Mantraartige BRV-Argumentation gegen „Kompromiss zweier Kompromisse“

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Der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseurhandwerk e.V. (BRV) fordert „mehr Sachlichkeit in puncto Ganzjahresreifen“ im Nachgang zu dem unlängst in einer großen deutschen Sonntagszeitung veröffentlichten Interview mit Michelin-Chef Jean-Dominque Senard. Darin hatte er die Auffassung vertreten, den meisten Autofahrern in Deutschland genügten Allwetterreifen – ein saisonaler Wechsel zwischen Sommer- und Winterreifen sei mithin nicht unbedingt erforderlich. Der BRV vertritt bekanntlich eine andere Meinung und hat aus aktuellem Anlass seinen diesbezüglichen Argumenten noch einmal Nachdruck verhelfen wollen.

„Vorweg sollte festgehalten werden, dass der BRV kein Gegner der Ganzjahresreifen ist. Aber im Gegensatz zur Darstellung von Michelin brauchen wir in Deutschland sehr wohl Winterreifen“, meint Verbandsgeschäftsführer Yorick M. Lowin. Insofern bleibe man bei seiner bisherigen Empfehlung, dass Ganzjahresreifen eher für Klein- und Kompaktwagen mit relativ geringer Motorleistung und niedrigen Kilometerlaufleistungen im Jahr geeignet sind, die vornehmlich in Ballungsgebieten und Großstädten bewegt werden. In diesem Sinne äußern sich auch Reifenhersteller wie Bridgestone oder Conti. Außerhalb dieses Anwendungsspektrums sollte dem BRV zufolge aus Sicherheitsgründen weiterhin die Devise „Sommerreifen im Sommer – Winterreifen im Winter“ gelten. „Als Branchenverband haben wir eine Verpflichtung, auch den Endverbraucher objektiv aufzuklären. Und hier fordern wir eindeutige objektive Untersuchungen über die Sicherheit von Reifen“, so Lowin weiter.

Zudem erläutert er, warum eine Vielzahl von Reifentests zu Ganzjahresreifen nach Meinung des BRV zur objektiven Bewertung und zum objektiven Vergleich nicht geeignet seien: „Sofern die mitgetesteten Referenzreifen aus der Reihe der Sommer-/Winterspezialisten benannt sind, handelt es sich um ein vom getesteten Ganzjahresreifen abweichendes Fabrikat. Teilweise werden sogar Fabrikate von unterschiedlichem Niveau (Premium-, Quality- oder Budgetsegment) herangezogen. Eine Aussage zur Sicherheit lässt sich aus diesen Tests somit nicht ableiten. Damit die objektive Performance des Allrounders im Vergleich zu den spezialisierten Premiumprodukten getestet werden kann, wäre der Test eines Sommer-, Winter- und Ganzjahresreifens eines Fabrikats erstrebenswert“, sagt er. Erneut wird in diesem Zusammenhang insbesondere auf den Laufleistungs- und Kostenaspekt verwiesen.

„Nach unseren Erfahrungen – und bis dato unwidersprochen – haben Ganzjahresreifen im Vergleich zum kombinierten Einsatz von Sommerreifen im Sommer und Winterreifen im Winter eine geringere Laufleistung von bis zu 30 Prozent“, so BRV-Geschäftsführer Hans-Jürgen Drechsler. Ungeachtet einer entsprechenden Auswertung von AutoBild-Tests von Sommer-, Winter- und Ganzjahresreifen identischer Marken in der Größe 205/55 R16 durch die NEUE REIFENZEITUNG meint die Branchenvertretung jedenfalls nach wie vor, kein Sparpotenzial durch den Wegfall von Umrüst- und Einlagerungskosten für den zweiten Reifensatz durch den Einsatz von Allwetterreifen erkennen zu können. Insofern wird hier abermals eine entsprechend fundierte(re) Untersuchung der besten Sommer-, Winter- und Ganzjahresreifen desselben Fabrikats und Segmentes im Vergleich gefordert.

„Dem Endverbraucher sollte klar sein, dass selbst die Saisonspezialisten einen gewissen Kompromiss darstellen, denn im Sommer ist es nicht immer warm und trocken und der Winter bringt nicht nur kalte Temperaturen, feuchtes Wetter und gelegentlich Schnee. Der Ganzjahresreifen ist demnach ein Kompromiss zweier Kompromisse und kann naturgemäß nicht an die Spezialisten heranreichen“, ist Drechsler überzeugt. Ideale Bedingung im Sinne der Sicherheit wäre ein permanenter Wechsel von Reifen je nach Wetterlage, so wie es ansatzweise in der Formel 1 praktiziert wird. Da dies im realen Leben freilich nicht praktikabel ist, lenkt man beim BRV den Blick auf zukünftige Entwicklungen. „Insgesamt lässt sich festhalten, dass der aktuelle Trend zu Ganzjahresreifen nicht zukunftsweisend ist. Weder in Sachen Sicherheit, noch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind sie aktuell den fabrikatsgleichen Spezialisten überlegen. Die Visionen für die Zukunft setzen auf eine möglichst permanente Anpassung des Reifens an die äußeren Einflüsse“, wiederholt Lowin das BRV-Mantra. christian.marx@reifenpresse.de

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