CrossClimate“ bzw. „CrossClimate +“ getan hat und weiter tut.
Insgesamt hat Setzer im Gespräch mit dieser Fachzeitschrift jedenfalls einen recht positiven Eindruck hinterlassen, was die Entwicklung der Reifensparte des Konzerns betrifft. So gibt er sich angesprochen beispielsweise auf das Thema Erstausrüstung ebenso zufrieden mit der eigenen Position – ein Mehr über den derzeitigen Stand wird dort offenbar gar nicht angestrebt – wie man demnach beim Absatz des eigenen Ganzjahresreifens „innerhalb der Erwartungen“ liege. In diesem Zusammenhang verweist er darauf, dass dem Anbieter den ersten Tests zufolge mit ihm ja wohl eine „ganz gute Balance“ hinsichtlich der verschiedenen Anforderungen an einen Reifen gelungen sei. Aber so gehört es sich ja schließlich für einen Kompromiss. „Wir sehen keinen Grund, warum wir in diesem Segment nicht einen ‚fairen‘ Marktanteil haben sollten“, unterstreicht er. Forcieren wolle man da allerdings nichts. Bei allen Aktivitäten des deutschen Reifenherstellers ist letztere Thematik seinen Worten zufolge ohnehin in keinem Produktbereich das vorrangige Ziel. „Wertschöpfung ist unser Antrieb – Marktanteile kann man nicht essen“, wie Nikolai Setzer es formuliert. christian.marx@reifenpresse.de
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