Die Runderneuerung ist 100 Jahre alt
Ganz einig ist sich die Fachwelt nicht, doch man geht davon aus, dass im Jahr 1906 der Startschuss für die Reifenerneuerung fiel, und zwar in Deutschland; 1908 wird für England und China angegeben, 1917 für die USA. Die Runderneuerung hat also eine hundertjährige Geschichte, in deren Verlauf sich die Prozesse, Techniken und Sicherheitsvorschriften revolutionär entwickelten. Jüngste Änderung ist die letztmögliche Anpassung an die Vorschriften der UN-ECE-Regelungen R108 und R109 zum September 2006. Diese Bestimmungen machen für runderneuerte Reifen ähnliche Normen der Sicherheit und Qualitätskontrolle verbindlich wie sie für Neureifen gelten.
Fahren schon heute auf den Straßen der EU mehr als 50 Prozent der Lkw, Busse und Anhänger auf runderneuerten Reifen, gehen Experten davon aus, dass die Zahl durch die neuen Sicherheitsanforderungen noch steigt, heißt es in dazu von Kraiburg Austria. Dies komme natürlich den Herstellern von Qualitätsmaterial für die Reifenerneuerung wie eben Kraiburg zugute – doch in erster Linie der Umwelt, da weniger Rohstoffe verbraucht werden, weniger Energie bei der Herstellung notwendig ist und weniger Reifen verschwendet werden.
Der sorgsame Umgang mit Reifen ist heute wichtiger denn je. Neben den ökologischen Aspekten hat dies vor allem mit der Verknappung der Rohstoffe Kautschuk und Öl zu tun, zudem mit den gleichzeitig steigenden Preisen. Auch dieses Phänomen hat eine lange Geschichte. Seit im Jahr 1840 die Vulkanisation erfunden wurde, stieg der Verbrauch von Naturkautschuk so drastisch, dass 1882 der Plantagenanbau begann. Noch heute befinden sich die größten Plantagen in Thailand, Indonesien und Malaysia. Die Nachfrage blieb dennoch höher als das Angebot; jahrelang tüftelten Chemiker an der Herstellung von Synthesekautschuk. Die ersten Versuche stellten Forscher Ende des 18. Jahrhunderts an, doch erst 1926 hatte Professor Fritz Hofmann aus Deutschland Erfolg. Zwei Jahre später konnte dieser künstliche Kautschuk in der Reifenproduktion eingesetzt werden.
Ein Reifen besteht fast nur aus Produkten der Petrochemie: Neben Kautschuk sind dies hoch aktive Ruße, Chemikalien wie Beschleuniger, Ozonschutzmittel und Alterungsschutzmittel, zudem Paraffine, Wachse und Öle. Hätten das die Experten bereits Anfang des 19. Jahrhunderts gewusst, hätten sie sich gewiss viele schlaflose Nächte sparen können, in denen sie die Frage umtrieb, wie Kautschuk bei Hitze weniger klebrig werden könne und bei Kälte weniger brüchig. Doch in dieser Zeit, nur einige Jahrzehnte nach seiner Entdeckung, wurde das Material noch fast im Rohzustand belassen: 1768 gab es den ersten Gummischlauch, 1770 den ersten Radiergummi. 1832 konnten die ersten vulkanisierten Gummiüberzüge hergestellt werden, die nicht mehr klebten. Denn nun hatte man Schwefel in erhitztem Terpentinöl versetzt. Die Geburtsstunde der Vulkanisation selbst ist – wie so oft – einem Zufall, besser einem Missgeschick zu verdanken: Dem Amerikaner Charles Goodyear (1800-1860) fiel ein schwefelhaltiges Kautschukstück auf eine heiße Ofenplatte. Da es rauchte, warf er es rasch aus dem Fenster. Draußen entdeckte Goodyear den „Abfall“ wieder: Die hohe Temperatur hat gute Dienste geleistet. Das Kautschukstück war von einem plastischen in einen elastischen Zustand übergegangen. Seitdem taucht man Kautschuk also bei einer Temperatur von 150 Grad Celsius für mehrere Stunden in geschmolzenen Schwefel.
Mit Erfindung der Vulkanisation war der Grundstein für die Karriere des Reifens gelegt. Bald kamen Luftreifen auf den Markt, gefolgt von Hohlreifen und Schlauchreifen. 1904 war der erste profilierte Autoreifen im Angebot, 1908 das erste Allwetter-Profil. Knapp zwanzig Jahre später richtete sich das Augenmerk dann immer mehr auch auf den Unterbau: Ab 1923 verwendeten die Hersteller zusätzlich Cordgewebe sowie ab 1933 die Nylonfaser Rayon. Michelin stellte 1937 den ersten Niederquerschnittsreifen vor, Continental präsentierte 1943 die schlauchlosen Reifen, und 1946 rollten bereits Stahlgürtelreifen, also Radialreifen, auf zunächst französischen, dann internationalen Straßen.
Hohe Bedeutung der Reifenerneuerung
Um die Zeit des zweiten Weltkriegs erfuhr die Reifenerneuerung einen gewaltigen Boom. Natürlich waren Reparaturen auch in den drei Jahrzehnten vorher schon immer sehr gefragt, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die Neureifen sehr teuer waren und nur fünf- bis achttausend Kilometer schafften. Doch in den vierziger Jahren schossen überall Vulkanisieranstalten aus dem Boden (wobei die Reifenspezialisten damals vornehmlich in ihren Kellergeschossen erneuerten). Sie bearbeiteten alles, was mit Gummi zu tun hatte: Von Stiefeln angefangen bis hin zu Fahrrad-, Motorrad- und Kfz-Schläuchen sowie Reifen aller Art. Das Verfahren war im Vergleich zu heutigen Standards weit aufwändiger. Die Reparaturstelle wurde ausgefenstert, manchmal in Verbindung mit einer für den Reifen individuell geeigneten Manschette. Auf die ausgefensterte Stelle wurde dann ein unvulkanisiertes Kreuzpflaster angebracht.
Heißerneuerung: Englischer Pionier
Die größte technische Schwierigkeit war für die Runderneuerer bis zum ersten Einsatz einer Raumaschine 1937 das Abrauhen. In reiner Handarbeit rauten sie die Reparaturstellen zunächst mit einer Feile auf, danach wurde die Lauffläche dreimal per Hand mit einer Lösung behandelt. War diese trocken, wurde ein Streifen Gummiplatte aufgelegt, darüber kam ein schmalerer, zweiter Streifen. Zur besseren Klebung strichen die Handwerker dieses Konstrukt mit Benzol ein. Im Inneren des Reifens wurde ein stützender Federring gespannt. Umwickelt mit einer nassen Bandage ging es dann in die Wärmekammer. Vollformen, Heizer und Profile wurden bereits ab 1931 eingesetzt.
Als Pionier der Heißerneuerung ging Bertram Emanuel in die Geschichte ein. Er gründete 1914 als erster einen Betrieb mit Heißerneuerung in Ost-London: „Homerton Rubber Works“. Und noch heute befinden sich in England die mit Abstand größten, neureifenunabhängigen Heißerneuerer Europas. In Frankreich und Finnland starteten die ersten Betriebe 1916, 1921 in Deutschland, 1924 in Italien.
Wurzeln der Kalterneuerung im deutschen Darmstadt
Auf eine deutsche Erfindung geht das zweite in der Reifenerneuerung übliche Verfahren zurück: die Kalterneuerung. Allerdings bezieht sich das „kalt“ nur darauf, dass die verwendete Temperatur im Bereich von 90 bis 115 Grad Celsius (was dem Bereich der normalen Betriebstemperatur eines Reifens entspricht) niedriger ist als die des Heißverfahrens. Entscheidende Weichen legte Bernhard Anton Nowak nach dem zweiten Weltkrieg. Er hatte die Idee, vorgeheizte Profilstreifen mit Bindegummi auf vorbereitete Karkassen aufzulegen, im Autoklaven aufzuheizen und aufzuvulkanisieren. In der Nähe von Darmstadt gründete der findige Reifenexperte seine Firma unter dem heute weltweit bekannten Namen Bandag – Bernhard Anton Nowak Darmstadt Aktien Gesellschaft.
Von Hessen in die ganze Welt kam diese Technik durch einen weiteren Zufall: Dieser führte 1957 einen Amerikaner in die Nähe Darmstadts. Roy J. Carver wurde bei einer Taxifahrt auf die so anders aussehenden Reifen aufmerksam. Der Fahrer erklärte ihm, was es damit auf sich hatte. So traf der Entrepreneur Carver den Visionär Nowak und reiste mit den Rechten an dem Kalterneuerungsverfahren in der Tasche zurück in die Heimat. Von dort trat es seinen Siegeszug rund um den Globus an. Das Unternehmen gehört – im Kaltmarkt – heute neben Kraiburg und Marangoni zu den drei großen der Branche.
Kraiburg Austria mit knapp 60-jährigem Know-how
Führend in Europa ist Kraiburg Austria. Das Unternehmen produziert seit fast 60 Jahren Qualitätsmaterial für die Reifenerneuerung, seit 1965 ist man im oberösterreichischen Standort Geretsberg zuhause. Die historischen Wurzeln gehen auf das Gründungsjahr zurück, denn Kraiburg nahm bereits 1947 seinen Betrieb im deutschen Waldkraiburg auf. Heute ist die Kraiburg-Gruppe mit zwölf Produktionsstätten in acht Ländern ein tonangebendes Unternehmen der Kautschukindustrie. Am österreichischen Standort Geretsberg fokussiert Kraiburg mit seinem über 50-jährigen Know-how die Aktivitäten der Gruppe in allen Reifenanwendungen und angrenzenden Geschäftsfeldern: Entwicklung, Herstellung und Vermarktung von Halb- und Fertigprodukten für die Reifenindustrie. Die hochmoderne Fertigungstechnologie sorgt in Verbindung mit einem ausgeklügelten EDV-System für effektive Prozessabläufe sowie für Produkte, die höchsten Qualitätsmaßstäben gerecht werden, schreibt das Unternehmen. Ob heiß- oder kalterneuert, ob Asphalt, Geröll, Schotter oder Sand, ob Pkw, Lkw, Erdbewegungsmaschine oder Industriefahrzeuge – „Kraiburg hat für jeden Einsatz- und Anwendungsbereich das richtige Profil und die optimale Mischung im breit gestreuten Angebot.“
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