„Siegeszug nicht zu stoppen“ – Dieses Jahr 20 Prozent mehr Ganzjahresreifen?
„Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen“ – die Urheberschaft dieses Bonmots lässt sich zwar ebenso wenig eindeutig klären wie die Frage, ob es so etwas wie Zeitschleifen (außer im deutschen Reifengeschäft) wirklich gibt. Aber selbst wenn sich Experten für geflügelte Worte letztlich nicht sicher sind, ob besagte Redewendung nun dem Kabarettisten Karl Valentin, dem Schriftsteller Mark Twain, dem dänischen Physiker Niels Bohr oder auch sonst wem zuzurechnen ist, so steckt deshalb doch nicht weniger Wahrheit darin. Denn man kann sich allenfalls daran versuchen, durch Betrachtung der jüngeren Vergangenheit und mithilfe gewisser Annahmen eine halbwegs plausible Vorhersage der Zukunft aufzustellen. Ob die sich daran dann hält, steht allerdings auf einem ganz anderen Blatt. Nichtsdestotrotz hat sich die NEUE REIFENZEITUNG selbst einmal an einer Prognose versucht mit Blick auf das in diesem Jahr zu erwartende Absatzvolumen an Pkw-Ganzjahresreifen im deutschen Ersatzmarkt (Sell-out: Absatz Handel an Verbraucher).
Während bei Prophezeiungen von Hellsehern mitunter eine Glaskugel zum Einsatz kommt, haben wir dazu Google-Trends bemüht. Denn damit lässt sich nämlich unter anderem analysieren, wie sich die Suchanfragen nach dieser Reifengattung bei dem Internetgiganten während der vergangenen Jahre in Deutschland entwickelt haben. Seit 2004 zeichnet Google entsprechende Daten dazu auf, und das „Grundrauschen“ ist dabei stetig angestiegen. Für ihre Prognose hat sich die NEUE REIFENZEITUNG jedoch nur auf den Zeitraum seit 2011 beschränkt zumal sich bei fokussierter Betrachtung des Trends nur der letzten paar Jahre noch das eine oder andere weitere interessante Detail an den von dem Suchmaschinenbetreiber gesammelten Daten ablesen lässt. So etwa, dass die Verbraucher sich zwar nach wie vor weiterhin vor allem rund um Mitte Oktober – also im Zusammenhang der Winterumrüstung ihres Fahrzeuges – für Allwetterreifen interessieren. Aber mehr und mehr ist außerdem noch eine ansteigende Zahl an Ganzjahresreifensuchen im Frühjahr (Ende März bzw. Anfang April) zu beobachten.
Das bedeutet nichts Anderes, als dass Ganzjahresreifen augenscheinlich in zunehmendem Maße auch als Alternative zu Sommerreifen gesehen werden, während früher wohl eher die Fraktion der sogenannten „Winterreifenmuffel“ bevorzugt zu ihnen gegriffen hat. Das könnte des Weiteren damit zusammenhängen, dass Michelin als mit seiner Hauptmarke neuester Einsteiger in dieses Marktsegment unter den etablierten Reifenherstellern den „CrossClimate“ mit einer entsprechend breit angelegten Werbekampagne als „Sommerreifen mit Winterzulassung“ inmitten der Allwetterspezialisten der Konkurrenz zu etablieren versucht hat – und das augenscheinlich nicht gerade unerfolgreich. Beschränkt man sich nun jeweils auf die ersten sieben Monate eines jeden Jahres und setzt man die entsprechenden Zunahmen der Suchanfragen nach Ganzjahresreifen mit dem jeweiligen Referenzwert des entsprechenden Vorjahreszeitraumes ergibt seit 2011 ein durchschnittliches jährliches Wachstum von um die 15 Prozent.
Dieser Wert passt erstaunlich gut zu dem, was BBE Automotive während einer Tagung im Rahmen der diesjährigen Reifenmesse an Zahlen zur Absatzentwicklung im deutschen Ersatzgeschäft an die Wand geworfen hat. Nach 3,2 und 3,6 Millionen Einheiten 2011 und 2012 wurde dabei der Ganzjahresreifenmarkt hierzulande für die Jahre 2013 bis 2015 angefangen bei 4,2 über 4,7 bis hin zu zuletzt 5,4 Millionen gesehen. Im Mittel über die fünf Jahre errechnet sich daraus mithin ein Wachstum von durchschnittlich 14 Prozent, wobei der „Sprung“ von 2014 auf 2015 schon 15 Prozent entspricht. Zurück zu den im Google-Trend-Datenbestand festgehaltenen Suchanfragen nach Ganzjahresreifen ergibt sich im direkten Vergleich der Monate Januar bis einschließlich Juli jeweils für 2015 und 2016 nach Berechnungen der NEUE REIFENZEITUNG ein in diesem Jahr zu erwartendes Absatzplus, das mit rund 18 Prozent beinahe schon an der 20-Prozent-Marke kratzt.
Letztere käme bezogen aufs Gesamtjahr mithin also knapp 6,5 Millionen im deutschen Ersatzgeschäft abgesetzten Ganzjahresreifen gleich. Nicht unwahrscheinlich, wenn man gleichzeitig weiß, dass der Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie (WdK) in seinem monatlich aktualisierten Panel zum Sell-out kumuliert für die ersten sieben Monate dieses Jahres ein Plus von bisher etwa 24 Prozent für Pkw-Ganzjahresreifen ausweist. Da die Wahrheit ja bekanntlich immer irgendwo in der Mitte (und damit zwischen 18 und 24 Prozent) liegt, ist ein mögliches Plus von 20 Prozent auf 6,5 Einheiten jedenfalls nicht einfach so als völlig unrealistisch von der Hand zu weisen. „Der Siegeszug von Ganzjahresreifen ist nicht zu stoppen“, meint jedenfalls Wolfgang Alfs, Geschäftsführer der ABH Market Research GmbH, deren 100-prozentige Tochter BBE Automotive ist. Und ob man es nun mag oder nicht: Die bisher zum Markt verfügbaren Zahlen und die Google-Daten zur Entwicklung des Verbraucherinteresses an diesem Produktsegment scheinen diese These zu stützen. christian.marx@reifenpresse.de
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