Schaeffler drängt Continental zum Verkauf von Konzernteilen
Der Streit zwischen der Continental AG und dem Großaktionär Schaeffler um den Finanzbedarf des hochverschuldeten Hannoveraner Automobilzulieferers spitzt sich offenbar zu. Der Continental-Vorstandsvorsitzende fühle sich zum Verkauf von Konzernteilen durch Schaeffler gedrängt, schreibt das Handelsblatt unter Berufung auf Unternehmenskreise. Dr. Karl-Thomas Neumann kämpfe um seinen Job, heißt es dort weiter. Falls der Conti-Chef am Donnerstag keine Mehrheit für eines seiner Zukunftskonzepte findet, rechnen Teile des Aufsichtsrats mit Neumanns Rücktritt, so die Zeitung weiter. Konkret gehe es bei dem Konzernteil, zu dessen Verkauf Schaeffler nun drängt, offenbar um die Sparte „Interior“, die etwa Displays, Tachos, Steuerungen für Klimaanlagen und Radios, Reifendruckkontrollsysteme und Navigationssysteme herstellt. Im Jahr 2008 steuerten die 31.000 Mitarbeiter des Bereichs gut sechs Milliarden Euro zum Konzernumsatz (24 Milliarden Euro) bei.
Wälzlagerspezialist Schaeffler interessiert sich vor allem für Continentals Motoren- und Getriebesparte Powertrain, deren Elektronikkompetenz das auf Mechanik spezialisierte Familienunternehmen zukunftsfähig machen soll. Schaeffler traut sich zu, den verlustbringenden Bereich schnell profitabel zu machen. „Vieles andere kann aus Schaeffler-Sicht verkauft werden“, fürchten Continental-Kreise. Derzeit sei das nicht aktuell, hieß es dagegen in bayerischen Industriekreisen.
Neumann beharre auf einer langfristigen strategischen Ausrichtung von Continental inklusive der Sparte Interior; das Unternehmen decke dann alle Megatrends der Autoindustrie ab und habe damit die Voraussetzung für die erhoffte Werterholung des Aktienkurses. Die auch für die Division „Powertrain“ relevante Elektronikkompetenz sei nicht teilbar, hieß es. Der Conti-Chef hatte Schaeffler vergangene Woche eine entsprechende Grundlagenvereinbarung zukommen lassen, um vor der wichtigen Sitzung des Aufsichtsrats morgen eine gemeinsame Basis zu definieren. Unterschrieben ist sie bislang nicht, schreibt das Handelsblatt weiter.
Da eine Fusion der Unternehmen auf absehbare Zeit auf Eis liegt, fordere Neumann eine Kapitalerhöhung für die Continental. Wie ernst ihm dies sei, zeige ein Brief, den er Aufsichtsratskreisen zufolge am Dienstag an die 20 Mitglieder des Aufsichtsrates verschickt habe. Seine Mahnung: Jeder Einzelne sei bei der Abstimmung über eine Kapitalerhöhung allein dem Wohl des Unternehmens verpflichtet.
Auf der mit Spannung erwarteten Sitzung des Aufsichtsrats von Conti am Donnerstag in Hannover könnte sich Neumanns Zukunft entscheiden. Sollte der Vorstandsvorsitzende den erbitterten Machtkampf mit Großaktionär Schaeffler verlieren und keine Mehrheit für eines seiner beiden Zukunftskonzepte finden, rechnen Teile des Aufsichtsrats mit seinem Rücktritt. „Der Vorstand könnte bei einem Misserfolg Konsequenzen ziehen, weil er nicht mehr in der Lage wäre, das Geschäft zu führen“, hieß es bei den Arbeitnehmervertretern im Rat. In Branchenkreisen wird diese Einschätzung geteilt.
Der hochverschuldete Conti-Konzern braucht dringend eine Lösung für seine Finanzierungsprobleme. Nach Informationen des Handelsblatts blockiere Schaeffler aber sowohl eine zügige Fusion der beiden Unternehmen als auch eine größere Kapitalerhöhung für Continental. In Finanzkreisen gilt ein Kompromiss indes als möglich: Neumann könnte beauftragt werden, eine Kapitalerhöhung vorzubereiten, ohne dass diese gleich beschlossen wird. Über den Markt ließe sich ohnehin in der Sommerpause kein größeres Paket platzieren. Zuvor müsste der Continental-Vorstand in jedem Fall einen Prospekt für die Anleger erstellen. Contis Hauptversammlung hat die Ausgabe neuer Aktien in Höhe von 58,6 Millionen Stück bereits auf Vorrat genehmigt. Gegen eine weitere Tranche in Höhe von 25,8 Millionen Stück laufen derzeit Anfechtungsklagen, so die Zeitung. Dazu komme die Möglichkeit weiterer Kapitalmaßnahmen wie etwa Wandelanleihen. Experten sehen eine Kapitalerhöhung in Höhe von 1,5 bis zwei Milliarden Euro als ideal an.
Sollte Schaeffler Neumann komplett auflaufen lassen, müsste der Großaktionär wohl einen neuen Vorstandschef suchen. „Neumann würde sonst sein Gesicht verlieren“, hieß es in Branchenkreisen. Dabei wurde darauf verwiesen, dass Conti ohnehin schon wichtige Spitzenkräfte verloren habe – und Neumann der Wunschkandidat von Schaeffler für den Spitzenjob gewesen sei.
Der Conti-Chef hatte sich auf der Hauptversammlung im April selbst unter Druck gesetzt, als er versprach, innerhalb von 100 Tagen einen Plan für die Integration von Conti und Schaeffler vorzulegen. Der Manager sieht erhebliche Liquiditätsengpässe auf den Konzern zukommen. Unklar ist etwa, wie ein im Sommer 2010 fälliger Kredit in Höhe von 3,5 Milliarden Euro getilgt werden soll. Conti drücken fast zwölf Milliarden Euro Schulden.
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