Brasilianischer Markt zunehmend herausfordernd für Zulieferer
Wenn in der Automotive-Branche das Gespräch auf die sogenannten Wachstumsmärkte kommt, dann ist außer China, Indien und Russland meist auch Brasilien damit gemeint. Doch gemäß einer aktuellen Analyse der Strategieberatung Roland Berger Strategy Consultants zeichnet sich in dem südamerikanischen Land trotz eines erfolgreichen ersten Halbjahres 2013 angesichts der wirtschaftlichen Lage für das kommende Jahr ein eher verhaltener Ausblick für die Automobilbranche ab.
So soll die Pkw-Produktion in Brasilien im noch laufenden Jahr zwar die Marke von rund 3,7 Millionen Fahrzeugen erreichen, dann aber in den beiden kommenden Jahren nicht wesentlich zunehmen. Attraktiveres Wachstum von jährlich zehn Prozent verspreche demgegenüber der Nutzfahrzeugsektor, der sich nach der Krise langsam erhole, heißt es in dem jüngsten Roland-Berger-Branchenbarometer. Dessen Titel „The Brazilian profitability challenge – Ensuring sustainable margins for automotive suppliers“ lässt zudem erahnen, dass das in diesem Zusammenhang sogar als schwach bezeichnete Branchenwachstum auch die Automobilzulieferer bzw. deren Profitabilität treffen wird, sofern sie auf dem brasilianischen Markt aktiv sind. Zumal trotz insgesamt positiver Absatzzahlen von einem „historischen Tiefstand“ in Bezug auf die EBIT-Margen gesprochen wird.
„Brasilien ist für sein profitables Geschäft im Automobilsektor bekannt. Doch die jüngsten Zahlen lassen keinen Zweifel daran, dass sich die in Brasilien tätigen Zulieferer auf harte Zeiten einstellen müssen“, glaubt Stephan Keese, Partner von Roland Berger Strategy Consultants und Leiter der Automotive & Industrial Goods Practice in Südamerika. Im vergangenen Jahr soll die Branche mit einer EBIT-Marge von 2,5 Prozent einen starken Einbruch gegenüber den 8,7 Prozent von 2008 erlebt haben. „Das war der erste dramatische Einschnitt seit Jahrzehnten“, so Keese weiter. Dieser Negativtrend soll sich noch weiter fortsetzen. Für das laufende Jahr wird der Branche eine „sehr dünne Gewinnmarge von maximal zwei Prozent im Durchschnitt“ prophezeit, während die durchschnittliche EBIT-Marge der globalen Automobilzulieferindustrie stabil bei 6,5 Prozent liege.
„Während die reifen Märkte sich erholen, werden Zulieferunternehmen in naher Zukunft ihre Aktivitäten in Brasilien genauer unter die Lupe nehmen“, ist Martin Bodewig von Roland Berger in Südamerika angesichts dessen überzeugt. Für diese Branchenentwicklung in Brasilien werden dabei im Wesentlichen fünf (Kosten-)Treiber verantwortlich gemacht: stark steigende Arbeitskosten in dem Land um voraussichtlich weitere sieben bis acht Prozent jährlich in den kommenden Jahren, eine im Vergleich zu Europa um 15 bis 20 Prozent höhere Sachkostenbasis (Rohstoffe, lokal bezogene Komponenten etc.), die Preise für importierte belastende Wechselkurseffekte, sehr hohe Logistikkosten für den beinahe komplett über die Straße abgewickelten Güterverkehr sowie ein zunehmender Preisdruck.
Als Folge einer geringen Wettbewerbsfähigkeit und jährlich steigender Kosten werden die Zulieferer laut Roland Berger Strategy Consultants bis Ende 2014 Profitabilitätseinschnitte von bis zu sechs Prozent gegenüber 2012 hinnehmen müssen, sodass vor allem ein Mehr an Kosteneffizienz in den Bereichen Einkauf, Produktion und Logistik das Ziel der Unternehmen sein müsse. Die Strategieberatung empfiehlt darüber hinaus, Standortanpassungen vorzunehmen, Overhead-Kosten zu optimieren und die Produktpalette zu überprüfen. „Die Praxis zeigt, dass sich die Kosten in Brasilien auch kurzfristig mit einer Kombination dieser Hebel um bis zu zehn Prozent senken lassen“, sagt Keese. „Das ist sicher eine Herausforderung, aber angesichts schwindender Margen müssen Zulieferer so schnell wie möglich handeln“, fügt er hinzu. cm
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