Goodyear: Protect our good name – Bad Year für den White-House-Twitterer
Mit seinem Aufruf zum Goodyear-Boykott desavouiert und diskreditiert Präsident Trump die über Jahrzehnte gepflegte Unternehmenskultur des US-Reifenherstellers. Im Wahlkampf des Präsidenten ist kein fieser Trick mies genug. „Protect our good name“ lautet die Verpflichtung eines jeden Goodyear-Belegschaftsmitglieds weltweit. Anständiges Verhalten gegenüber der Allgemeinheit wie Kunden, Lieferanten und allen gesellschaftlichen Schichten schlechthin. Gesetze sind peinlich genau einzuhalten. Keine Lügen, keine Mauscheleien und erst recht keine Erlangung von Vorteilen durch Korruption. Diesen Regeln folgte der Konzern schon zu Zeiten, als von Corporate Governance oder Diversity noch kein Mensch sprach. Regeln lassen sich nach Belieben interpretieren, wenn man einerseits Fakten als Fake News abtut und andererseits Fake News zu „alternativen Fakten“ stilisiert.
In Kansas hat ein Fabrikmanager für Klarheit im Rahmen einer innerbetrieblichen Präsentation sorgen wollen. Danach darf unter dem Dach des Goodyear-Konzerns für Bewegungen wie „Black Lives Matter“ und „Pride“ eingetreten werden, denn „Black Lives Matter“ ist ein Signal gegen Rassismus und „Pride“ (Bewegung für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender) ein Signal gegen Geschlechterdiskriminierung. Rassismus und Sexismus sind Probleme allgemeiner gesellschaftlicher Natur, denen entgegenzutreten schon der Anstand erfordert. Bekundungen für politische oder gar parteipolitische Kampagnen durch die Belegschaft haben auf dem Werksgelände und während der Arbeit zu unterbleiben, weil anderenfalls der Betriebsfrieden gefährdet würde.
Dazu dürfte das Verbot zählen, Schilder wie „Blue Lives Matter“ oder MAGA-Kappen – das Akronym steht für den Trump-Slogan „Make America Great Again“ – im Dienst zu tragen. Dass jedes Leben zählt, ist eine Selbstverständlichkeit. Nicht zu bestreiten bleibt, dass Polizisten in ihren blauen Uniformen einen gefährlichen Dienst erbringen. Ihr Ruf ist aber nicht über alle Zweifel erhaben. Sie fassen hart zu, gelegentlich zu hart, und der Colt sitzt locker. Schwarze kommen in Polizeieinsätzen schneller zu Tode als Weiße. Oft aus einer vermeintlichen Notwehrsituation der Ordnungshüter heraus. Schon kleinen Kindern bimsen schwarze Eltern ein, stets die Ärmchen und Händchen bei einer Polizeikontrolle unaufgefordert sichtbar nach vorn zu strecken, um das Auftreten möglicher „Missverstände“ oder „Notwehrsituationen“ schon im Keim zu ersticken.
Wenn bei Polizisten Adrenalin und Beklemmung steigen, können sie durchaus den Eindruck tatsächlicher oder auch nur vermeintlicher Notwehr gewinnen und sich bedroht fühlen, was zur Benutzung der Dienstwaffe zum Eigenschutz führen kann. Doch der Ruf der US-Polizei ist nicht besonders gut. Bewerber machen eine sechsmonatige „Lehre“ und finden sich im Dienst wieder. Vielfach werden ehemalige Soldaten rekrutiert, denen Deeskalation nicht so geläufig ist wie das Kommando „Action“. Ist es dann schrecklich schiefgelaufen, sieht man sich oft mit der allseits bekannten und gefürchteten „Blue wall of silence“ konfrontiert. Der Kamerad nebenan hat nichts gesehen und schweigt. Diese Art falsch verstandenen Korpsgeistes gibt es in unterschiedlichen Formen und Ausprägungen auf der ganzen Welt.
Wie sehr dagegen „Black Lives Matter“ das Rassismusproblem herausstreicht, zeigt unter anderem ein auf den Webseiten des Focus zu sehendes Video. Ein 31-jähriger junger Weißer stellte sich in der Kleinstadt Harrison (Arkansas) mit einem Schild an eine Straßenkreuzung, auf der eben dies zu lesen war, und wurde prompt von im Schritt vorbeifahrenden Autofahrern und Autofahrerinnen bedroht:
- „In zehn Minuten komme ich wieder hier vorbei, dann bist Du weg.“
- „Was ist mit weißen Leben, Du Dummkopf.“
- „Bist Du ein Marxist?“
- „Terrorist.“
- „Kommunist.“
- „Warum für das Leben eines N …“
- „Schäme Dich, als Weißer ein solches Schild zu halten.“
- „Sei besser stolz auf Deine Rasse.“
Amerika ist kein rassistisches Land, aber es gibt eine ganze Menge von Rassisten.
Trump mag kindisch, prollig, hinterhältig, inkompetent, dumm, stillos und gefährlich erscheinen. Dennoch hat er seine Fans keinesfalls nur vorzugsweise unter geistig minderbemittelten Zeitgenossen. Selbst in Kreisen von Männern und Frauen, denen man enge intellektuelle Begrenzungen nicht unterstellen kann, finden sich solche, die ihren Präsidenten als „a cat’s payama“ – etwa toller Hecht – bewundern. Andererseits: Wann hat es das jemals gegeben, dass ein akkreditierter Journalist während einer Pressekonferenz im Weißen Haus vor laufenden Fernsehkameras zu fragen wagte, welche seiner vielfältigen Lügen der Herr Präsident am meisten bereue?
Die Entwicklung der Corona-Epidemie nagelt Trump derzeit an der Wand fest. Jedes auch noch so abstruse Ablenkungsmanöver kommt da gerade recht. Heute volle Breitseite gegen Goodyear. Boykott! Ein Konzern wird verfolgt und verteufelt, weil er Begriffe wie Corporate Governance und Diversity vorbildlich mit Leben erfüllt. Was kommt morgen? Und übermorgen? Vor wenigen Wochen erst hatte sich Trump nicht gescheut, Automobilimporte als Bedrohung für die nationale Sicherheit zu verteufeln. Nun die Wende im Fall Goodyear. Ohne MAGA-Kappen keine Wiederwahl? Gerüchten zufolge läuft die gesamte chinesische Linglong-Belegschaft sich schon mit roten Kappen in der Hoffnung auf US-Staatsverträge warm. Billiger als Goodyear-Reifen sind sie ohnehin. klaus.haddenbrock@reifenpresse.de
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