Preisdruck im Motorradreifengeschäft verschärft sich
Seit einigen Jahren kennen der Motorradabsatz und mit ihm die Verkaufszahlen von Motorradreifen nur eine Richtung: abwärts. Als Folge des schrumpfenden Marktes nimmt der Wettbewerb an Intensität zu. Die etablierten Reifenhersteller im deutschen Motorradreifengeschäft „kämpfen“ vor diesem Hintergrund verständlicherweise um ihre Position im Markt. Aber nicht nur das sorgt dafür, dass die Preise für Motorradreifen hierzulande immer stärker unter Druck geraten. Auch der Vertriebsweg Internet leistet mit seiner Preistransparenz ein Übriges.
Trotz eines „Endspurtes“ bei den Neuzulassungen von Krafträdern während der letzten vier Monate des vergangenen Jahres, während der laut offizieller Statistik des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) durchgängig Zuwächse zwischen drei und 27 Prozent im Vergleich zu den jeweiligen Vergleichsmonaten 2004 erreicht wurden, konnte das bis dahin bereits aufgelaufene Minus im Hinblick auf das Gesamtjahr 2005 letztendlich dennoch nicht mehr kompensiert werden. In einem gemessen an den Zulassungszahlen alles in allem um 1,5 Prozent gewachsenen Fahrzeuggesamtmarkt in Deutschland haben damit neben den „sonstigen Kraftfahrzeugen“, zu denen unter anderem vor allem die so genannten Quads zählen, und den Kraftfahrzeuganhängern mit einem Minus von 63 bzw. 1,8 Prozent vor allem die Krafträder erneut Federn lassen müssen. Die 189.264 neu in den Verkehr gebrachten Maschinen bedeuten ein 4,7-prozentiges Minus bezogen auf 2004.
Während im Januar 2005 der Absatz von Motorrädern mit einem Hubraum von mehr als 125 cm³ – ohne Leichtkraftroller, Leichtkrafträder und Kraftroller – insgesamt noch um 32,9 Prozent zum Vergleichsmonat 2004 hatte zulegen können, brach das traditionell verkaufsstarke Frühjahr zahlenmäßig ein: Laut den Daten des Industrie-Verbandes Motorrad e.V. (IVM) waren es schließlich 120.927 Motorräder, die 2005 verkauft wurden – 6.687 weniger als 2004 (127.614). Verloren haben die Segmente Sportler (minus 6,6 Prozent), Supersportler (minus neun Prozent), Chopper (minus 14,4 Prozent) und Tourer/Luxustourer (minus 6,8 Prozent). Demgegenüber konnte das so genannte „klassische Motorrad“ um gut 1,3 Prozent zulegen und wurde im Vorjahr 20.641-mal verkauft (2004: 20.370). Ein leichtes Wachstum wurde auch im Segment der Enduro- und Reiseenduros beobachtet, von 26.223 Fahrzeugen 2004 um knapp 0,7 Prozent auf 26.405 verkaufte Maschinen.
Dieser Kategorie zuzuordnen ist auch das beliebteste Motorrad Deutschlands im zurückliegenden Jahr. Denn wieder einmal konnte sich die BMW GS, für die sich 2005 6.919 Käufer entschieden, an die Spitze des Wettbewerbsfeldes setzen. Auf den Plätzen folgen Honda CBF 600 S und Suzuki GSF 650 Bandit, die 5.138-mal bzw. 4.120-mal verkauft wurden. Yamaha FZ 6 Fazer (3.307 Einheiten) auf Platz vier, Suzuki GSX-R 1000, Suzuki GSF 1200 Bandit, Honda CBR Fireblade, BMW K 1200 S, Kawasaki Z 750 und BMW R 1200 RT komplettieren die Top Ten der Deutschen. Bei den Kraftrollern gehörten der Suzuki AN 650 Burgman (1.085 Verkäufe) und die Vespa GTS 250 (799) sowie der Honda SH 125 (1.199) bei den Leichtkraftrollern zu den Rennern 2005. Zusammengefasst lässt sich jedoch sagen, dass die bei den Rollern beobachteten Zuwächse das Minus bei den Leichtkrafträdern und den „richtigen“ Motorrädern über 125 cm³ Hubraum nicht kompensieren konnten.
Zahlenspiele
Solcherlei Statistiken zu den Neufahrzeugen ließen in der Vergangenheit die im Geschäft mit Motorradreifen aktiven Hersteller und Händler noch mehr oder weniger kalt. Denn der Bestand an motorisierten Zweirädern und damit die Zahl der Fahrzeuge, die potenziell mit Pneus ausgerüstet werden müssen, erreichte trotz allem immer neue Höchststände. Allerdings gingen hierzulande dennoch die Verkaufszahlen an Motorradreifen in den vergangenen Jahren – wenn auch bisher meist nicht ganz so stark wie im Vergleich dazu die Zahl der neu zugelassenen Maschinen – beständig zurück. Das Jahr 2005 bildet dabei keine Ausnahme. Während in Westeuropa der Absatz von Motorradreifen leicht um knapp ein Prozent auf annähernd 5,7 Millionen Pneus zulegte, wurde im deutschen Markt ein Minus von nicht ganz vier Prozent auf knapp 1,2 Millionen Einheiten registriert. Dafür konnten hier wie dort etwa drei Prozent mehr Rollerreifen an den Mann bzw. die Frau gebracht werden, was in absoluten Stückzahlen gut 2,1 Millionen (Westeuropa) bzw. rund 180.000 (Deutschland) solcher Reifen entspricht.
„Der Reifenmarkt stagnierte 2005 bei 97 Prozent des Niveaus von 2004 beim Verkauf von Industrie in Richtung Handel“, fasst Andreas Faulstich, Marketing und Vertrieb Motorradreifen bei der Continental AG, zusammen. Bezüglich des Abverkaufes des Handels in Richtung Endverbraucher sei demgegenüber sogar ein Rückgang um rund zehn Prozent zu beobachten gewesen. Ein Grund für den rückläufigen Motorradreifenabsatz, den im Rückblick auf den Sommer 2005 sicherlich jedermann sofort vor Augen hat, dürfte in dem bescheidenen Wetter während der normalerweise wärmeren Monate des Jahres zu suchen sein. Da konnte sogar der ungewöhnlich schöne Spätherbst nicht mehr allzu viel Boden gutmachen helfen.
Dennoch ist dies als Ursache allein wohl zu kurz gegriffen. Denn schon seit Jahren sind zurückgehende Kilometerfahrleistungen (vgl. bereits NEUE REIFENZEITUNG 2/2005) der deutschen Motorradfahrer zu beobachten, obwohl doch nicht alle Jahre das Wetter der Branche so übel mitgespielt hat wie im gerade zu Ende gegangenen. Ein weiteres Problem ist, dass es in der klassischen Zielgruppe der jüngeren Fahrer offenbar nicht mehr „hip“ ist, sich aufs motorisierte Zweirad zu setzen. Allerdings scheint dies ein rein deutsches Phänomen zu sein. Denn der ehemals größte Motorradmarkt Europas ist mittlerweile von Italien überholt worden. „Südeuropa ist unverändert im Wachstum begriffen. Motorradfahren hat dort einen höheren Stellenwert als in Deutschland, die Altersstruktur im Süden ist mit mehr Einsteigern in das Hobby Motorradfahren deutlich unterschiedlich“, so Faulstich.
Geisterbeschwörung
Das hat auch der IVM längst erkannt und versucht, mit einer so genannten „Spirit Tour“ und dem Slogan „Viva La Mopped“ Jugendlichen den Spaß am Motorradfahren zu vermitteln. Gemäß der Gleichung „Mopped = Rock ’n’ Roll” werden im Rahmen dieser Aktion Rockkonzerte mit Informationen rund um das Thema Motorrad verquickt – weniger auf rationeller denn auf emotionaler Ebene. „Warum fährt man Mopped statt einfach möglichst bequem von A nach B zu kommen? Warum rockt man sich bei Konzerten im Moshpit halb um den Verstand, statt auf dem Sofa sitzend öffentlich-rechtlichen Radiosendern zu lauschen? Weil man muss? Weil es das bequemste ist? Nein, weil’s verdammt noch mal geil ist! Das ist Rock ’n’ Roll – deshalb gehören Motorrad fahren und die Mucke zusammen. Da können noch so viele Leute unken“, kann man jedenfalls unter www.spirittour.de nachlesen. Mit solchen Statements soll der Geist von Rebellion, für den Rock ’n’ Roll und Motorradfahren einmal gestanden haben, wieder heraufbeschworen werden. Ob das mit solcherlei Aktionen, die ein bisschen was von Voodoozauber an sich haben, gelingen kann, muss sich erst noch zeigen.
Fragezeichen sollten allerdings erlaubt sein. Denn einerseits ist das Durchschnittsalter des deutschen Motorradfahrers heute bis in eine Region vorgestoßen, die es Jugendlichen – den 45-jährigen Nachbarn mit seiner BMW GS vor Augen – nicht ganz einfach machen, Motorrad und die Rebellion gegen das Establishment miteinander in Einklang zu bringen. Andererseits haben die Jugendlichen von heute so viele Arten von Freizeitaktivitäten zur Auswahl, dass das Motorrad trotz des zusätzlichen Reizfaktors im Form von Musik bzw. Konzerten neben Handy, Spielkonsolen oder Internet-Chat eben doch nur eine der möglichen Optionen darstellt. Zudem gilt es den jahrelangen Einfluss von Tageszeitungsberichten nicht zu unterschätzen, wo so mancher Artikel mit der Titelzeile „Motorradfahrer rast in den Tod“ dem Vorurteil Vorschub leistete, Motorradfahrer seien grundsätzlich und ausnahmslos Raser und verursachen andauernd schwere Unfälle.
Dass fürsorgliche Eltern vor diesem Hintergrund nicht gerade bestrebt sind, ihren Nachwuchs zum Motorradfahren zu ermuntern, sollte einleuchten. Hier wirkt eine emotionale Herangehensweise an das Thema also eher bremsend. Dummerweise haben aber gerade die Motorradhersteller in den zurückliegenden Jahren vor allem ihre leistungsstärksten Topmodelle in den Vordergrund zu rücken gewusst. Und noch mehr Leistung und eine höhere Endgeschwindigkeit als die Maschine des Wettbewerbers scheinen im Lastenheft jeder Neuentwicklung an allererster Stelle zu stehen. Damit haben die Fahrzeughersteller – bewusst bzw. gewollt oder nicht – mit an der Verfestigung bestehender Vorurteile gearbeitet. Setzt man sich jedoch eher sachlich mit der Materie auseinander, muss festgehalten werden, dass viele Unfälle eben nicht vom Motorradfahrer verschuldet werden, sondern vom jeweils beteiligten Unfallgegner, und überhöhte Geschwindigkeit ist auch nicht immer ursächlich für eine Kollision.
Reifentrends
Um Missverständnissen vorzubeugen: Dies sollte nicht als Aufforderung zum Rasen oder zur Missachtung der Straßenverkehrsordnung aufgefasst werden – weder vonseiten der Motorradfahrer noch bezogen auf alle anderen Verkehrsteilnehmer. Es zeigt aber, gegen was für ein vorwiegend negatives Image in der Öffentlichkeit die Zweiradbranche im Allgemeinen bzw. der IVM mit seiner „Spirit Tour“ im Besonderen anzukämpfen hat. „Die Masse findet halt Mopped doof. Daran hat sich in den letzten Jahrzehnten nichts geändert. Und so wie es aussieht, wird genau das auch so bleiben“, so jedenfalls die Erkenntnis der Macher hinter der Aktion. So gesehen, könnte das mit der Rebellion ja eventuell doch nicht ganz so weit hergeholt sein. Vielleicht spielen jedoch wirtschaftliche Faktoren ebenso eine Rolle für die beobachtete Entwicklung: Angesichts steigender Steuern und Abgaben sowie hoher Energie- und Spritpreise bleibt einfach weniger Geld für das Hobby Motorrad. Nicht umsonst legen die Reifenhersteller sogar bei ihren supersportlichen Reifen in jüngster Vergangenheit zunehmend gesteigerten Wert auf immer höhere Kilometerlaufleistungen.
Beispielhaft genannt seien in diesem Zusammenhang die jüngsten Kreationen in Form der Reifenmodelle „Qualifier“ bzw. „Sportec M3“ aus dem Hause Dunlop und Metzeler, die wir Ende des vergangenen Jahres bereits ausführlich vorgestellt haben (vgl. NEUE REIFENZEITUNG 11/2005 bzw. 12/2005). Das sind allerdings nicht die einzigen Motorradreifeneuheiten für die bald anlaufende Saison. Allein Dunlop hat für dieses Jahr eine wahre Produktoffensive in diesem Marktsegment angekündigt, sodass man gespannt sein darf, was der Hersteller neben dem „Qualifier“ noch alles aus dem Hut zaubern wird. Und Metzeler/Pirelli oder Bridgestone begnügen sich gleichfalls nicht mit nur einem neuen Pneu für das Jahr 2006. Zudem hat Michelin Neues für diese Saison angekündigt. So zum Beispiel den „Pilot Power 2CT“, der damit die Zweikomponentenmischungstechnologie (2CT = Two Compound Technology) von dem im letzten Jahr vorgestellten Michelin „Power Race“ geerbt hat – mehr dazu in einer der nächsten Ausgaben dieser Fachzeitschrift.
Vielleicht gelingt es den Franzosen dank des Newcomers in der diesjährigen Saison ja, den Wettbewerbern im deutschen Motorradreifengeschäft noch weitere Marktanteile abzujagen. Immerhin gehört Michelin neben der Marke Continental nach unseren Recherchen zu den Gewinnern der zurückliegenden Saison. Beide Hersteller konnten ihre Marktposition ausbauen, während sowohl Marktführer Bridgestone als auch die Nummer zwei Metzeler leicht Federn lassen mussten. „Wir haben das uns erwartete Ziel von zehn Prozent Marktanteil nach WdK mit 9,7 Prozent knapp erreicht“, meint Andreas Faulstich von Conti. Dies bedeute für den Hersteller eine Steigerung um ca. 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Absatzzahlen von Motorradreifen der beiden anderen Marken Dunlop und Pirelli, die von größerer Bedeutung im deutschen Markt sind, entwickelten sich demgegenüber parallel zum im Gesamtmarkt zu beobachtenden Trend. Das bedeutet aber nichts anderes, als dass in Bezug auf die Marktanteilszahlen hier mehr oder weniger alles beim Alten geblieben ist.
Weiteres Wachstum im Marksegment Motorradreifen hat man sich auch für dieses Jahr bei Continental vorgenommen. „Ziel für Deutschland ist ein Marktanteil von zwölf Prozent in einem sinkenden Gesamtmarkt – europaweit sieben Prozent in einem insgesamt stagnierenden Markt“, sagt Faulstich, der für die in der zurückliegenden Saison erzielten Erfolge die Sport- bzw. Sporttouringreifen „SportAttack“ und „RoadAttack“ als Hauptwachstumsträger identifiziert. „Die haben in Tests hervorragend abgeschnitten und sind in einigen Leistungsmerkmalen durch patentierte Technologie deutlich besser als der Wettbewerb. Im Endurobereich sind wir mit dem ‚TKC 80’ sogar Marktführer in Deutschland“, präzisiert er. Weitere positive Impulse erwartet er von einer steigenden Markenbekanntheit Continentals durch das Engagement als Sponsor der Fußballweltmeisterschaft 2006 oder auch davon, dass der „Ausbau der Vertriebsstruktur in Südeuropa Früchte trägt“.
Preiskampf
Zudem wolle man das Erstausrüstungsengagement bei Yamaha in Spanien, Piaggio und BMW weiter ausbauen, wovon sich der Marketing- und Vertriebsmanager einen zusätzlichen Imagezuwachs sowie Nachkaufeffekte verspricht. Des Weiteren habe man in Wolfgang Zeyen einen engagierten Mitarbeiter als Koordinator für Sport- und Presseaktivitäten gefunden, der – so Faulstich – „unsere Ziele im Bereich Radialmotorradreifen und dem prestigeträchtigen Sportbereich auf Strecke und Straße weiter voranbringt“. Ohne das seit einigen Jahren wieder erstarkte Engagement des Herstellers im Motorradmarkt herabwürdigen oder die bisher erreichten Erfolge schmälern zu wollen, sollte allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass die zunehmende Beliebtheit von Conti-Reifen unter den Motorradfahrern neben solchen Dingen wie dem Markenimage oder den Produktqualitäten noch einen weiteren Grund hat: deren vergleichsweise günstigen Preis. So etwas sagt natürlich kein Hersteller über die eigenen Produkte, ist aber nichtsdestoweniger im Gespräch mit dem Handel bzw. Großhandel immer wieder zu hören.
Zudem zeigt die Recherche bei einigen der bekannteren und größeren B2C-Onlineshops mehr oder weniger das gleiche Bild. Ermittelt haben wir dazu Ende Januar für fünf Maschinen aus den Topten der deutschen Zulassungsstatistik, für die je abgefragtem Shop und Fahrzeug gleichzeitig jeweils mindestens ein Angebot für Vorder- und Hinterrad von allen sechs führenden Motorradreifenmarken vorliegen musste, die Endverbraucherpreise der gefundenen Reifenpaarungen. Dabei zeigte sich, dass Dunlop-Reifen im Durchschnitt am teuersten vermarktet werden. Zu einem im Mittel vier Prozent günstigeren Preis lassen sich unserer Erhebung nach Motorräder mit Michelin- oder Pirelli-Pneus ausrüsten, während sowohl Metzeler- und auch Bridgestone-Reifen um die zehn Prozent billiger angeboten werden als Dunlop-Reifenpaarungen. Dahinter rangiert dann die Marke Conti mit einer Differenz von 15 Prozent zum Spitzenreiter dieses Vergleiches.
Und auch die Motorradfachzeitschrift „MO“, die in Form des „ForceMax“ ein Conti-Produkt vor rund zwei Jahren zum Tipp gekürt hatte, nannte diesen Reifen einen „Alleskönner und preisliches Schnäppchen“. Ein günstiger Preis oder vielleicht besser ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis muss ja allerdings nichts Schlechtes sein – zumal in Zeiten, in denen auch der Motorradfahrer den Euro zweimal umdreht, bevor er in einen neuen Satz Reifen für seine Maschine investiert. „Uns hat sogar schon einmal ein Kunde, der bei uns einen Hinterradreifen geordert hat, gesagt, dass er den passend dazu benötigten Vorderradreifen lieber bei einem anderen Shop kauft, weil der den gleichen Reifen zwei oder drei Euro günstiger anzubieten hat“, erzählt beispielsweise Konrad Markus, Inhaber von myNETmoto.com, im Gespräch mit dieser Zeitschrift.
Die „Geiz-ist-geil“-Mentalität ist damit scheinbar dabei, sich stärker als bisher weiter in Richtung Motorradreifengeschäft auszudehnen. Und diese Entwicklung wird aller Wahrscheinlichkeit nach zudem durch den „Kampf“ der Hersteller um Marktanteile in einem anhaltend schrumpfenden Gesamtmarkt nur noch weiter angeheizt. Wohl bekannt in der Branche sind so unter anderem die Bonuscouponaktionen des Herstellers Metzeler/Pirelli, der Jahr für Jahr Kunden damit locken will, dass Käufer eines bestimmten Reifensatzes in Genuss von Zusatzleistungen kommen. So waren darunter bereits Abos von Motorradzeitschriften, Teilabschläge auf den Reifenpreis oder Warengutscheine eines Aktionspartners. So kann es nicht wirklich verwundern, dass Motorradfahrern, die zwischen dem 1. April und dem 31. August einen Satz „Sportec M-1“ und „Lasertec“ kaufen, in diesem Jahr wieder mit einem Zehn-Euro-Warengutschein von Aral belohnt werden. Der Kunde muss lediglich seine Reifenrechnung zusammen mit einem im Reifenhandel, auf Messen, bei Motorrad-Events oder per Internet-Download erhältlichen Aktionscoupon an Metzeler schicken – der Aral-Warengutschein kommt dann direkt ins Haus.
Solche bzw. vergleichbare Aktionen anderer Hersteller zeugen von nichts anderem als davon, dass sich der Preiskampf auch im Motorradreifengeschäft verschärft – selbst wenn man vielleicht noch weit entfernt ist von Zuständen wie bei Pkw-Reifen. Motorisierte Zweiräder sind trotz allem noch nicht wieder auf dem Weg zum einfachen, wendigen und kostengünstigen Transportmittel von A nach B wie noch Mitte der 50er Jahren, wo dies zu einem ersten Hoch in den Motorradbestandszahlen geführt hatte. Die letzte Boomphase steigender Neuzulassungen Ende der 90er Jahre war eher davon geprägt, dass immer mehr Käufer das Motorradfahren als Hobby entdeckten. Aber man weiß ja nie, vielleicht kehrt sich das Ganze angesichts verstopfter Innenstädte und steigender Kraftstoffkosten irgendwann wieder um. Würden die Motorradhersteller mehr auf dazu passende alltagstaugliche und vor allem für Einsteiger erschwingliche Maschinen setzen statt mit Leistung und Endgeschwindigkeiten bis zum Abwinken zu protzen, wäre ein neuerlicher Boom möglicherweise vorstellbar.
Vertriebswege
Ob dies den im Motorradreifengeschäft Aktiven recht wäre, ist eine ganz andere Frage. Denn für ihre Freizeitbeschäftigung sind die Verbraucher nun einmal bekanntermaßen bereit, tendenziell eher Geld auszugeben als für den tagtäglichen Bedarf. Bezogen auf die Reifenstückzahlen wäre durch eine Wiederentdeckung des Motorrades als reines Fortbewegungsmittel auf breiter Basis also möglicherweise wieder ein Wachstum auf Stückzahlenebene vorstellbar, allerdings würde der Druck auf die Preise vermutlich nur noch weiter zunehmen, weil dann mehr und mehr Kunden halt einfach nur noch etwas schwarzes Rundes für ihre Maschine nachfragen würden. Dem Handel treibt jedenfalls schon heute zudem der zunehmende Druck auf die Marge im Motorradreifengeschäft die Sorgenfalten ins Gesicht. Denn Endverbraucherpreise, die mitunter unter dem Einkaufspreis des Handels liegen, sind keine Seltenheit mehr.
Als ein Beispiel dafür sei hier nur ein Posting im Forum auf den Internetseiten der NEUE REIFENZEITUNG genannt, wo ein User seinem Ärger über einen Mailorderanbieter von Reifen Luft macht, der „arg aggressiv“ nun auch Metzeler- und Bridgestone-Motorradreifen anbiete. „Fast zehn KB-Punkte besser als mein EK“, wundert er sich. „Die Hersteller testen neue Vertriebswege und machen auch vor dem Internet nicht halt. So verärgert gerade aktuell einer der größten Hersteller sowohl seine Großhandelspartner als auch die Reifenhändler, indem er Endverbraucher, die im Internet Reifen gekauft haben, direkt beliefert“, weiß auch der Inhaber von myNETmoto.com zu erzählen. „Wir setzen klar auf das Konzept der Vermarktung unserer Reifen über den Reifengroß- und -einzelhandel. Es gibt keine Aktivitäten in Sachen Direktvermarktung via Internet, weil dies das betreuungsintensive Geschäft des Motorradreifenhandels ad absurdum führt“, macht Andreas Faulstich den Standpunkt Continentals diesbezüglich klar. Der Reifenfachhandel sollte also klar im Vorteil sein gegenüber anderen Vermarktern von Motorradreifen. Stimmt das wirklich?
Zumindest Konrad Markus meldet Zweifel an dieser Sichtweise an. „Der Motorradreifenmarkt ist eng an den Motorradmarkt gekoppelt. Da der Motorradreifen jedoch ein Nischenprodukt im Vergleich zum Autoreifen ist und zudem noch wesentlich komplizierter und vielfältiger, tun sich die meisten Reifenhändler schwer damit, diese professionell zu vermarkten und dabei noch Geld zu verdienen“, sagt er. Durch die vielen Spezifikationen in Deutschland überforderten die Hersteller nicht nur den Motorradfahrer, sondern auch ihre Händler. Beim Motorrad kommen zig weitere Unterteilungen Sport, Supersport, Touring, Supermoto, Enduro, Cross usw. hinzu – von den Zusatzkennungen ganz zu schweigen. Diese Kompetenz hat kein Händler bzw. will er auch nicht. Es lohnt sich einfach nicht, zumal auch noch der Faktor x4 vom Auto fehlt“, sagt er. Aus diesem Grund sei der Motorradfahrer auf sich selber angewiesen, um sich die gewünschten Informationen zu besorgen. „Und das geht am einfachsten im Internet über Motorradseiten, Foren usw. Wenn er dann den Reifen noch günstig online bestellen kann, fehlt dem Kunden nur noch jemand, der ihm den Reifen montiert. Dies machen viele Biker selber oder gehen zu Reifenhändlern, die oft auch noch die Räder nicht selbst ausbauen dürfen, und lassen sich den Reifen schnell aufziehen und wuchten“, so Markus.
Vor diesem Hintergrund bezweifelt er, dass der Reifenhandel in diesem Marktsegment Umsatzsteigerungen zu verzeichnen hat. Ganz im Gegensatz zu der Plattform myNETmoto, die seinen Worten zufolge im zurückliegenden Jahr eine Umsatzverdoppelung im siebenstelligen Bereich erzielen konnte. „2006 wird erneut mit mindestens einer Umsatzverdoppelung gerechnet. Wir werden verstärkt international tätig werden, da Landesgrenzen für den Internethandel fast keine Bedeutung mehr haben. 2006 werden wir unsere Kunden und die unserer Partner Polo und Hein Gericke, die sich mit ihrem Motorrad registriert haben, über alle Neuerungen bezüglich Reifen auf dem Laufenden halten“, erklärt Markus. Sobald es einen neuen Reifen oder eine Freigabe gebe oder der zuletzt gekaufte Reifen nicht mehr aktuell ist, werde der Kunde per Mail informiert. „Wir verfügen dann über eine der größten Motorradfahrerkundendatenbanken. Diese wird auch für alle Motorradreifenhersteller von großem Interesse sein, zumal sie herstellerunabhängig ist“, ist er überzeugt.
B2B
Dies zu hören, dürfte im Reifenhandel nicht gerade zu Jubel und Begeisterungsstürmen führen. Denn das Geschäft Business to Consumer (B2C, Handel an Verbraucher) gilt in weiten Kreisen schon heute schlechthin als die Wurzel allen Übels. „Die Vertriebskanäle verlagern sich in Richtung Internet. Es hat durch die Preistransparenz, eine Konsolidierung der Preise stattgefunden“, stellt Markus nüchtern fest, und er ist sich sicher, dass der Trend – zumindest im Motorradreifengeschäft – weiter in Richtung Internet gehen wird. „Der Handel ist auch nicht mehr gewillt, sich bei der Vielfalt an unterschiedlichen Motorradreifen damit das Lager zu füllen“, ist ein weiteres seiner Argumente. Braucht der Handel allerdings gar nicht, denn durch Großhändler wie Krupp, Straub, Hohl, SW-Reifenhandel usw. beziehungsweise deren Onlineshops für die Handelspartner oder andere B2B-Portale (Business to Business) für die Reifenbeschaffung lassen sich im eigenen Bestand fehlende Reifen in aller Regel innerhalb von 24 Stunden besorgen.
Nicht verwunderlich ist daher, dass rückläufige Verkaufszahlen wie sie im Endverbrauchergeschäft mit Motorradreifen beobachtet werden für den auf dieses Marktsegment spezialisierten Großhändler SW-Reifenhandel (Schweinfurt) kein Thema sind. Wie das Unternehmen selbst mitteilt, habe man sowohl 2004 als auch 2005 bezüglich der eigenen Absatzzahlen jeweils eine „exorbitante Steigerung“ verzeichnen können, wobei die Schweinfurter als Gründe dafür ihre internationalen Beziehungen und eine treue Kundschaft anführen. „Wir sind auch sehr zuversichtlich, dass sich dieser Trend im Jahr 2006 fortsetzt“, so SW gegenüber der NEUE REIFENZEITUNG. Auch die Zweiradbereifung Hohl GmbH (siehe den separaten Beitrag in dieser Rubrik) konnte in der Vergangenheit Jahr für Jahr weiter wachsen.
Fazit
Was von solchem Wachstum im Großhandel letztendlich beim Absatz im Einzelhandel übrig bleibt wird man sehen. Angesichts der vielen Einflussfaktoren ist es äußerst schwierig, zum jetzigen Zeitpunkt eine Prognose für das diesjährige Motorradreifengeschäft abzugeben. Sicher scheint jedoch zu sein, dass der Preisdruck in diesem Segment anhalten wird, denn alle Hersteller wollen sich größere Stücke von einem kleiner werdenden Kuchen abschneiden. Und der Wettbewerber Internetversandhandel leistet sicherlich ein Übriges – wie die Erfolgsmeldungen von myNETmoto zeigen. Wer seine Motorradkunden wegen ein paar Euro mehr oder weniger nicht an diesen Vertriebskanal verlieren oder sogar neue für sich (wieder-)gewinnen will, muss mehr beherrschen als nur das Aufrufen immer niedrigerer Preise. Dagegen halten lässt sich vielmehr vor allem mit Kompetenz und Service beim Thema Motorradreifen – so nebenbei läuft das angesichts der Komplexität der Materie (Freigabeproblematik, Spezialkennungen etc.) allerdings nicht. Trotzdem kann das Engagement sich lohnen: Zufriedene Kunden sind schließlich gute Kunden, weil sie wiederkommen und für eine gute Beratung in aller Regel bereit sind, ein wenig mehr zu bezahlen. Und welcher Motorradfahrer nennt heute nicht gleichzeitig einen Pkw sein Eigen, der von Zeit zu Zeit neu bereift werden muss?
Schreiben Sie einen Kommentar
An Diskussionen teilnehmenHinterlassen Sie uns einen Kommentar!