„Roadtec 01“ soll Metzelers Position im Sporttouringsegment ausbauen helfen
Obwohl Metzelers „Roadtec Z8 Interact“ noch vergangenes Jahr den Tourenreifentest der Zeitschrift Motorrad für sich entscheiden konnte, wird seit Beginn dieses Jahres mit dem „Roadtec 01“ bereits ein Nachfolgemodell im Markt angeboten. Das Sporttouringsegment ist nach den Worten von Uberto Thun-Hohenstein – Senior Vice President der Business Unit Moto des Pirelli-Konzerns, zu dem die Marke Metzeler gehört – schließlich ein sehr wichtiges und weiter an Bedeutung gewinnendes im europäischen Motorradreifenmarkt. Denn einerseits steht es nach Angaben des Reifenherstellers für 38 Prozent des Gesamtmarktes, andererseits sei es in den zehn Jahren seit 2005 um gut 25 Prozent gewachsen, während die restlichen Segmente in Summe demnach „nur“ um knapp 18 Prozent zulegen konnten. „Mit dem ‚Roadtec 01’ wollen wir unsere Marktführerschaft bei Sporttouringreifen festigen bzw. weiter ausbauen“, erklärt Thun-Hohenstein. Ein in Tests bewährtes Produkt noch besser zu machen, war folglich die Herausforderung für die Entwicklungsingenieure beim „Roadtec 01“.
Dabei stand vor allem das laut Lucio Vesentini, Global Brand Manager Metzeler, bei Motorradfahrern „sehr wichtige Thema Sicherheit“ im Vordergrund. Deshalb soll der neue Reifen gegenüber seinem Vorgänger mit einem weiter verbesserten Grip bei allen Fahrbahnbedingungen, jedoch insbesondere bei Nässe aufwarten können. Aber zugelegt habe die Neuentwicklung außerdem in Bezug auf die Laufleistung, wobei Vesentini diesbezüglich von einem zehnprozentigen Plus spricht. Um bei alldem einerseits die Verwandtschaft mit dem bisherigen „Z8 Interact“ anzudeuten, andererseits die Entwicklungsschritte gegenüber ihm und allen anderen Vorgängermodellen der Marke im Sporttouringsegment wie etwa dem „ME Z4“ hervorzuheben, bei dem Metzeler erstmals einen Null-Grad-Stahlgürtel in einem Radialreifen verbaute, wurde hinsichtlich der Produktbezeichnung zwar der mit dem „Z6“ eingeführte Familiennamen „Roadtec“ beibehalten. Bei dem Neuen hat man nach „Z4“, „Z6“ und „Z8“ nun allerdings keine weiter ansteigende Buchstaben-Ziffern-Kombination gewählt.
Die stattdessen verwendete „01“ soll insofern so etwas wie eine „klare Trennlinie zur Vergangenheit“ markieren. Denn schließlich verändere sich auch das Sporttouringsegment selbst, argumentiert Vesentini, wobei Metzeler hier im Wesentlichen drei verschiedene Fahrertypen identifiziert hat: solche, die bei tendenziell kürzeren Ausritten mit ihrer Maschine ein wenig sportlicher unterwegs sein wollen, sowie die beiden anderen Ausprägungen, die ihr motorisiertes Zweirad eher im städtischen Umfeld bewegen oder eben tatsächlich auf lang ausgedehnte Touren gehen. Alle daraus resultierenden Anforderungen an einen Motorradreifen unter einen Hut zu bringen, wurde für das neue Modell angepeilt. Oder anders formuliert: Bezüglich des „magischen Dreiecks“ aus Fahrspaß, Laufleistung und vor allem Sicherheit wurde angestrebt, mit dem „Roadtec 01“ einen Kompromiss auf einem insgesamt höheren Niveau als bei dem angesichts seiner Testsiege diesbezüglich schon nicht unerfolgreichen Vorgänger zu erreichen. Gerade was den Sicherheitsaspekt angeht, habe dabei vor allem die Themen Haftung bei Nässe sowie auf Fahrbahnbelägen mit niedrigen Reibbeiwerten im Vordergrund gestanden, heißt es.
Die Laufflächenmischungen wurden Metzeler zufolge dazu an die Bedürfnisse der verschiedenen Kategorien von Motorradfahrern in Bezug auf Laufleistung und Grip angepasst. Beim Hinterradreifen kommt demnach eine Bi-Compound-Mischung mit 100 Prozent Silika an den Flanken sowie Silika und Ruß im Mittelbereich des Profils auf etwa 20 Prozent der gesamten Laufflächenbreite zum Einsatz. Der Vorderradreifen kommt demgegenüber nur mit einer Mischung (100 Prozent Silika) daher, um höchste Sicherheit vor allem beim Bremsen zu gewährleisten. Bei der Mischung setzt Metzeler/Pirelli auf eine Matrix von Polymeren unterschiedlicher molekularer Massen. Da solche mit einem höheren Gewicht die Stabilität beeinflussen und solche mit einem niedrigeren den Grip, erläutert Piero Misani, Chief Operating Officer sowie Forschungs- und Entwicklungsdirektor von Pirellis Geschäftsbereich Motorrad. Hinzu kämen noch sogenannte „liquid [flüssige] polymers“, die sich insbesondere bei geringeren Temperaturen bzw. nasser Fahrbahnoberfläche positiv auf die Reifeneigenschaften auswirken sollen.
Gleichzeitig setzte man beim Füllstoff auf Nanopartikel, um darüber eine besonders große Oberfläche der Teilchen in der Mischung zu erreichen und somit die über „X-Links“ realisierte Anbindung zwischen dem Silika und den Polymeren zu optimieren. Daraus resultiere letztlich ein Plus an Nassgriff und eine bessere thermische Stabilität bzw. ein Mehr an Hochgeschwindigkeitsstabilität und Laufleistung. „Aber die Mischung allein ist nicht alles. Das Profil wird immer wichtiger, um das alles zu unterstützen“, ergänzt Misani. Gerade mit abnehmendem Reibbeiwert der Fahrbahnoberfläche komme dem Profildesign eine immer größere Bedeutung zu, wenn es um ein Plus an Haftung geht. Vor diesem Hintergrund und da es beim Bremsen vorwiegend auf den Vorderreifen ankommt, während der Einfluss des Hinterradreifens eher beim Vortrieb daher nicht zuletzt auch in Sachen Laufleistung im Fokus steht, weisen beide beim „01“ unterschiedliche und auf ihre jeweiligen Aufgaben hin optimierte Profildesigns auf.
Zwar hat Metzeler seinem neuen Motorradreifen vorne wie hinten ein komplett neues Laufflächenprofil spendiert. Aber speziell der Vorderreifen besitzt Rillen, die mit Blick auf die Laufrichtung des Reifens schräger angeordnet sind. Zudem ist deren Abstand im Mittelbereich etwa nur halb so groß wie zur Schulter hin. Denn bei nasser Fahrbahn werden anders als bei Trockenheit große Schräglagenwinkel seltener erreicht. Beim Hinterradreifen ist das Ganze prinzipiell ähnlich, wenn sich auch der Abstand zwischen den Profilrillen von der Reifenmitte zur Schulter hin nicht ganz so stark ändert wie vorn. Mit dem jeweils gewählten Muster ist aber Misani zufolge noch ein weiterer Vorteil verbunden. „Dadurch ist eine andere Karkassauslegung möglich geworden, was sich wiederum in Form einer gleichmäßigeren Bodendruckverteilung auszahlt“, sagt er unter Verweis beispielsweise darauf, dass das Verhältnis von Positiv- zu Negativanteil des Profils am „01“-Vorderrad weniger stark variiert als beim „Z8-Interact“-Pendant und zudem im Mittel insgesamt deutlich größer ist.
Das hört sich in der Theorie alles recht vielversprechend an, und der dieser Tage erwartete aktuelle Motorrad-Tourenreifentest wird sicher eine erste Standortbestimmung ermöglichen, inwieweit Metzeler seine selbst gesteckten Entwicklungsziele hat erreichen können. Michael Müller – Vertriebs- und Marketingdirektor in Sachen Metzeler-/Pirelli-Motorradreifen mit Zuständigkeit für die Märkte in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Dänemark – ist unabhängig davon überzeugt, dass dem Unternehmen mit dem „Roadtec 01“ ein „großer Sprung“ gelungen ist. Darüber hinaus kann er außerdem bereits jetzt von einer „guten Nachfrage“ nach dem neuen Reifen berichten, den Pirelli in seinem Werk Breuberg im Odenwald produziert. An dem Standort, wo freilich auch Pkw-Reifen hergestellt werden, sind etwa 340 Mitarbeiter für den Bereich Motorrad zuständig, die eingeteilt in vier Teams nahezu das ganze Jahr über rund um die Uhr etwa 5.000 Reifen am Tag aus der Vulkanisationsform heben.
Nur zwei Wochen im Sommer sowie eine im Winter rund um die Weihnachtsfeiertage bzw. den Jahreswechsel steht die Motorradreifenproduktion in Breuberg still, sodass die Jahreskapazität bei um die 1,7 Millionen Einheiten liegt. Die kurzen Ruhephasen werden für grundlegende Wartungsarbeiten genutzt, während Erweiterungen durchaus im laufenden Betrieb stattfinden. So investiert Pirelli aktuell gerade in eine weitere Automatisierung der Motorradreifenfertigung vor Ort, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes zu sichern: Ist beim Rundgang durch die Fabrikhallen schon jetzt eine mit 25 Prozent weniger Arbeitskräften auskommende weitgehend automatisiere Produktionslinie zu sehen, soll bald schon eine weitere ihren Betrieb aufnehmen. Das Ganze erinnert irgendwie an das MIRS-Verfahren (Modular Integrated Robotized System), ist es letztlich aber nicht, sondern nur daran angelehnt. Der Reifenaufbau erfolgt allerdings ebenso komplett maschinell wie das direkte Extrudieren der Laufflächenmischung(en) auf die Karkasse. „Kostenkonkurrenzfähigkeit“ ist das Stichwort, mit dem der Hintergrund all dessen beschrieben wird.
Weniger benötigtem Personal aufgrund mehr Automatisierung trägt Pirelli demnach mit einer verringerten Zahl von Neueinstellungen Rechnung denn mit Entlassungen. Wobei sich im Zuge einer zunehmenden Technisierung der Fertigung außerdem die Anforderungen bezüglich der zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze steigert. Es gebe in Breuberg immer weniger Beschäftigte mit Spezialwissen, dafür aber immer mehr mit sogenannten „high skills“, also höher qualifizierte Mitarbeiter. Denn selbst wenn sie alle von außen schwarz und idealerweise rund sind – in Reifen im Allgemeinen und in Motorradreifen im Besonderen steckt viel Hightech und Know-how. Doch dieses Wissen ist wohl noch längst nicht in allen Köpfen angekommen. Insofern verwundert nicht, dass Motorrad- ebenso wie schon Pkw-Reifen und andere Produktgattungen unserer Branche zunehmend stärker über den Preis vermarktet werden. Kein Wunder also, wenn trotz aller Verbesserungen aufseiten der Leistungsfähigkeit der Produkte „Kostenkonkurrenzfähigkeit“ ein Thema ist bzw. sein muss. christian.marx@reifenpresse.de
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