Viel Krise, doch dann kommt doch der Aufschwung
Auch wenn die Zeiten derzeit nicht die besten sind, die die internationale Reifenbranche je erlebt hat, so wissen Branchenexperten doch, dass auch dieser Markt – genau wie die Weltwirtschaft insgesamt – in Zyklen lebt. Bisher kam nach jeder Krise wieder ein Aufschwung. Nachdem die Unternehmen der Reifenbranche seit Anfang der 1980er Jahre ohne große Krisen ein gesichertes Auskommen fanden, kommt nun eben wieder ein Rückschlag, von dem sich die Branche – wie immer, obwohl das Ausmaß der aktuellen Krise sich erst noch offenbaren wird – abermals erholen wird. Von dieser empirischen Erkenntnis berichtete nun einmal mehr die International Rubber Study Group (IRSG), deren Mitglieder und beigeordnete Unternehmen sich in Singapur zu ihrer Vollversammlung trafen, dem „World Rubber Summit“.
Zwei Zahlen lassen aufhorchen und stimmen den krisengeplagten Reifenhersteller zuversichtlich: Während im vergangenen Jahr weltweit 1,7 Milliarden Reifen produziert und vermarktet wurden, sollen dies im Jahre 2012 bereits über zwei Milliarden Reifen sein. Dies entspricht immerhin einem globalen Wachstum von über 15 Prozent, sollte die Erwartung von Dr. Raghupati Singhania zutreffen. Der Vice Chairman und Managing Director von JK Tyre & Industries aus Indien stimmt die rund 200 Teilnehmer des World Rubber Summits in seiner Eröffnungsrede zwar auf harte und herausfordernde Zeiten ein, wies allerdings auch darauf hin, dass auch „in Zukunft die Automobilindustrie der Wachstumsmotor unserer Volkswirtschaften sein wird“. Gerade vor dem Hintergrund eines immer anspruchsvolleren legislativen Rahmens – gerade innerhalb der EU und der Vereinigten Staaten – und endlicher Rohstoffe, für die die Branche in Zukunft Ersatz finden muss, scheint „die Zukunft hart und der Weg dorthin voller Herausforderungen“. Dr. Singhania, der gleichzeitig auch Chairman des indischen Herstellerverbandes Automotive Tyre Manufacturers Association (ATMA) ist, lässt indes keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Branche, die zu den wichtigsten Abnehmern der globalen Kautschukindustrie zählt, die anstehenden Herausforderungen meistern wird.
Dass sich auch die Redner des World Rubber Summit dem aktuellen ‚Krisengeschrei’ nicht entziehen konnten, ist klar. Zumal die erfolgsverwöhnte Reifen- und Gummibranche in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten entweder stets „ein gutes oder ein sehr gutes Jahr“ hatte, so könnte man die Ausführungen von Robert Simmons, Forschungsleiter für Kautschuk und Reifen bei LMC International aus Großbritannien, interpretieren. Dass die Zahlen weltweit und auch auf den wichtigsten Einzelmärkten derzeit von der oben beschriebenen mittelfristigen Wachstums-Erkenntnis ablenken, ist klar. Es seien gerade die hoch entwickelten und saturierten westlichen Märkte, die auch noch überdurchschnittlich stark von der Erstausrüstung abhängig sind (in Westeuropa zwischen 35 und 40 Prozent der lokalen Produktion) und mit günstigen Importreifen – gerade in der Krise – überschwemmt werden, denen die aktuelle Marktlage besonders stark zusetzt. Gerade wenn die chinesische Reifenindustrie, die sonst jährliche Wachstumsraten von 15 bis 30 Prozent melden konnte, für 2008 ‚nur’ ein Wachstum von sechs Prozent einfahren konnte, wird deutlich, dass die weltweite Reifenindustrie ein ernstzunehmendes und aktuelles Problem hat, so Robert Simmons weiter. Doch auch der Marktforscher mochte der Reifenbranche anlässlich des World Rubber Summit nicht die Überlebensfähigkeit absprechen. Im Gegenteil: Eine der ersten Studien, die das britische Forschungsinstitut in den 1980er Jahren über den Reifenmarkt anfertigte, bevor LMC International sich mit regelmäßigen Studien auf den Markt einstellte, lautete: „Der Markt nach der Krise“. Offenbar sei es den Marktteilnehmern seit damals durchaus gelungen, sich den neuen Herausforderungen erfolgreich anzupassen, machte Simmons den Teilnehmern des World Rubber Summit Mut für die Zukunft.
Das Thema „Reifen“ und „Reifenmarkt“ machte indes nur einen kleinen Teil des Inhalts der IRSG-Vollversammlung aus. Weitere Schwerpunktthemen der zweitägigen Veranstaltung, die im Vorfeld zur Messe Tyrexpo Asia stattfand, waren etwa die Herstellung von Synthesekautschuk, die Auswirkungen des Ölpreises auf den Kautschukmarkt, der Anbau von Naturkautschuk sowie der Ausblick auf „zukünftige Märkte und die Zukunft der Kautschukwirtschaft“. Dass der World Rubber Summit in diesem Jahr erstmals im Umfeld einer etablierten Reifenmesse stattfand, habe sich positiv auf das Interesse ausgewirkt, sagt Generalsekretär Dr. Hidde Smit. Teilnehmer konnten somit zwei Reisen in einer verbinden.
Zum Thema: Die IRSG – Was ist das?
Der „World Rubber Summit“ entspricht einer Vollversammlung der Mitglieder der International Rubber Study Group (IRSG). Als intergouvernementale Organisation sind derzeit 16 Staaten (sowie die Europäische Union) Mitglied und Träger der IRSG. Darunter auch Deutschland, das durch das Wirtschafts- und Technologieministerium vertreten ist. Die Mitgliedsstaaten der IRSG repräsentieren 58 Prozent des jährlichen Kautschukverbrauchs (Natur- und Synthesekautschuk), 80 Prozent der Naturkautschukproduktion und 65 Prozent der Synthesekautschukproduktion weltweit. Neben den vollwertigen Regierungsmitgliedern besteht noch ein sogenannter „Panel of Associates“. Dazu gehören aktuell rund 100 Unternehmen und Verbände der weltweiten Kautschukindustrie, darunter auch die Top-Fünf-Großverbraucher aus der Reifenindustrie Bridgestone, Michelin, Goodyear, Continental und Pirelli, sowie Verbände wie der Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie (WdK) und die European Tyre & Rubber Manufacturers’ Association (ETRMA). Die Ziele der IRSG sind seit der Gründung 1938 im Wesentlichen gleich geblieben: (1) Die IRSG bietet ein permanentes Diskussions- und Informationsforum, an dem sich Regierungen und Unternehmen der Kautschukindustrie beteiligen können. (2) Die IRSG trägt umfangreiche Statistiken zusammen und stellt sie ihren Mitgliedern zur Verfügung. (3) Die IRSG führt allgemeine Studien zu Faktoren durch, die die globale Kautschukindustrie berühren könnten. Noch bis Ende dieses Jahres ist der Niederländer Dr. Hidde Smit Generalsekretär der Regierungsorganisation. Ein Nachfolger der im vergangenen Juli von London nach Singapur umgezogenen Organisation ist noch nicht benannt.
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