Komplexität der Sache oder reine Zufälle – Gewinner und Verlierer der aktuellen Testsaison stehen fest
Aus den Ergebnissen der aktuellen Winterreifentestsaison mit ihren 134 Reifen lassen sich einige spannende Erkenntnisse gewinnen. Die eine ist die, dass es Hersteller gibt, die – egal welches Jahr wir schreiben und wer die Reifen testet – immer vorne mit dabei sind. Das sind zuallererst Continental und Goodyear, deren Produkte üblicherweise als Benchmark in vielen Tests der großen Zeitschriften und Automobilklubs gelten und im Markt Maßstäbe setzen. Dies trifft dabei auf neue genauso wie auf ältere Produkte zu, die bereits einige Jahre – erfolgreich – im Markt bestehen.
Die zweite Erkenntnis: Es gibt darüber hinaus immer wieder Hersteller, deren Produkte – trotz grundsolider und guter Entwicklungsarbeit – nicht unbedingt auf Sieg abonniert sind, deren sehr gutes Abschneiden aber gerade deswegen besonders ins Auge fällt. Das ist in der aktuellen Winterreifentestsaison vor allen anderen der indisch-niederländische Hersteller Apollo Vredestein mit seinen beiden gleichnamigen Reifenmarken und den aktuellen Produkten Aspire XP Winter respektive Quatrac Pro (Ganzjahresreifen) und Wintrac Pro. Aber auch Bridgestone zählt mit mehreren sehr guten Tests in diesem Jahr dazu, und zwar mit dem nagelneuen Winterreifen Blizzak LM005 sowie dem 2018 eingeführten Ganzjahresreifen Weather Control A005.
Hier finden Sie unserer Berichterstattung zu allen Winterreifentests der aktuellen Testsaison:
AutoBild Allrad SUV-Ganzjahresreifen
AutoBild Sportscars Winterreifen
Und eine dritte Erkenntnis ist die: Würden die Tester ausschließlich Produkte der vermeintlich großen und in Deutschland fest etablierten Marken auswählen und darüber hinaus Fabrikate mit geringerer Marktbedeutung links liegen lassen, dann gäbe es nahezu kein wirkliches Leistungsspektrum; dann wären fast alle gestesteten Reifen gut oder sehr gut oder zumindest befriedigend, was am Ende ja auch kein wirklicher Ausrutscher ist. Dies zeigt sich in der aktuellen Winterreifentestsaison noch mehr als in anderen Jahren.
Natürlich darf man an dieser Stelle nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, darf die Ergebnisse eines Ganzjahresreifentests nicht gleichsetzen mit denen eines Winterreifentests. Auch muss man freilich bei den Größen und den Anforderungen der jeweiligen Tester genau hinschauen, will man die Ergebnisse der aktuellen Testsaison miteinander vergleichen. Es ist aber offensichtlich, blickt man in Gänze auf die Ergebnisse der aktuellen Testsaison, wie dies auch Endverbraucher tun: Hätte der ADAC nicht auch einen Test mit 15 Transporterwinterreifen gefahren, in dem die Ergebnisse insgesamt alles andere als gut ausfielen, wären von den verbliebenen 119 Winter- und Ganzjahresreifen im Test 102 mit befriedigenden oder besseren Urteilen bewertet worden.
Diese Zahlen sind Ausweis der besonderen Qualität der Reifen im Markt (und der Bewertungsmaßstäbe): Lediglich 17 Reifen hätten in dieser Betrachtung mit ausreichend oder schlechter abgeschnitten. Wenn man dann noch sieht, dass in fast jedem Test immer auch Produkte aus Fernost mitlaufen, um einen breiten Maßstab in der Darstellung der Ergebnisse zu erhalten, bleiben unter den 17 besagten Reifen nur noch ganz wenige übrig, deren hierzulande durchaus etablierte Hersteller aktuell wohl lieber auf die kommende Winterreifentestsaison blicken als auf die aktuelle.
Interessant ist übrigens auch eine weitere Erkenntnis: Zur aktuellen Saison haben die Tester immerhin 24 Ganzjahresreifen in ihren Tests auf ihre Leistungsfähigkeit hin geprüft. Dass 20 dieser Reifen dabei eine gute bzw. sehr gute Benotung erhalten haben, zeigt, wo das Produktsegment qualitativ mittlerweile angekommen ist. Man muss allerdings auch sehen, dass die klassischen Importmarken aus Fernost in dem Markt der vermeintlichen Alleskönner deutlich unterrepräsentiert sind, zumindest was ihre Teilnahme an entsprechenden Tests betrifft.
Aber auch hier reichen die Tester der großen Zeitschriften und Automobilklubs einen „rettenden Strohhalm“. Hersteller wie Nexen und Nokian etwa, die sich nicht empfehlenswerte Bewertungen für einige ihrer Reifen einfingen, konnten sich mit denselben Reifen – in einer anderen Größe natürlich – in anderen Tests durchaus auch gute Bewertungen abholen. Solche vermeintlichen Diskrepanzen in den Urteilen der Tester lassen sich Endverbrauchern bekanntlich nur schwer erklären, liegen aber in der Komplexität der Sache oder aber in reinen Zufällen begründet. arno.borchers@reifenpresse.de
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