Kommentar: Warum die Pkw-Reifennachfrage weiter sinkt, …
… kann die NEUE REIFENZEITUNG zwar nicht mit letzter Bestimmtheit sagen – einige Vermutungen anstellen (dazu unten mehr) aber schon. Selbst wenn der eine oder andere vielleicht ganz andere oder zusätzliche Ursachen erkennen mag: Hinsichtlich dessen, dass die Verkaufszahlen Handel an Verbraucher (Sell-out) im bisherigen Jahresverlauf erneut rückläufig sind, dürfte es leider keine zwei Meinungen geben. Zumal die vom Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie e.V. (WdK) für das Reifenersatzgeschäft Deutschland nachgezeichnete Absatzentwicklung hierzulande dies bestätigt. Selbst der Umstand, dass die WdK-Zahlen nur einen kleineren Teil des Gesamtmarktes abdecken mit Schwerpunkt auf dem Reifenfachhandel und weniger bzw. eigentlich gar nicht beispielsweise den Vertriebskanal Onlinehandel respektive Autohaus abbilden, macht die Sache nicht wirklich besser. Aus Sicht des Fachhandels vielleicht sogar eher noch schlimmer: Könnte es am Ende sein, dass konkurrierende Vermarkter zumindest bei Pkw-Reifen ihm zunehmend Marktanteile streitig machen?
Wie dem auch sei: Gleichwohl ist natürlich nicht alles schlecht bzw. gibt es zwei Marktsegmente, in denen weiterhin steigende Absatzzahlen zu registrieren sind. Einerseits sind dies die Offroadreifen, unter denen weniger solche für einen wirklichen Geländeeinsatz zu verstehen sind als vielmehr wohl Reifen für die der sogenannten SUVs (Sport Utility Vehicles). Im Zuge der nach wie vor steigenden Beliebtheit dieser Fahrzeuggattung haben die Verkaufszahlen entsprechender Bereifungen im bisherigen Jahresverlauf bis einschließlich Oktober dem WdK zufolge jedenfalls um rund zehn Prozent zulegen können. Andererseits hat auch die Nachfrage nach Pkw-Ganzjahresreifen weiter angezogen in den ersten zehn Monaten des laufenden Jahres: um demnach sogar knapp 16 Prozent. Das führt letzten Endes dazu, dass sich die Verkaufszahlen von Sommer- inklusive Allwetterreifen Stand Ende Oktober auf demselben Niveau präsentieren wie zum gleichen Zeitpunkt im vergangenen Jahr, auch wenn sich der Absatz an Sommerreifen vier Prozent rückläufig entwickelte.
Noch ein Stück weit enttäuschender als das Sommer- verlief der Start ins diesjährige Wintergeschäft mit Pkw-Reifen. Im Oktober allein gingen 17 Prozent weniger solcher Reifen über die Ladentheke des Handels als im Vorjahresmonat. Da in diesem Monat in der Regel rund ein Drittel des Gesamtvolumens an Winterreifen verkauft wird, verwundert nicht, dass die Bilanz im bisherigen Jahresverlauf etwa elf Prozent im Minus steht und der Pkw-Reifenabsatz insgesamt runde vier Prozent. Warum nur ist das alles so? Klar, die Witterung war bis einschließlich Oktober bisher wenig winterlich. Damit ist eine eher verhaltene Nachfrage nach Winterreifen zum Teil erklärbar. Dass das Wachstum bei Ganzjahresreifen auf Kosten des Winter- und Sommerreifenabsatzes geht, ist ebenfalls nachvollziehbar. Allerdings gilt es zu bedenken, dass sich der 16-prozentige Zuwachs bei Allwetterreifen auf eine vergleichsweise geringe Ausgangsbasis bezieht, zumal damit gerade einmal ein vierprozentiges Minus bei Sommerreifen bei Betrachtung beider Segmente zusammengenommen ausgeglichen werden kann.
Das heißt: Pkw-Reifen insgesamt verkaufen sich von Jahr zu Jahr schlechter. Sinkt also der Fahrzeugbestand und/oder werden die Autos weniger gefahren? Offiziell verfügbaren Daten zufolge ist das nicht der Fall und steigt der Bestand an Autos von Jahr zu Jahr vielmehr leicht, während die jährliche Fahrleistung annähernd unverändert bei rund 12.000 Kilometern verharrt. Vor diesem Hintergrund ist der am weitesten verbreitete Erklärungsansatz der eines technologische Entwicklungsfortschrittes. Gemeint damit ist, dass heutige Reifen eine höhere Laufleistung aufweisen als frühere Generationen. Das mag sein, greift als alleiniger Einflussfaktor aber wohl zu kurz. Schließlich halten Pkw-Reifen bei Otto Normalfahrer im Schnitt so um die vier Jahre, was mittlerweile in etwa auch dem Produktzyklus entsprechen dürfte. Wenn das Pkw-Reifenersatzgeschäft in den letzten vier Jahren also runde zehn Prozent an Volumen verloren hat, der Bestand an Autos in derselben Zeit laut Kraftfahrtbundesamt jedes Jahr zwischen gut einem und knapp zwei Prozent zugelegt hat bei annähernd unveränderter Fahrleistung, dann hieße das ganz grob über den Daumen gepeilt nämlich, dass die Laufleistung von einer Modellgeneration Reifen zur nächsten um irgendwo zwischen 15 und 20 Prozent zugelegt haben müsste. Das scheint ein wenig zu hoch gegriffen zu sein, ungeachtet aller Anstrengungen der Industrie.
Technologischer Fortschritt ist dennoch ein gutes Stichwort, denn inzwischen sind Assistenzsysteme wie ABS, ASR oder ESP weit verbreitet im Fahrzeugpark. Deren Aufgabe ist vor allem, das Blockieren/Durchdrehen der Räder zu verhindern bzw. zu reduzieren. Eine Verminderung des Schlupfes mindert aber auch den Reifenabrieb und erhöht damit die Laufleistung. Hinzu kommt noch, dass aufgrund steigenden Verkehrs und einer zunehmenden Zahl von Tempolimits samt deren regelmäßiger Überwachung durch Blitzer insgesamt defensiver gefahren wird bzw. werden muss. Auch das schont das Laufflächengummi und verringert den Reifenersatzbedarf. All dies sind Entwicklungen, die sich zukünftig eher noch fortsetzen werden. Das bedeutet, dass ein größeres Wachstum bei Pkw-Reifenstückzahlen auf absehbare Zeit nicht zu erwarten ist, sondern höchstens weitere Verschiebungen innerhalb einzelner Marktsegmente: von der saisonalen Umrüstung hin zu Ganzjahresreifen, die einen Kompromiss zwischen den Sommer- und Winterspezialisten auf offenbar immer höheren bzw. immer mehr akzeptierten Niveau bieten, oder eben von Pkw- in Richtung SUV-Bereifungen. Sich darauf einstellen können Reifenvermarkter nicht zu früh. christian.marx@reifenpresse.de
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