Spagat zwischen Rollwiderstand und Nassbremsen gelungen?

Dass im Zuge der Diskussion um die verkehrsbedingten Kohlendioxidemissionen der Kraftstoffverbrauch und damit auch das Thema Reifenrollwiderstand verstärkt in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses gerückt ist, hat die Gesellschaft für Technische Überwachung (GTÜ) und den Auto Club Europa e.V. (ACE) offenbar dazu veranlasst, sogenannte Leichtlaufreifen einem besonderen Test zu unterziehen. Dabei ging es den Testern einerseits darum, ob die so bezeichneten „Ökoreifen“, die sich durch einen besonders niedrigen Rollwiderstand auszeichnen sollen, halten, was die Werbung für sie verspricht. Vor dem Hintergrund des bei der Reifenentwicklung bestehenden Zielkonfliktes zwischen dem Rollwiderstand und den Nassbremseigenschaften der schwarzen runden Gummis wollte man andererseits jedoch auch wissen, ob der aktuelle Trend in Richtung Leichtlaufreifen nicht möglicherweise zulasten der Sicherheit geht.

Bei dem Test mussten insgesamt 16 Sommerreifen ihr Können unter Beweis stellen – je acht in den beiden Dimensionen 175/65 R14 T und 195/65 R15 H. Dabei haben GTÜ und ACE versucht, das Produktspektrum von den Premiummarken bis hin zu Budgetreifen abzudecken. Bei der kleinen Größe wurden in Form des – zumindest unter diesem Namen im deutschen Markt unbekannten – Goodyear „Vector 4Seasons“ und des Vredestein „Quatrac 2“ auch zwei Ganzjahresreifen mitgetestet. Der Rest des Wettbewerbsfeldes in der Dimension 175/65 R14 T setzte sich darüber hinaus aus dem Barum „Brillantis“, Dunlop „SP 30“, Firestone „Multihawk“, Fulda „Eco Control“, Goodride „H600“ mit dem von den anderen Produkten abweichenden Geschwindigkeitsindex H sowie dem Pirelli „P4 Cinturato“ zusammen. In der Größe 195/65 15 H mussten Bridgestone „Turanza ER 300“, Contis „PremiumContact 2“, Dunlop „Fast Response“, Goodyear „Excellence“, Michelin „Energy Saver“, Nankang „Toursport 611“ und Pirellis „P6“ gegeneinander antreten, wobei der „ContiPremiumContact 2“ den Test in zwei verschiedenen Ausführungen zu durchlaufen hatte: zum einen die gewöhnliche (Ersatzmarkt-)Version, zum anderen eine Erstausrüstungsspezifikation.

Geprüft wurden die Pneus entsprechend der Zielsetzung des Tests in den beiden Disziplinen Nassbremsen und Rollwiderstand, in denen die Kandidaten auf maximal 30 bzw. 20 Punkte kommen konnten. Zusammen mit den auf Basis der vom Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e.V. (BRV) ermittelten Preise für einen Reifensatz in der Kategorie Kosten zu vergebenden maximal zehn Punkten waren so insgesamt höchstens 60 Gesamtpunkte von den Probanden zu erreichen. „Die Untersuchungen auf dem Testgelände galten zwar dem konstruktiv vorgegebenen Rollwiderstand der Prüflinge, gemessen wurde jedoch der tatsächliche Verbrauch in Liter auf 100 Kilometer“, heißt es vonseiten der GTÜ. Mit gemessenen 7,79 respektive 7,80 Litern je 100 Kilometer (Versuchsfahrzeug: VW Golf) weist die offizielle GTÜ-Ergebnistabelle in der Größe 165/65 R15 H die Erstausrüstungsvariante des „ContiPremiumContact 2“ bzw. den Michelin „Energy Saver“ als beste Reifen in dieser Kategorie aus, den Goodyear „Excellence“ mit 8,32 Litern pro 100 Kilometer oder rund 0,5 Litern bzw. 6,7 Prozent mehr als den schlechtesten in puncto Verbrauch. Zwischen diesen beiden Extremen positionierten sich in dieser Reifenfolge die Reifen von Nankang (7,89 l/100 km), Dunlop (8,06 l/100 km), Bridgestone (8,09 l/100 km) und Pirelli (8,20 l/100 km). Interessant dabei: Für die normale Ersatzmarktversion des „ContiPremiumContact 2“ wurde mit 8,03 l/100 km ein etwa drei Prozent höherer Verbrauch gemessen als für den Erstausrüstungsreifen.

In der kleinen Größe 175/65 R14 T lag in Sachen Verbrauch der Barum „Brillantis“ vorn und setzte mit dem unter Einsatz eines Ford Fiesta als Versuchsfahrzeug gemessenen Kraftstoffverbrauch von 7,54 Litern pro 100 Kilometer den Referenzwert in dieser Klasse. Dahinter folgen bezogen allein auf die Disziplin Verbrauch Goodride „H600“ (7,64 l/100 km), Fulda „Eco Control“ (7,67 l/100 km), Goodyear „Vector 4Seasons“ (7,70 l/100 km), Vredestein „Quatrac 2“ (7,71 l/100 km), Dunlop „SP 30“ und Pirelli „Cinturato P4“ mit je 7,75 l/100 km sowie als Letzter der Firestone „Multihawk“ mit 7,90 l/100 km. Der Mehrverbrauch mit dem Firestone-Reifen im Vergleich mit dem „Brillantis“ beträgt mithin knapp 0,4 Liter je 100 Kilometer respektive nicht ganz fünf Prozent. Viel größer ist demgegenüber die Spreizung bei den Bremswegen der Probanden, wobei die GTÜ-Messwerttabelle dessen Länge für einen Bremsvorgang bei Nässe und eine Ausgangsgeschwindigkeit von 80 km/h ausweist. Als Bester 175er in dieser Disziplin schnitt der Pirelli-Reifen ab: War er an dem Fiesta montiert, kam das Fahrzeug nach 44,9 Metern zum Stehen. Dahinter konnten sich die Ganzjahresreifen von Vredestein und Goodyear mit 46,6 bzw. 46,9 Metern Bremsweg platzieren, gefolgt von den Reifen der Marken Fulda (48,6 m), Dunlop (49,0 m), Barum (49,5 m) und Firestone (50,2 m). Schlusslicht war hier der Goodride, mit dem das Testfahrzeug mit 59,6 Metern einen über 30 Prozent längeren Bremsweg benötigte als mit dem „P4 Cinturato“.

Damit – so die GTÜ – offenbart der Test zum Sicherheitsaspekt Nassbremsen „gravierende, wenn nicht gar bedenkliche Ergebnisse“. Nicht viel anders die Situation bei den 195er-Reifen, wo in der Kategorie Nassbremsen wieder ein Pirelli-Reifen ganz vorne landete. Mit 46,1 Metern benötigte der mit dem „P6“ ausgerüstete VW Golf bei Nässe den kürzesten Bremsweg des Wettbewerbsfeldes. Nicht weit dahinter die Ersatzmarktversion von Contis „PremiumContact 2“ und Bridgestones „Turanza ER 300“ mit 47,0 respektive 47,4 Metern gefolgt vom Goodyear „Excellence“ (49,4 m), Michelin „Energy Saver“ (50,7 m) und Dunlop „Fast Response“ (51,4 m). Schlechtester auch hier ein „Billigheimer aus Asien“ wie die GTÜ den Nankang „Toursport 611“ bezeichnet, mit dem das Versuchsfahrzeug erst nach 63,1 Metern zum Stehen kam. Das entspricht einem beinahe 37 Prozent längeren Bremsweg als bei dem besten Reifen in dieser Disziplin. Trotz des im Vergleich zu den anderen Pneus günstigen Preises (volle Punktzahl in der Diziplin Kosten) kommt der Nankang aufgrund des schlechten Abschneidens in der Gesamtwertung auf alles in allem 28 von maximal 60 möglichen Punkten.

„Nicht empfehlenswert“ lautet deshalb das abschließende Urteil der Tester für den „Toursport 611“, während der Dunlop- und der Goodyear-Reifen auf 41 bzw. 40 Gesamtpunkte kommen und als „noch empfehlenswert“ bezeichnet werden. Für „empfehlenswert“ hält die GTÜ die 195er-Pneus von Michelin und Pirelli mit jeweils 46 Punkten. „Besonders empfehlenswert“ steht für den Bridgestone-Reifen im Protokoll, und das Ergebnis für den „ContiPremiumContact 2“ ist zwiespältig: Denn anders als die Ersatzmarktausführung des Conti-Reifens, die dank 48 Gesamtwertungspunkten zum Testsieger in der Größe 195/65 R15 H gekürt wird, konnte der Erstausrüstungsreifen gleichen Namens hauptsächlich wohl wegen seines längeren Bremsweges bei Nässe nur 45 Punkte auf seinem Konto ansammeln, weshalb die GTÜ ihm lediglich das Prädikat „empfehlenswert“ zugesteht.

Gleich zwei Testsieger hat der Reifenvergleich in der Größe 175/65 R14 T: Mit jeweils 49 Punkten in der Gesamtwertung liegen der Barum „Brillantis“ und Pirellis „P4 Cinturato“ in der Endabrechnung gleichauf. Für „besonders empfehlenswert“ halten die Tester den Fulda „Eco Control“ und Vredesteins „Quatrac 2“, die alles in allem 48 respektive 47 Punkte auf sich vereinigen konnten. Knapp dahinter mit 46 Punkten und dem Prädikat „empfehlenswert“ mit dem Goodyear „Vector 4Seasons“ der zweite Ganzjahresreifen der Versuchsreihe. Als „noch empfehlenswert“ werden der „SP 30“ von Dunlop (43 Punkte) und der Firestone „Multihawk“ (40 Punkte) bezeichnet, während es bei dem Goodride „H600“ wegen der augenscheinlich schlechten Bremsleistung und 33 Punkten in der Gesamtwertung nur zu einem „nicht empfehlenswert“ reichte.

„Zwar offerieren beide Fernostpneus gute Rollwiderstandswerte – aber auf Kosten der Sicherheit“, kommentieren die Tester das schlechte Abschneiden des Goodride- und Nankang-Reifen in puncto Bremsweg bei Nässe, wobei man zusätzlich offenbar auch Messungen bei höheren Ausgangsgeschwindigkeiten durchgeführt hat. „Mit dem schlechtesten Reifen im Test kam das Auto bei einer Vollbremsung aus Tempo 100 auf nassem Asphalt erst nach 96 Metern zum Stehen, der beste Reifen (Pirelli ‚P6’) benötigte nur etwas über 70 Meter. Noch anschaulicher als dieser Vergleich der Bremswege ist die Berechnung der Restgeschwindigkeit: Das mit dem Billigreifen Nankang ‚Toursport’ bestückte Auto wäre in dem genannten Beispiel noch mit 52 km/h in den bereits stehenden Pirelli-bereiften Vordermann gekracht“, heißt es vonseiten der GTÜ. Ähnliches gelte für den Goodride „H600“. Unabhängig davon stünden Käufer heute nicht mehr vor der Alternative „sparsam oder sicher“, wird das Ergebnis des Reifenvergleichs bezogen auf die Ausgangsfrage zusammengefasst. „Reifen, die den Spagat zwischen Ökologie und Sicherheit gekonnt meistern, sind inzwischen im Handel durchaus erhältlich“, lautet denn auch das GTÜ-Fazit zu dem Test.

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