Ende des Booms bei Geländewagen (noch?) nicht abzusehen

In den zurückliegenden Jahren sind die Verkaufszahlen von Geländewagen oder besser gesagt SUVs (Sport Utility Vehicles) und mit ihnen der Absatz entsprechender Bereifungen in Deutschland und Europa beständig gestiegen. Doch was ist angesichts der anhaltenden Umweltdiskussionen (Feinstaub, Kohlendioxidemissionen) für die Zukunft dieses Marktsegments zu erwarten? Schließlich gehören die großen 4×4-Fahrzeuge nicht gerade zu den Musterschülern in Sachen Treibstoffverbrauch. Und was ist mit solchen Trends wie Notlaufreifen? Halten die Runflats nun auch Einzug bei den SUVs?

Seit Jahren gehört vor allem das Marktsegment der Geländewagen zu den Gewinnern in der deutschen Neuzulassungsstatistik. Auch das abgelaufene Jahr 2006 bildet diesbezüglich keine Ausnahme. Alles in allem 225.000 hierzulande neu in den Verkehr gebrachte SUVs entsprechen einem erneuten Zuwachs um 16,5 Prozent. Zwar lässt sich derzeit noch nicht absehen, wie sich die Diskussion rund um die globale Erwärmung, welche allgemein der starken Nutzung fossiler Brennstoffe durch den Menschen und dem damit verursachten Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid zugeschrieben wird, auf die weitere Entwicklung der Zulassungen in diesem Marktsegment haben wird. Allerdings könnte sich die aufgeheizte Debatte um die Kohlendioxidbelastungen durch den Individualverkehr im Allgemeinen und den Beitrag hubraumstarker „Stinker“ im Besonderen durchaus auch negativ auf die Zulassungszahlen kommender Jahre auswirken.

Denn in der Regel gehören Geländewagen bzw. SUVs nicht gerade zu den Musterknaben in Sachen Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen. Aber wen wundert’s. Die Autos, die geländegängig aussehen, es vielfach jedoch in nur eingeschränktem Maße tatsächlich auch sind, schleppen aufgrund ihrer üppigen Dimensionen halt jede Menge mehr Gewicht mit sich herum, als beispielsweise ein Fox (CO2-Emissionen je nach Motorisierung 143 bzw. 159 Gramm pro Kilometer) aus dem Hause Volkswagen. So weit, so schlecht. Schlimmer noch: Wenn sich der Endverbraucher nun schon einen wuchtigen Geländewagen anschafft, um damit die ordinäre Familienkutsche oder den Kleinwagen seines Nachbarn alt aussehen zu lassen, dann will er sich beim nächsten Ampelstart aber schon gar nicht von einer weitaus kompakteren Blechbüchse verheizen lassen.

Das hohe Gewicht der SUVs – meist noch ausgestattet mit viel Zubehör, was das Fahren noch angenehmer bzw. komfortabler macht und den Neidfaktor des Nachbarn noch weiter erhöht – muss schließlich mithilfe einer höheren Motorleistung wieder kompensiert werden. Wenn dann die Ehefrau des wohlsituierten Anwalts oder Steuerberaters morgens auf dem Weg, den Nachwuchs zum vielleicht ein Kilometer entfernten Kindergarten zu bringen, beim örtlichen Tankwart vorbeifährt, kann der sich schon mal die Hände reiben. Denn was so eine Dreilitermaschine nach dem Kaltstart und bei Kurzstreckenfahrten durch die Kraftstoffleitung saugt, ist nicht ohne und hat nicht mehr viel mit den mittlerweile zu den in allen Verkaufsprospekten enthaltenen Standardangaben in Sachen Verbrauch zu tun.

Mit diesem Beispiel verfolgen wir nicht das Ziel, Ehefrauen der genannten Berufsgruppen zu diffamieren oder das Fahren von Geländewagen verteufeln zu wollen. Es soll nur zeigen wie sinnlos beispielsweise eine CO2-Strafsteuer wäre. Und dass es zweifelfrei besser wäre, aus Gründen des Umweltschutzes, aber auch für die eigene Gesundheit öfter mal wieder das Fahrrad zu benutzen oder vielleicht sogar zu Fuß zu gehen, weiß heute wohl jeder. Allein über den verstärkten Griff in die Geldbörse dem Menschen die Bequemlichkeit austreiben zu wollen, dürfte – zumindest bei den in der Regel zu den Besserverdienern gehörenden Besitzern von Geländewagen – aber nicht ganz einfach und zudem nicht nebenwirkungsfrei zu erreichen sein. Dazu braucht man sich nur einmal vor Augen zu führen, dass die deutsche Automobilindustrie vor allem bei den hochwertigen Fahrzeugen eine hohe Reputation hat, an die zahlreiche Arbeitsplätze in diesem Land gekoppelt sind.

Zu den Profiteuren des SUV-Booms gehört beispielsweise auch das Reifenbusiness. Das gilt zum einen nicht nur für die Industrie, die für den Erstausrüstungsbedarf solcher Fahrzeuge wie BMW X3 und X5, die M-Klasse von Mercedes, Volkswagen Touareg, Audi Q7 oder Porsche Cayenne höherwertige High-Performance-Pneus ans Band liefert. Schließlich muss der Bestand dieser Fahrzeuggruppe in Deutschland im Ersatzgeschäft ebenso mit Reifen bedient werden können. Zum Stichtag 31. Dezember weist die offizielle Statistik des Kraftfahrtbundesamtes immerhin gut zwei Millionen Autos mit Allradantrieb aus, die wohl am ehesten der Kategorie Geländewagen zuzuordnen sind, obwohl es auch Modelle in SUV-Optik mit nur einer angetriebenen Achse gibt.

Daher wundert es nicht, dass im Zuge der steigenden Beliebtheit dieser Fahrzeugkategorie, im Reifenhandel gleichzeitig der Absatz von 4×4-Bereifungen Jahr für Jahr deutlich zu gelegt hat. Wurden beispielsweise noch vor fünf Jahren etwa 800.000 Reifen für Geländewagen abgesetzt, so waren es im zurückliegenden Jahr bereits rund 1,4 Millionen. Und die meisten Reifenhersteller gehen in ihren Prognosen – Diskussionen um Klimawandel durch Kohlendioxid hin oder her – von einem weiteren Wachstum dieses Marktsegmentes aus. Schließlich hat auch die mindestens ebenso hitzig geführte Feinstaubdebatte rund um die damals als „Dieselpanzer“ beschimpften 4×4- bzw. SUV-Fahrzeuge nicht viel an deren Beliebtheit geändert.

Für Wachstum im Ersatzgeschäft mit Reifen für diese Fahrzeuggattung hat in den vergangenen Jahren – wie bei den „normalen“ Pkw übrigens auch – vor allem die steigende Nachfrage nach Winterreifen geführt. Impulse dafür lieferte sicherlich nicht zuletzt die geänderte Straßenverkehrsordnung (StVO), die nun – wie allseits bekannt sein dürfte – die Verwendung einer an die Witterung angepassten Bereifung bei Kraftfahrzeugen vorschreibt. Der geänderte StVO-Paragraf ist bei weiten Teilen der Verbraucher nämlich quasi als „Winterreifenpflicht“ angekommen, auch wenn es die de facto nach wie vor nicht gibt. Aber auch schon vor der StVO-Novelle hatten Reifenhersteller, Verbände und der Handel Aufklärungsarbeit betrieben, um den Fahrern von Geländewagen klar zu machen, dass die Reifen ihres fahrbaren Untersatzes zwar eine grobe Profilierung und wahrscheinlich gleichzeitig eine M+S-Markierung aufweisen, dass zu einem „richtigen“ Winterreifen aber noch mehr gehört.

Die Botschaft scheint angekommen zu sein – so jedenfalls lassen sich die im Ersatzgeschäft erzielten Zuwachsraten speziell bei 4×4-Winterreifen interpretieren. Konnte der Absatz von Geländewagenreifen für den Sommereinsatz 2006 schon um gut sechs Prozent zulegen, so waren es bei den entsprechenden Pendants für die Verwendung auf winterlichen Straßen über 30 Prozent mehr. Zumal ohnehin festgehalten werden muss, dass nach wie vor nur die wenigsten Geländewagen bzw. SUVs tatsächlich jemals abseits befestigter Wege gefahren werden. Experten gehen davon auf, dass höchstens vier Prozent aller Fahrzeuge der genannten Art wirklich einmal ernsthaft ihre Geländegängigkeit unter Beweis stellen müssen. So verwundert es nicht wirklich, dass verstärkt Fahrzeuge in 4×4-Optik im Markt auftauchen, die aber trotzdem nur eine angetriebene Achse aufweisen.

Zudem gibt es Autos, bei denen die zweite Achse zwecks erhöhtem Vortrieb zwar zugeschaltet werden kann, deren Anbieter aber mitunter selbst sagen, dass Geländegängigkeit nicht eines der vorrangigen Ziele bei der Entwicklung des Autos war. Ein weiterer Trend sind Notlaufreifen für Geländewagen, wenngleich – wie bei den „normalen“ Pkw auch – bislang einzig Hersteller BMW gewillt zu sein scheint, diese Technologie konsequent im Markt durchzusetzen. Der neue X5 ist zumindest das bis dato einzige SUV, das serienmäßig auf Runflats vom Band läuft. So sind denn auch nennenswerte Absatzzahlen im Ersatzgeschäft in diesem Segment frühestens zur kommenden Wintersaison zu erwarten, wenn die Besitzer entsprechender Fahrzeuge ihre Autos auf „echte“ M+S-Pneus stellen wollen.

Aber selbst wenn ein Run auf diese Technologie bei 4×4-Fahrzeugen ausbleiben sollte, bietet das Marktsegment der 4×4- bzw. SUV-Reifen dennoch interessante Perspektiven. Schließlich sind die Fahrer solcher Wagen in höherem Maße als etwa der Kleinwagenbesitzer an Image und Aussehen seines Vehikels interessiert. Und dass sich diese Klientel nicht gerade aus den einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten rekrutiert, dürfte ebenso klar sein. Damit bieten sich dem Handel hier interessante Umsatz- und Ertragschancen – und das unter Umständen nicht nur in Sachen Reifen, sondern vielleicht auch bei schicken Leichtmetallrädern oder sonstigem Zubehör.

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