Round Table Reifentechnik wieder Treffpunkt der Branchenexperten
In diesem Jahr hat Stahlgruber den Round Table Reifentechnik schon zum 13. Mal ausgerichtet, und wieder sind zahlreiche Branchenexperten der Einladung des Unternehmens in seine Zentrale in Poing bei München gefolgt. Wie in den Vorjahren blieb auch diesmal kaum Platz in dem großzügigen Tagungsraum unbesetzt. Auf der Tagesordnung stand schließlich jede Menge Interessantes angefangen bei der fast schon traditionellen Präsentation der neuesten Markt- bzw. Marktstrukturdaten durch den Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e.V. (BRV) und das Thema Reifentests über Probleme bei Transporterreifenventilen und die Gesetzgebung rund um runderneuerte Reifen bis hin zur Montage von UHP- sowie Notlaufreifen oder dem MTR-Reifenreparaturnetzwerk – MTR steht „Master Tyre Repairers“ – oder der „Duraseal“-Technologie des Reifenherstellers Goodyear.
Nicht ganz zufrieden mit der Entwicklung des letztjährigen Reifenersatzgeschäftes im deutschen Reifenfachhandel zeigte sich BRV-Geschäftsführer Hans-Jürgen Drechsler. Vor allem der aufgrund der milden Witterung zum Ende vergangenen Jahres im Vergleich zu anderen Jahren nur kurze Ansturm auf Winterreifen habe dazu geführt, dass die Erwartungen des Handels nicht erfüllt wurden. „Ab Mitte November war das Thema de facto erledigt“, resümiert Drechsler. Im Produktsegment Pkw-Reifen konnte die verhalten optimistische Prognose von einem Prozent Zuwachs nicht realisiert werden, da der Absatz von M+S-Reifen vor allem wohl aufgrund der neuen StVO zwar zugelegt hat, gleichzeitig die Verkaufszahlen von Sommerreifen 2006 aber erneut rückläufig waren. „Man darf sich gar nicht vorstellen, was ohne die vielen Diskussionen rund um die StVO gewesen wäre“, ergänzt der BRV-Geschäftsführer. Dafür aber habe sich der Stückabsatz im Segment Lkw-Reifen im Vergleich mit dem im Frühjahr vergangenen Jahres prognostizierten Zuwachs von 1,9 Prozent um 2,8 Prozentpunkte auf 4,7 Prozent (die NEUE REIFENZEITUNG berichtete) besser als erwartet entwickelt.
Für das laufende Jahr erwartet der BRV laut Drechsler ein etwa einprozentiges Wachstum des Pkw-Reifenersatzmarktes, das aus einem erwarteten gut dreiprozentigen Rückgang bei den Sommerreifen sowie einem zweiprozentigen Plus bei den Winterreifen resultieren werde. „Die Prognose des Wirtschaftsverbandes der deutschen Kautschukindustrie e.V. (WdK) von einem Wachstum in Höhe von 3,1 Prozent ist meiner Meinung nach zu hoch gegriffen“, so der Geschäftsführer des Bonner Verbandes. Wobei natürlich die Witterung – wie das vergangene Jahr eindrucksvoll gezeigt hat – selbstredend einen gehörigen Einfluss auf die tatsächlich Entwicklung des Abverkaufes von Winterreifen haben dürfte.
Wie dem auch sei, die Leser dieser Fachzeitschrift gehen jedenfalls mehrheitlich davon aus, dass sich die Verkaufszahlen an M+S-Pneus im Geschäft Handel an Verbraucher nicht mehr signifikant werden steigern lassen. So lautet jedenfalls das Ergebnis unserer „Frage des Monats“ unter www.reifenpresse.de/umfrage. Dabei äußerte sich mit insgesamt 49,5 Prozent annähernd die Hälfte der Teilnehmer an der Befragung dahingehend, dass 2007 weniger Pkw-Winterreifen vom Handel an den Verbraucher abgesetzt werden als noch im vergangenen Jahr. Knapp ein Drittel (28,7 Prozent) glaubt demgegenüber, dass der Absatz mehr oder weniger stabil bleiben wird. Das bedeutet gleichzeitig, dass 21,8 Prozent der Meinung sind, die Nachwirkungen der StVO-Novelle könnten auch in diesem Jahr noch einmal den Winterreifenabsatz in Deutschland beflügeln.
Wie’s wirklich aussieht, werden wir spätestens im Frühjahr 2008 wissen, wenn der BRV sein Zahlenwerk für 2007 – sicher unter anderem auch wieder beim Stahlgruber Round Table – vorlegen wird. Fast schon darauf wetten kann man zudem darauf, dass der von dem Branchenverband seit Jahren beobachtete Trend zu immer weniger keiner irgendwie gearteten Kooperation oder Handelskette angehörenden Händler anhalten wird. Denn Drechslers Worten zufolge gibt es schließlich schon heute de facto kaum noch Betriebe, die sich nicht einem entsprechenden Verbund angeschlossen hätten. „Kurios für mich ist nur, dass sich nahezu alle Zusammenschlüsse weiteres Wachstum vorgenommen haben. Ich bin gespannt, wie man das unter den derzeitigen Gegebenheiten eines mehr oder weniger verteilten Marktes realisieren will“, fragt sich Drechsler, für den dies nur auf eine weitere Zunahme des Verdrängungswettbewerbes hinauslaufen kann.
Knapp zwei Drittel der Unternehmen des deutschen Reifenfachhandels sind freie Handelsunternehmer, gut ein Drittel ist vertraglich mehr oder weniger stark an die Reifenindustrie gebunden: So lautet der aktuelle Status quo gemäß der aktuellen Marktstrukturanalyse des BRV. Damit hat sich im Vergleich zum Vorjahr zwar nicht viel verändert. Betrachte man allerdings die Entwicklung in den letzten 15 Jahren, so werde deutlich, dass der mehr oder weniger in allen Handelsbranchen zu beobachtende Trend zur Konzentration auch am Reifenfachhandel nicht spurlos vorbei gegangen sei. 1992 war das Verhältnis freier zu vertragsgebundenen Unternehmen nämlich noch gut vier Fünftel zu knapp einem Fünftel gewesen. In der Branche rund um Räder und Reifen gibt es derzeit knapp 2.000 Unternehmen mit insgesamt rund 4.200 Betriebsstätten, die der BRV zu der Kategorie Reifenfachhändler zählt, da sie mindestens 50 Prozent ihres Umsatzes im Geschäft mit Reifen realisieren. Rund 80 Prozent der Reifenhandelsunternehmen sind dabei übrigens in dem bundesweit agierenden Fachverband organisiert.
Geschrumpft ist infolge eines starken Konzentrationsprozesses hingegen die Zahl der industrieeigenen Handelszentralen. Von sechs im Jahr 1992 sind nunmehr mit Vergölst (Continental), Euromaster (Michelin) und Pneumobil (Pirelli) nur noch drei übrig geblieben – die allerdings mit jetzt über 700 Outlets rund ein Drittel mehr Betriebe führen als vor 15 Jahren. Davon gehören rund neun Prozent zu Pneumobil, den Rest führen die beiden anderen Betreiber zu nahezu gleichen Teilen. Einen geradezu rasanten Zuwachs von gut 190 Prozent verzeichnete in den vergangenen 15 Jahren die Zahl der Betriebsstätten der so genannten industrienahen Kooperationen. Goodyear Dunlop und Bridgestone/Firestone bieten mit ihren Systemzentralen GD Handelssysteme und First Stop freien Handelsunternehmen kooperationsähnliche Partnerschaften, die von mittlerweile knapp 700 Händlern mit insgesamt 1.100 Outlets genutzt werden. Dabei ist die Kölner GDHS mit 575 Partnern und 843 Betriebsstätten die zahlenmäßig stärkere Kooperation dieser Kategorie.
Im freien Reifenfachhandel agieren immer weniger Unternehmer als „Einzelkämpfer“, mehr und mehr haben sich in den vergangenen Jahren einer der Verbundgruppen der Branche angeschlossen. Gehörten zum Beispiel 1992 noch knapp ein Fünftel der Händler einer der Kooperationen des freien Reifenfachhandels wie etwa point S oder Team an, sind es heute knapp 56 Prozent der Unternehmen mit knapp 45 Prozent aller Betriebsstätten des deutschen Reifenfachhandels. Die Zahl der Kooperationszentralen hat sich im selben Zeitraum von drei auf sechs verdoppelt. Lediglich fünf Unternehmen von ehemals acht sind als große, ungebundene Reifenhändler verblieben. Doch sie behaupten ihre Position, meint der BRV und verweist auf die von insgesamt 332 Betriebsstätten im Vorjahr leicht gestiegen Zahl von 356 von diesen Unternehmen betriebenen Outlets.
Alle Vertriebsschienen des Reifenfachhandels im engeren Sinne hatten im vergangenen Jahr einen Distributionsanteil von 55 Prozent der an Verbraucher verkauften Pkw-Reifen. Den Rest teilen sich der Analyse des Branchenverbandes zufolge markengebundene und freie Kfz-Werkstätten, Fachmärkte – worunter Drechsler im Wesentlichen Pit Stop und ATU versteht – und Onlinevertriebsschienen. „Im vergangenen Jahr hat der Reifenfachhandel etwa einen Prozentpunkt Marktanteil an die Vertriebsschienen des Kfz-Gewerbes abgeben müssen“, so Drechsler, relativiert diesen Marktanteilsverlust aber mit dem Hinweis, dass das Verhältnis Reifenfachhandel zu Kfz-Gewerbe im Jahr 2002 schon einmal bei 54 zu 33 Prozent gelegen habe. Erklärt wird dies mit dem kurzen, aber heftigen Wintergeschäft der vergangenen Umrüstsaison. Von der hohen Nachfrage nach M+S-Reifen innerhalb nur weniger Wochen hätten beispielsweise freie Kfz-Werkstätten profitiert, weil der Reifenfachhandel den heftigen Ansturm nicht immer habe bewältigen können. Die Verbraucher seien – wenn sie zu lange auf einen Termin bei ihrem Reifenhändler warten mussten – halt einfach in die Kfz-Werkstatt oder das Autohaus gefahren. Im Produktsegment Lkw seien konkurrierende Vertriebskanäle allerdings nach wie vor kein Thema: Hier ist der Reifenfachhandel mit 98,5 Prozent Distributionsanteil im Reifenersatzgeschäft Angaben des BRV zufolge seit Jahren die Nummer eins.
Breiten Raum nahm bei der Tagung in Poing auch das Thema Montage bzw. Demontage von Notlauf- und UHP-Reifen ein, das – wie Gastgeber Peter Dahlheimer, Geschäftsführer der Tip Top Automotive GmbH – es formulierte, im Rahmen des Stahlgruber Round Table „von den unterschiedlichsten Seiten beleuchtet“ wurde. Dass es daran einen großen Bedarf zu geben scheint, belegten die von Michael Immler, Obermeister der bayrischen Vulkaniseurinnung, durchgeführten Eigenversuche zur Montage bzw. Demontage von Notlaufreifen. Dabei hat er festgestellt, dass es so manche Kombination von Gegebenheiten aus Montagemaschine, Reifen, Hilfsmittel und weiteren Randbedingungen gibt, bei denen selbst der erfahrenste Monteur das Aufziehen eines Reifens mit einer recht steifen Seitenwand (wie sie Runflats oder UHP-Pneus nun einmal aufweisen) nicht ohne Beschädigungen desselben oder des Rades durchführen kann.
„Beispielsweise hat sich bei den Versuchen eine Schadenshäufigkeit von 60 bis 70 Prozent gezeigt, wenn Notlaufreifen mit verstärkter Seitenwand bei Temperaturen von unter 15 Grad Celsius montiert werden“, stellte er eines der Teilergebnisse seiner Analysen vor. „Auch gibt es viele Maschinen, die alle Arten Notlaufreifen montieren können sollen, aber manchmal ist dem in der Praxis nicht so“, ergänzte er und berichtete von einem Fall, bei dem er mithilfe eines bestimmten Maschinenmodells trotz deren angeblicher Eignung für Runflat-Systeme bei drei Versuchen nur drei beschädigte Reifen als Endergebnis produzieren konnte. Und so verwundert es nicht, dass alle Seiten nun in einem Arbeitskreis unter dem Dach des WdK an einer Art Leitfaden für die Montage entsprechender Bereifungen arbeiten wollen. „Die Zusammenarbeit klappt dabei wider Erwarten sehr gut“, zieht WdK-Geschäftsführer Peter Sponagel ein kurzes Zwischenfazit des bislang Erreichten.
Der Leitfaden soll klare Arbeitsanweisungen für den Monteur enthalten, aber etwa auch Empfehlungen geeigneter Maschinen und sinnvollen Zubehörs. „Ich denke der Handlungsbedarf ist klar erkannt. Und der Schmerz ist so hoch, dass allen Beteiligten klar ist, dass etwas passieren muss“, wie Dahlheimer die derzeitige Situation auf den Punkt brachte, bevor René Bussenius von der Rema Tip Top GmbH das MTR-Projekt des Unternehmens im Detail vorstellte. Damit – das Akronym MTR steht für „Master Tyre Repairers“ – will man im Reifenfachhandel und beim Endverbraucher kursierende Fehlinformationen rund um das Thema Reifenreparatur eindämmen sowie die Reparaturkompetenz durch regelmäßige Audits und professionelle Trainingsprogramme steigern. Rund um das Projekt hat der Unternehmensbereich Tip Top Automotive der Rema Tip Top GmbH nun übrigens auch eine eigene Homepage ins Leben gerufen.
Die Webseite www.rema-tiptop.com/mtr bündelt alle Informationen rund um das MTR-Projekt und ist in fünf Bereiche untergliedert. In der Rubrik „Warum MTR?“ sind die Vorteile des MTR-Partnernetzwerkes für Reifenausrüster und Flottenbetreiber genau aufgezeigt. „Partner werden“ erläutert die Grundvoraussetzungen, die ein Reifenservicebetrieb erfüllen muss, um MTR-Partner zu werden. Die Rubrik „Partner finden“ bietet den Betrieben die Möglichkeit, einen passenden MTR-Partner im näheren Umkreis zu finden – immerhin haben sich bundesweit bereits 34 Partnerbetriebe entsprechend zertifizieren lassen. Im Bereich „Presse“ stehen die neuesten Mitteilungen zur Verfügung, unter „Downloads“ sind alle technischen Informationen, Richtlinien zur Instandsetzung von Luftreifen und der Produktkatalog MTR als Datei verfügbar. Sollten darüber hinaus noch Fragen bestehen, gibt die Rubrik „FAQ“ Hilfestellung.
Weitere Themen beim diesjährigen Round Table Reifentechnik waren darüber hinaus die Probleme mit Transporterventilen, welche die Branche seit einiger Zeit beschäftigen und über welche die NEUE REIFENZEITUNG bereits mehrfach berichtete, oder auch das den Runderneuerung möglicherweise drohende Ungemach in Sachen Geräuschrichtlinie für Reifen. Während Franz Nowakowski bezüglich der Ventile von einem Teilerfolg dergestalt berichten konnte, dass zumindest einige Fahrzeughersteller mittlerweile in der Produktion offensichtlich auf die Verwendung von Hochdruckventilen umgestellt haben. Oder – so der Dekra-Beauftragte für Sondergutachten – sie würden inzwischen kürzere Ventile einsetzen. Demgegenüber gab sich Michael Schwämmlein, der bei Kraiburg den Technischen Service, den Anlagenbau sowie die Sortimentspolitik verantwortet und zudem in dem europäischen Runderneuerungsverband BIPAVER engagiert ist, etwas enttäuscht von der Reaktion der deutschen Runderneuerer auf eine in Zusammenarbeit mit dem BRV gestartete Fragebogenaktion. Damit sollten die Meinung zum weiteren Vorgehen der in diesem Marktsegment aktiven Unternehmen bezüglich der besagten Geräuschrichtlinie der EU ermittelt werden.
„Alle diese Regelungen werden für den ‚typgeprüften’ Neureifen gemacht und lassen den runderneuerten Reifen momentan außen vor. Deshalb stellt sich für die Runderneuerungsbranche die Frage, wie man mit diesen Regelungen umgehen will“, erklärt Schwämmlein. „Warten wir, bis uns jemand die Richtlinie textet und aufs Brot schmiert, oder ergreifen wir selbst die Initiative?“, zeigt er die Motivation für die Umfrage auf, die seinen Worten zufolge aber von lediglich rund 15 der 55 angeschriebenen Runderneuerungsunternehmen überhaupt beantwortet worden ist. „Und auch das nur nach einer erneuten Nachfrage. In der ersten Instanz war die Resonanz mit nur fünf Antworten noch enttäuschender“, so Schwämmlein, der dem Thema Geräuschrichtlinie die Bedeutung einer Art Weichenstellung für die ganze Branche beimisst.
„Denn wenn runderneuerte Reifen diesbezüglich außen vor bleiben, besteht die Gefahr, dass sie in die Zweitklassigkeit abgleiten“, befürchtet er. „Es bleibt deshalb der erneute Appell an alle Runderneuerer in Deutschland sich zu den möglichen Wegen zu äußern. Die Auswirkung auf die Branche kann in vielerlei Hinsicht gravierend sein“, sagt er und erwähnt in diesem Zusammenhang explizit die Stellung des Runderneuerten in Bezug auf den Neureifen, den Zugang bzw. die Akzeptanz der Produkte in den verschiedenen Marktbereichen oder die finanzielle Belastung der einzelnen Runderneuerer, sollte die Einhaltung der Geräuschgrenzwerte durch einen wie auch immer gearteten Nachweis vom herstellenden Betrieb belegt werden müssen. Wie dem auch sei, im Rahmen der Generalversammlung des BIPAVER im Ende Mai in Bologna soll das weitere Vorgehen jedenfalls beschlossen werden.
„Es gibt viel zu tun“, schloss Schwämmlein daher, und seine Worte können ohne Einschränkung durchaus auf die anderen während der Tagung angesprochenen Themen übertragen werden. Insofern steht nicht zu befürchten, dass der Reifenbranche und damit den Gästen des Stahlgruber Round Table so schnell der Diskussionsstoff ausgeht. Und so ist es wohl keine Frage, dass im nächsten Frühjahr wieder zahlreiche Branchenexperten der Einladung des Unternehmens in seine Zentrale in Poing bei München folgen werden.
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