Kommentar: Nullsummenspiel – 1+1=3 und 3_3=2
Wie es im von der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften und der Körber-Stiftung herausgegebenen Nachwuchsbarometer die sogenannten MINT-Berufe betreffend unter Verweis auf die PISA Studie 2015 heißt, trauen sich junge Menschen hierzulande immer weniger zu in den entsprechenden Disziplinen. Zur Erklärung: Vorheriges Kürzel steht dabei bekanntlich für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Demnach wollen nur in Indonesien und Dänemark noch weniger Jugendliche eine naturwissenschaftliche Karriere einschlagen als in Deutschland.
Hinsichtlich der Beantwortung der Frage nach dem Warum gibt es die verschiedensten Erklärungsansätze. Üblicherweise ist in diesem Zusammenhang dann von nicht gut genug aus- bzw. weitergebildeten Lehrern die Rede, die insofern nicht immer auf dem aktuellen Stand der Dinge sind und den Lehrstoff womöglich auch noch auf wenig spannende Art und Weise vermitteln. Zudem gelten die Fächer wie Mathematik, Physik, Chemie oder Informatik als anspruchsvoll. Wer will es Jugendlichen im Teenageralter da schon verdenken, wenn sie es sich in ihrer Schullaufbahn nicht unbedingt schwieriger machen wollen als unbedingt notwendig? Das Ganze könnte aber auch völlig andere Ursachen haben.
Möglicherweise ist die junge Generation einfach nur clever, weil sie erkannt hat, dass man heute mit sachlicher Logik nicht mehr allzu weit kommt. Über öffentliche Entrüstung und Geschrei kombiniert mit irrationalen Argumenten lässt sich im Hier und Jetzt zum Teil deutlich mehr bewegen als mit nüchtern vorgetragenen Fakten. Wie sonst wäre erklärbar, dass mittlerweile so getan wird, als ob ganz Deutschland nach Überstehen des Zweitaktgestanks aus dem Trabi-Endrohr aufgrund Dieselemissionen kurz vor dem Exitus steht? Oder dass so getan wird, als seien die bis heute teuren und reichweitenschwachen Elektrofahrzeuge der Weisheit letzter Schluss, nur weil die Kohlendioxidemissionen rund um die Batterieherstellung sowie die Stromerzeugung ideologisch ausgeblendet werden?
Deutschland ist ja aber nicht nur als Land der Denker bekannt, sondern auch als das der Dichter. Derartige Geschichten zu erzählen ist also wohl als Teil unserer DNA anzusehen. Besonders ausgeprägt scheint diese Fähigkeit nicht zuletzt bei Finanzmarktanalysen zu sein, kennt deren Fantasie doch mitunter kaum Grenzen wie beispielsweise rund um eine etwaige Aufspaltung Continentals. Wurden bei den Übernahmen von ITT Automotive sowie der Siemens-Sparte VDO durch den Konzern, mit denen sich das Unternehmen mehr noch als bis dahin schon vom Reifenhersteller zum Automobilzulieferer wandelte, die dadurch entstehenden und zu hebenden Synergien in den Vordergrund gerückt, werden jetzt andersherum Vorteile darin gesehen, es in zwei oder noch mehr Teile aufzusplitten.
Was wird dann aus den Synergien? Ist das nicht mehr so wichtig? Oder hat es die – zumindest in der eigentlich angedachten/erwarteten Ausprägung – gar nicht gegeben? Sicher ist es bei der Entwicklung von Reifen nicht nachteilig, wenn man beispielsweise möglichst viel über deren Wechselwirkung mit Antiblockiersystemen weiß. Aber muss man dafür wirklich selbst Bremskomponenten im Konzernportfolio haben? Wettbewerbsprodukte zeigen, dass das nicht unbedingt vonnöten ist: Andere Hersteller sind in der Disziplin (Nass-)Bremsen jedenfalls nach wie vor nicht generell wesentlich schlechter als die Produkte des deutschen Anbieters, der sich selbst gar nicht mehr als Zulieferer, sondern mittlerweile als Technologieunternehmen bezeichnet.
Letztlich ist Contis sogenanntes 30-Meter-Auto insofern das erste und einzige Projekt, bei dem sich besagte Synergien tatsächlich materialisiert haben. Soll – nachdem eins plus eins nun also doch eher nicht drei, sondern tatsächlich „nur“ zwei ergeben hat – deswegen jetzt die strategische Kehrtwende und eben die Aufspaltung des Unternehmens erfolgen? Das Konzernmanagement führt andere Argumente für die hinter alldem stehenden Gedankenspiele an: vor allem ein Mehr an Flexibilität, um fit(-ter) zu werden für die zukünftigen Herausforderungen in der Automobilindustrie, womit Dinge wie unter anderem Elektromobilität oder autonomes Fahren gemeint sind.
Ist das nur eine weitere nette Geschichte, oder könnte da tatsächlich etwas dran sein? Das wird man abwarten müssen. Noch allerdings ist der Anteil der Elektroautos gemessen an allen Neuzulassungen überschaubar wegen ihrer eher geringen Reichweite, der nur vergleichsweise wenig vorhandenen Ladesäulen und vor allem dem höheren Anschaffungspreis der Fahrzeuge. Dass E-Autos unter Einbeziehung der Batterieproduktion und der Stromerzeugung dabei gar nicht mal so umweltfreundlich sind, wie so manch einer den Verbrauchern weismachen will, spielt in diesem Zusammenhang nur eine untergeordnete Rolle. Derlei nüchterne Fakten werden bei entsprechenden Erzählungen ohnehin gerne ausgeklammert.
„Finanzmarktexperten“ reiben sich ungeachtet dessen schon jetzt die Hände, erwarten sie doch, dass drei separate Conti-Unternehmensteile in Summe mehr sind als sich rein mathematisch ergeben würde. Selbst wenn man dieser Logik folgte, wäre das Ganze letztlich doch ein Nullsummenspiel. Angenommen eins plus eins – entsprechend der Kombination aus Reifenhersteller und Autozulieferer – hätte im Conti-Fall tatsächlich einen Wert drei für den Konzern in seiner derzeitigen Form ergeben, so soll dessen Dreiteilung nun ja eben nicht – wie jeder Taschenrechner korrekt ausgibt – eins sein, sondern vielleicht sogar zwei. Wäre man damit aber nicht wieder am ursprünglichen Ausgangspunkt angekommen? christian.marx@reifenpresse.de
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