Kommentar: Fragen hilft
Dass der von AutoBild jüngst veröffentlichte Reifentest für Dikussionsstoff sorgen würde, war von vornherein absehbar. Nicht nur, weil sich das Blatt dafür einmal mehr die innerhalb der Branche wenig geliebte Gattung Ganzjahresreifen vorgeknöpft hatte, sondern vor allem auch, weil man die Leistungen der letztlich „nur“ sechs angetretenen Kandidaten zusätzlich im (teil-)abgefahrenen Zustand bewertete. Als dann noch das Modell „CrossClimate +“ den Sieg errang, war aus Sicht so manchen Marktspielers offenbar das Maß des Erträglichen überschritten. Zumal dessen Hersteller Michelin kurz zuvor noch in einer großen deutschen Sonntagszeitung seine „Long-Lasting-Performance“-Strategie hatte darlegen können und dabei so ganz en passant meinte, statt mit Winterreifen wären die meisten deutschen Autofahrer mit Reifen für den ganzjährigen Einsatz besser bedient.
Von derlei Auslassungen in Brast geraten, kann es dann schon einmal zu heftigen (Über-)Reaktionen kommen und die Witterung vermeintlicher Mauscheleien schnell die Basis für weiterreichende Verschwörungstheorien bilden. Man kennt das ja schon vom ADAC-Fall vor ein paar Jahren, wo es damals – letztlich unbewiesen – hieß, die Industrie nehme Einfluss auf die Reifentests des Automobilklubs. Das Gleiche ist nun natürlich auch AutoBild vorgeworfen worden, wenngleich freilich nicht direkt, sondern gaaaanz subtil. Wobei man bei der vorgebrachten Kritik beinahe den Eindruck gewinnen könnte, als würde hierbei ein Michelin-Wettbewerber seinem Ärger über das Abschneiden seines eigenen Produktes Luft verschaffen.
Eine der in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen war, warum in besagtem Produktvergleich des Magazins der spätere Testsieger als bis 240 km/h freigegebener V-Reifen geprüft wurde, während die restlichen fünf Kandidaten den Geschwindigkeitsindex T (bis 190 km/h) oder H (210 km/h) auf der Seitenwand trugen. Ein Detail, das natürlich schon einen gewissen Einfluss haben kann. Die Nachfrage der NEUE REIFENZEITUNG dazu bei den verantwortlichen AutoBild-Reifentestern Dierk Möller und Henning Klipp hat allerdings ergeben, dass es sich dabei schlicht und ergreifend um einen Fehler bei der Übertragung aus deren Unterlagen in die Abschlusstabelle handelt, die in Ausgabe 47/2017 der Zeitschrift letztlich abgedruckt ist.
„Tatsächlich war der getestete Michelin-Reifen gar nicht als 92V, sondern in 92T in unserem Test dabei“, so Möller. Zugleich wurden dieser Fachzeitschrift der entsprechende Kaufnachweis sowie ein Auszug aus dem Testprotokoll als Belege für diese Aussage zur Verfügung gestellt. Insofern wird AutoBild vielleicht trotzdem weiterhin Kritik für die Verbreitung der Botschaft einstecken müssen, dass so manches Modell im (teil-)abgefahrenen Zustand bessere Leistungen erbringt als andere. Ungeachtet dessen ist es aber nichtsdestoweniger hilfreich, tatsächlich auch nachzufragen, wenn Reifentests Fragen aufwerfen, anstatt öffentlich gleich die große Schummelkeule auszupacken. Miteinander reden ist schließlich ohnehin besser als übereinander.
Darum hat die NEUE REIFENZEITUNG Michelin-Chef Jean-Dominique Senard gebeten zu erläutern, wie er sich denn die Zukunft des Reifenhandels vorstellt. Zumal der Trend in Richtung weiterer Zunahme der Ganzjahresreifennachfrage genauso wie eine von dem Unternehmen propagierte längere Nutzung der Reifen bis hin zum gesetzlichen Profillimit durchaus ernsthafte Auswirkungen auf die Branchenteilnehmer bzw. ihr auf Saisonalität ausgelegtes Geschäftsmodell haben kann. Mehr dazu wird in unserer Dezember-Ausgabe zu lesen sein. Genauso kommt dabei Continental zu Wort. Denn im Gespräch mit dieser Fachzeitschrift hat Nikolai Setzer als im Vorstand des Konzerns für die Reifensparte Verantwortlicher dessen Position zu alldem erläutert bzw. erklärt, warum man eine saisonal angepasste Bereifung nach wie vor für die bessere Option hält. christian.marx@reifenpresse.de
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