Kommentar: Fintyre – Der Höhenflug ist gestoppt
Vor fast genau einem Jahr beschrieb ich die Aktivitäten der Fintyre Group – früher firmierend als European Fintyre Distribution (EFTD) – mit deutlich sarkastischem Unterton auch unter Bezugnahme auf einen da schon ein Jahr alten Beitrag in der NEUE REIFENZEITUNG . Eine Flut von Phrasen wehte vom Hauptquartier des emsig akquirierenden Handelshauses von London herüber, wo allein die Fintyre-Geschäftsleitung residiert und ansonsten keine Aktivitäten dort zu managen hat. Die Stadt habe eine große Anziehungskraft und biete so effizient-positive Rahmenbedingungen, dass auch die europäische Managementspitze der Muttergesellschaft Bain-Capital von London aus die europäischen Interessen verfolge. Ein Problem wurde darin beschrieben, dass Due-Diligence-Prüfungen teilweise als Kunst statt Wissenschaft zu verstehen seien, weil immer mal wieder unbekannte oder falsch eingeschätzte Variablen auftreten und somit den Zeitplan etwas abbremsen könnten. Ansonsten aber immer klare Kante und Durchgriff. So habe man bei Reiff in Reutlingen das gesamte Führungsteam sowie Mitarbeiter im mittleren Management ausgetauscht und mit dieser „Führungstransfusion einen enormen Kulturwechsel“ bewirkt. Wo aber sind die Früchte dieses Kulturwechsels nur hin?
Es besteht kein Grund, sich über Schwierigkeiten eines Unternehmens zu freuen, schon weil es meist die mit dem geringsten Anteil am Misserfolg und mit den geringsten Einkommen am stärksten trifft. Für diese Menschen ist es eher ein Drama als nur eine „Unannehmlichkeit“, und um deren Verständnis und Unterstützung bittet die Geschäftsleitung nun auch noch.
Der Informationsbrief an die Belegschaft pünktlich am Freitag, den 31. Januar ist einfach nur hohntriefend. Eine Restrukturierung sei kurzfristig notwendig geworden? Wer rechnen, addieren und subtrahieren kann, muss seit Monaten und Wochen gewusst haben, dass die Gläubiger die Hand längst am Stecker hatten, sofern es keine „Lösung“ geben sollte. Auch in unserer Redaktion häuften sich seit einigen Wochen massive Hinweise auf enorme Probleme bei der Fintyre Group.
Das Management, so heißt es im Informationsbrief, arbeite zusammen mit dem Eigentümer mit Hochdruck an einer kurzfristigen Lösung um „nachhaltige Fortführung“. Es fällt schon mal ins Auge, dass es auch in Fällen wie diesem um Nachhaltigkeit gehen soll. Was soll so schwer daran sein? Es muss Geld ins Haus, viel Geld. Und zwar vom Eigentümer, von wem sonst? Geld hat der Eigentümer genug, vermutlich auch genug Gründe, nichts oder noch nicht, etwas herauszurücken. Was steht einer „nachhaltigen Fortführung“ nun im Wege? Müssen andere Gläubiger sich eher bewegen, um die Schmerzen beim Eigentümer erträglicher zu machen?
Für den unabhängigen Reifenfachhandel allerdings ist das alles andere als ein Drama. Größe allein bringt im Reifenfachhandel wenig. Im Einkauf liegt der Segen? Das bleibt eine Mär. Es geht darum, eine Leistung zu erbringen und eine solche zu verkaufen. Das ist in den meisten Fällen mit harter Arbeit verbunden. Eine große Klappe, Schlaumeierei und Phrasendrescherei helfen nicht weiter.
Welchen Wert oder Mehrwert bringen Gebilde wie Fintyre? Ist der Handel darauf angewiesen? Welchen Mehrwert erbringen solche Gebilde den führenden Reifenherstellern? Warum sollen diese sich auf etwas einlassen, das zulasten ihrer Margen geht? Eigene Handelsketten mögen einen strategischen Wert haben, weil sie der Absatzsicherung dienen. Für Firmen wie die Fintyre Group gilt das nicht.
Nach meiner Einschätzung ist klar, dass die Fintyre-Manager diesen Markt nicht richtig eingeschätzt haben und, um es in ihren eigenen hochtrabenden Worten zu sagen, mit der so bezeichneten Führungstransfusion zum angeblich enormen Kulturwechsel die einzelnen Firmen sehr wohl auf den Kopf gestellt haben. Das aber reicht nicht. Es wäre so unendlich günstig gewesen, wenn sie diese auch wieder vom Kopf auf die Füße gestellt hätten. Zu solchem Zweck braucht man aber Leute, die zupacken können und auch wissen, wie ein Kunde aussieht und tickt – so „effizient-positiv“ die Rahmenbedingungen in London auch sein mögen. klaus.haddenbrock@reifenpresse.de
Guter Kommentar.
Seit 2 Jahren Thema bei den Jahresgesprächen mit den Herstellern…
Ich hoffe, daß alle Hersteller richtig Geld verlieren.
Aber es wird auch in Zukunft so weitergehen, es zählen für diese “Vertriebsgenies” der Hersteller nur Marktanteile.
Der Profit den die regionalen Händler erzielen können ist und bleibt uninteressant…regionaler Handel..Großhandel…egal zählt nicht mehr…wir brauchen Logistiker die auch noch den letzen Cent verbrennen und den Marktanteil der Industrie zu sichern.
Sorry wer Fintyre nachheult….wer fragt denn nach den Rohertägen den Krieg und Fintyre die letzten Jahre im BtoB und BtoC für den Handel vernichtet haben???
Wer fragt nach den Erträgern der Klein- und Mittelständler..
Keine Sorge.. die arbeitende Mannschaft von FT kommt unter, unsere Branche braucht gute Mitarbeitter…und die “Top-Manager” sofern nicht zukünftig wegen Insolvenzverschleppung vor dem Kadi, werden wieder auf die Füsse fallen
….ja, man muss sich schon einige Gedanken machen um die Gesamtsituation richtig
einschätzen zu können.
Im Artikel richtig dargestellt ist mit Sicherheit, dass kein Hersteller Interesse an einem
“größten europäischen Reifenhändler” haben kann – warum auch ?
Die großen Hersteller sind zu jeder Zeit selbst in der Lage, eigene Vertriebswege auf allen
Ebenen zu aktivieren.
Es ist vielmehr die große Arroganz welche die Initiatoren und deren untergeordneten Helfer
(auch Top Manager ;-) ) genannt seit 2017 an den Tag gelegt haben.
Und wenn zu dieser unglaublichen Arroganz auch noch der fachliche Dilettantismus hinzukommt
wird eine Geschäftsidee schnell zum Höllentrip.
Da rotten sich einige Ex-Pirelli Mitarbeiter mit der Idee zusammen, der größte europäische
Reifenhändler werden zu wollen. Die Idee an und für sich gar nicht so schlecht vielleicht, aber wenn
man so ein Projekt startet und sogar noch einen “blauäugigen” Investor an Land zieht, sollten die
Akteure wenigstens Ahnung vom Reifengeschäft haben. Nur weil man mal bei Pirelli angestellt
war und mäßige Leistungen erbracht hat, befähigt das wohl nicht zu Höherem.
Als dann schon ziemlich schnell klar wurde dass das mit dem Erfolg nichts wird, haben die
Super Profis die “Kostenbrechstange” ins Spiel gebracht. Die Gefahr allerdings, wenn man Strategen
aus dem Tierfutterbereich ( Fressnapf / MaxiZoo ) als Kostensanierer einsetzt ist sehr hoch,
dass es einfach nix mehr wird. Tierfutter = Flat Business Reifenhandel = Complex Business !
Auch die anderen Verantwortlichen ( die meisten sind schon nach kurzer Zeit wieder abgehauen )
aus den Bereichen Lebensmittel, Spedition und anderen fremden Branchen, trugen zum schnellen
Misslingen bei! Aber auch als IT Verantwortlicher wurde kein wirklicher Experte eingesetzt, sondern lediglich der Bruder des Ideengebers Pessi. Auch hier kann das Ergebnis vieler gescheiterter Projekte
und hohe Summen an verbranntem Kapital vermeldet werden.
Der Super Gau wurde aber durch die Verlagerung der Buchhaltung von REIFF Management GmbH zu einem rumänischem Unternehmen ( Genpact ) erzielt.
Innerhalb kürzester Zeit haben die Rumänen es geschafft den Namen “Kreditoren” und “Debitoren”
völlig neue Bedeutungen zu geben. Der Verantwortliche für dieses Projekt ( Nils Hilgner ) hat zwischenzeitlich die “Titanic” verlassen – ein Schelm der Böses denkt ! Aber die Staatsanwaltschaft wird ihn bestimmt zurück ins Anklageboot holen, sollte sich eine Insolvenzverschleppung bewahrheiten.
In London wird seit Tagen an der Problemlösung gearbeitet – zwangsbedingt.
Noch in den nächsten Tagen soll es zu finalen Entscheidungen kommen.
Zu hoffen für die Retail Mitarbeiter ist, dass es einen Käufer aus dem Bereich Reifenhersteller sein wird, denn nocheinmal mit unwissenden und beratungsresisenten Investorvertretern arbeiten zu müssen garantiert das endgültige AUS des Retail Geschäftes.
Ebenfalls zu hoffen ist auch, dass alle Mitarbeiter ihre Löhne und Gehälter zeitnah erhalten.
Die meisten Mitarbeiter haben bereits angekündigt die Arbeit einzustellen, sollte nicht spätestens am 28.02.2020 aktuelle und ausstehende Januar Gehälter/ Löhne auf den Bankkonten eingetroffen sein.
Da freuen sich dann alle Kunden im anstehenden Frühjahrsgechäft !
Zu letzt bleibt der fromme Wunsch das alle “Top Manager”, Initiatoren etc. wenigstens ihre investierten privaten Gelder nicht mehr wiedersehen – aber die fetten Bonizahlungen haben dies bestimmt schon längst aufgewogen.
Auch ich bin einer der Mitarbeiter die diesen Monat ohne Lohn da stehen und ehrlich gesagt interessiert es doch eh niemanden wie es dem “kleinen Mann “geht der die Kohle für die so tolle Geschäftsführung erwirtschaftet. Ausstehende Sozialversicherungsbeiträge, offene Mieten, offene Zahlungen bei Lieferanten. Ist es da ein Wunder das Mitarbeiter krank werden oder sich anderweitig bewerben. Wie sagt man so schön wir sind übern Berg “es geht bergab”
Wir kleinen Mitarbeiter werden komplett im Dunkeln lassen. Von den Geschäftsführern ist keiner erreichbar, die ganze Zeit gibt’s es undeutlich Nachrichten die jur der Hinhaltung dienen. Und dann wird sich noch gewundert, weshalb immer mehr Mitarbeiter krank werden, nach der bitte wie gewohnt weiter zu arbeiten.
Ein reines Trauerspiel, dabei lief alles positiv bevor FinTyre kam
Applaus für diese Glanzleistung. Ich bin die Lebensgefährtin einer der betroffenen Mitarbeiter und seit Jahren Stammkundin in einer der TX Filialen. Bevor die Führung Chaos angerichtet hat, war alles gut. Wie dumm muss man sein, das Ding so gegen die Wand zu fahren. Wenn ich diesen einen Milchbubi schon sehe. Wäre er mal in seiner Sandkiste geblieben. Man lebt jetzt in Angst und überlegt wie und wo man das nächste Essen aufn Tisch bekommt, weil 1 Gehalt komplett fehlt. Danke für nichts. Ver….t euch und geht dahin wo der Pfeffer wächst.
Ich bin sehr froh darüber, das ich schon früh bei den ersten Entlassungswellen mit dabei war. Schon 6,7/2019 haben wir schon darüber thematisiert, wie es wohl wieter geht und waren uns einig, ” den letzten beißen die Hunde ” Wir, sprich die erste Welle hat ihr Geld bekommen.
Man hört ja immer nur aus den Nachrichten, von Superpleiten und deren allzuschlauen vermeintlichen Top Managern, aber selbst mal solchen Menschen gegenüber gestanden, Hände zu schütteln und mit ihnen zu sprechen, war auch für mich eine neue Erfahrung. Natürlich kann man hinterher gut Reden, aber wer mich kennt und meine Worte noch im Ohr hat, Ich habe das so voraus gesehen.
Liebe Grüße an alle ehemaligen Kollegen