Kommentar: Wer den Schaden hat

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„Mega“, „Protz“ und „Luxus“ trifft auf „Drama“ und „Horror“ – die Boulevardpresse hat sich höchst öffentlichkeitswirksam des Themas Reifen angenommen mit ihrer Berichterstattung zu dem Brand bei dem zum „Reifenkönig“ ausgerufenen Großhändler Göggel (Bilder:privat/Screenshots, Montage: NRZ/Christian Marx)

Freud und Leid liegen mitunter schon sehr dicht beieinander: Das hat eindrücklich das Feuer bei Reifen Göggel gezeigt, das den Hochzeitsfeierlichkeiten von Bruno Göggel, Inhaber des Unternehmens in Gammertingen, und seiner frisch Angetrauten am 23. Juli kurz vor Mitternacht ein jähes Ende bereitete. Wenn man bedenkt, dass aktuell weit über eine Million Reifen am Sitz von Deutschlands größtem Reifengroßhändler lagern, kann der Ausgang des Brandunglückes – nicht zuletzt dank des Einsatzes der Feuerwehr- und Rettungskräfte vor Ort – guten Gewissens wohl als vergleichsweise glimpflich bezeichnet werden, selbst wenn von einer Handvoll leichtverletzter Personen und einem Schaden in Millionenhöhe die Rede ist. Zumal das Unternehmen sagt, es sei „lediglich“ eine von acht seiner Hallen betroffen und der gewohnte Geschäftsbetrieb dadurch nicht in Mitleidenschaft gezogen. Damit könnte es eigentlich ja gut sein mit diesem Thema.

Oder man ergänzte allenfalls noch, wie Bruno Göggel von der Bild-Zeitung in diesem Zusammenhang zitiert wird. „Wir geben nicht auf und bauen alles wieder auf“, soll er gegenüber dem Blatt zu Protokoll gegeben haben. Da hätte zumindest innerhalb der Reifenbranche bestimmt keiner etwas anderes von ihm erwartet. Doch Bild wäre nicht Bild, wenn die Zeitung es bei solch nüchternen Fakten beließe. „Deutschlands Reifenkönig bei Protzhochzeit abgefackelt“ wurde schon am Montag direkt nach dem Brand getitelt und damit die Tonlage für die weitere Berichterstattung mehr oder weniger eigentlich schon vorgegeben. Angesichts allein dieser Schlagzeile wundert nicht, dass sogar Studienergebnisse den Deutschen mehr als Menschen in Ländern wie Frankreich, Großbritannien oder den USA eine gewisse Neidkultur bescheinigt bzw. ein sehr viel negativeres Bild von „Reichen“.

Dass DJ Ötzi bei den Hochzeitsfeierlichkeiten für einen Auftritt in Gammertingen vor Ort war, eine Red-Bull-Team mit vier Jets ein Herzchen in den Himmel gezeichnet haben soll oder Gäste mit „Millionärslimousinen“ vorgefahren seien, dürfte Vorurteile und Neid gegenüber vermögende(re)n Mitbürgern nur noch weiter befeuern, wobei im aktuellen Kontext zementieren wohl die bessere Wortwahl wäre. Kein Wunder, dass im Nachgang nun noch weitere Details „ausgegraben“ werden. Da wird beispielsweise mit dem Zusatzhinweis „ein Millionenluxus“ in gewohnt großen Lettern über Göggels Wohnmobil berichtet, in das „sogar der Bugatti Chiron des Unternehmers“ passe. Zudem wird ein Blick in „die Luxusgarage des Reifenkönigs“ gewährt mit seinen Autos, die den Brand – zum Glück, sagt da sicher jeder Fahrzeugliebhaber – unbeschadet überstanden haben.

Dabei wird seitens Bild nicht zuletzt der Jahresumsatz 2021 von Reifen Göggel mit 256 Millionen Euro beziffert, was einem kräftigen Minus gegenüber den nach Informationen der NEUE REIFENZEITUNG 410 bzw. 360 Millionen Euro der Jahre 2020 und 2019 entspräche. Wie dem auch sei: Derartige Summen hören sich für Otto Normalverbraucher so oder so gewaltig an und sind/bleiben für die allermeisten unerreichbar. Dabei gerät in Vergessenheit, dass Unternehmensumsatz nicht mit Gewinn oder direktem persönlichen Vermögenszuwachs eines Firmeneigners gleichzusetzen ist. Bei einem guten Geschäftsmann sollte letztlich zwar schon etwas „hängenbleiben“, aber üblicherweise profitieren von einem Erfolg auch andere und geht jedem vermeintlich noch so großen Luxus außerdem meist einiges an Aufbauleistung voraus. Zumal hierzulande die Monarchie abgeschafft ist und ein Königstitel – sofern man einen solchen in der Reifenbranche überhaupt vergeben will – keine Frage blauen Blutes ist bzw. niemandem einem einfach so in den Schoß fällt.

Das gerät bei einer Berichterstattung der vorgenannten Art, die selbstredend nicht allein Bild beherrscht, schnell in den Hintergrund. Daher verwundert nicht, dass selbst in Postings auf den Facebook-Seiten der Feuerwerk Gammertingen abgesehen von vielen Dankesworten für die Einsatzkräfte dann auch über den „Möchtegernbonzen“ mit „Größenwahn“ geschimpft wird, der mit einem Feuerwerk anlässlich seiner Hochzeitsfeier Menschen in Gefahr gebracht habe. An anderer Stelle heißt es, die Formationsflieger hätten mit ihrem „enormen Kraftstoffverbrauch“ gezeigt, „wie sehr der Typ auf die Gesellschaft sch …“. Im Vergleich zu Social-Media-„Diskussionen“ zu manch anderen Themen mag das zwar noch vergleichsweise moderat klingen, und wer den Schaden hat, muss redensartlich für den Spott ja nicht sorgen. Doch müssen es in Situationen wie im Fall Göggel gleich zu einem gewissen Grad wohl nicht zuletzt durch eine stark polarisierende Berichterstattung beförderte Anfeindungen sein statt einer ausgewogene Auseinandersetzung mit Fakten? christian.marx@reifenpresse.de

8 Kommentare
  1. Manne says:

    Üblicherweise wird Ihr Lobbyisten- und CDU Parteiorgan BILD von Ihrem Klientel sehr geschätzt. Nun trifft es mal einen von euch. Das erträgt man schwer. Neid kommt nur bei Kleingeistern auf. Die berechtigte Kritik an hemmungslosen Auswüchsen bei Superreichen, im Hinblick auf den Hunger in der Welt und auch der sozialen Ungerechtigkeit, bleibt. Krebsartiges Wachstum des globalisierten Totalkapitalismus, ohne Umwelt- und gesellschaftlicher Verantwortung, spiegelt sich bei solchen egomanischen Events.

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    • Frederic Durner says:

      Ihr Kommentar trifft es auf den Kopf. Fast schon peinlich, wie Marx hier krampfhaft Unterstellungen und Rechtfertigungen bemüht und die Moralkeule schwingt. Man kann so lange nach Schuld und Vermeidbarkeit fragen wie man will, letzten Endes ist diese Schweinerei ein Auswuchs unserer Zeit

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  2. Michi says:

    Mahlzeit,
    ich könne als “Otto-Normalo” dem Herrn sein Fest!
    Wobei ein Feuerwerk (was natürlich immer dabei sein musste)
    bei der Ausgangslage mit angrenzendem Wald, Meter hohen Reifenstapel
    schon sehr fraglich war.
    Leider gab das Geschehen den “normal denkenden” vor Ort leider recht.
    Der “Dreck-Staub-Gift” von einigen Tausend, verbrannten Reifen ist bedauerlicherweise kein Parfum.
    Gruß von dem Anwohner

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  3. Gindi says:

    Welche Unverschämtheit jeden der Kritik äußert als Neider ab zu tun.Ich wohne schon 14 Jahre in Gammertingen und kannte Herrn Göggel nicht einmal.Weil er einfach nicht wichtig ist.
    Wurde er dazu gezwungen Bild solche Einblicke zu geben oder warum macht man so etwas?
    Wenn er durch das grob fahrlässige Feuerwerk nicht unser ganzes Wohnviertel in Gefahr gebracht hätte würde von der Hochzeit heute niemand mehr reden.
    Im Grunde genommen muss einem der Mensch leid tun,wenn man sich jeden Tag überlegen muss wie man das Geld unter die Leute bringt um sich daraus Vorteile zu verschaffen und sich mit Leuten umgeben muss die einem nur des Geldes wegen schmeicheln das muss doch sehr anstrengend sein.Also auf was sollte man da neidisch sein.
    Geld ist kein Garant für normales Denken und Tun wie heißt es so schön Geld verdirbt den Charakter.

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    • Beate Gube-Kille says:

      Tatsache ist das viele Menschen, egal ob Geld oder nicht, den Bezug zur Realität verloren haben! Ein Feuerwerk ist Umweltschädlich genug egal wann und wo!! Im Hochsommer
      mit Hitzewelle tödlicher Leicht- bzw Schwachsinn!
      Die Versicherungen sollten den Betroffenen (Göggel) mit haften lassen..und seih es nur als abschreckendes Beispiel!
      Leider denken viele Menschen nur noch an sich…
      Grüße B.GubeKille

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  4. Mela says:

    Bild ist keine ernstzunehmende Zeitung. Also lassen wir die mal außer Acht. Und ja, Herr Göggel hat aus einer kleinen Klitsche ein riesen Unternehmen geschaffen. Respekt hierfür. Und ja, Brutto ist nicht gleich Netto. Trotz allem zeigt, dass was passiert ist, bzw. Warum es passiert ist, das ohne Verstand und Verantwortungsbewusstsein gehandelt wurde. Da sehen einige Personen nur sich und gehen davon aus, dass getan und erlaubt werden muss was sie wollen. Und das nur weil sie ein Millionengeschäft haben. Wer den Schaden hat braucht für den Spot nicht zu sorgen. Aber sehen Sie auch wer hier noch alles enormen Schaden genommen hat? Die verruste Natur, tote Insekten, vermutlich tote Tiere und folgend auch kranke Tiere im angrenzenden Wald, vermutlich werden in dessen Folge einige Bäume sterben. Vielleicht werden die Schäden in den Nachbarsgärten und an den Häusern gezahlt, aber die Arbeit und Mühe, den Verlust von Lebensqualität seinen mühsam gestalteten Garten zu genießen, dass kann keiner ersetzen.
    Fazit: selbst Schuld!
    Auch mir erscheint dieser Artikel etwas lobbyistisch

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  5. Chris Seegmüller says:

    Soweit ich informiert bin, hat der Unrernehmer sein Imperium, mit viel Einsatz, wenig Freizeit, vielen Entbehrungen und enormen finanziellen Risiken aufgebaut.

    Es bleibt jedem unbenommen, diese Aufgabe anzugehen, für Neid sehe ich keinen Raum.

    Die Umstände des Unglücks sehe ich allerdings auch kritisch, obgleich ich sicher bin, dass bei einer Feierlichkeit dieser
    Größenordnung, Profis wie auch Veranstaltungsdienstleistet und Feuerwerker engagiert waren.

    Ich bin mir sicher, hier ist die faktische Verantwortung nicht nur an einer Person fest zu machen.

    Den Wahnsinnsschaden hat der Eigentümer, der ehrenwert auch persönlich für sein Unternehmen haftet.

    Ja, es werden regulierende Versicherungsgesellschaften den Schaden ersetzen, nur fraglich in welcher, Höhe, jeder wird aus eigener Erfahrung erkennen, keine Versicherung tut sich in
    der Schadenreulierung leicht.

    Der Schaden liegt schliesslich beim Geschädigten, der sicherlich eine Horrornacht erlebt hat, die niemand hoffentlich erleben wird.

    Also bitte, auch ein erfolgreicher Mensch bleibt ein Mensch, ein wenig Mitgefühl und keine Schadenfreude wäre angezeigt.

    VG
    CS

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