Kommt dem Reifenfachhandel die Kundschaft abhanden?
Auf den allerersten Blick scheint sehr erfreulich zu sein, was der aktuelle „Trend-Tacho“, den die Kraftfahrzeugüberwachungsorganisation freiberuflicher Kfz-Sachverständiger e.V. (KÜS) zusammen mit der Zeitschrift Kfz-Betrieb mehr oder weniger regelmäßig veröffentlich, da jüngst zum Thema Reifen und Räder festgestellt hat. Denn immerhin haben 35 Prozent der dafür von der ABH Marketingservice GmbH und BBE Automotive GmbH nach einer „repräsentativen Zufallsauswahl“ befragten 1.000 deutschen Autofahrer gesagt, sie würden einen Reifenkauf in den nächsten Monaten planen. Das könnten angesichts der Jahreszeit dann doch eigentlich nur Winterreifen sein, oder? Insofern also – so scheint’s zunächst – keine schlechten Aussichten für die Reifenvermarkter hierzulande. Doch bei genauerem Hinsehen findet sich so mancher Wermutstropfen – speziell mit Blick auf den Reifenfachhandel.
Der erste ist, dass 25 Prozent der Umfrageteilnehmer angaben, derzeit auf Ganzjahresreifen zu fahren. Ungeachtet der steigenden Verbrauchernachfrage nach dieser Produktgattung fällt damit deren Anteil deutlich höher aus als nach der jüngsten Erhebung der NEUE REIFENZEITUNG, bei der sich ein Ganzjahresreifenmarktanteil von aktuell irgendwo zwischen 13 Prozent und 15 Prozent ergeben hatte. Bei einer knapp doppelt so hohen Quote würden Dienstleistungen von Reifenservicebetrieben wie etwa das saisonale Umstecken oder die Einlagerung des gerade nicht benötigten Reifensatzes dementsprechend natürlich auch nur noch etwa halb so oft nachgefragt. Zumal aus Sicht der Autofahrer für Ganzjahresreifen demnach vor allem spricht, dass man sich damit die Reifenlagerung erspart (41 Prozent), es in ihrer Region ohnehin keiner Winterreifen bedarf (40 Prozent) oder Umrüstkosten gespart (40 Prozent) werden. Etwaige Mehrkosten für Reifendruckkontrollsysteme (RDKS) spielen bei alldem mit einem sechsprozentigen Anteil eine nur untergeordnete Rolle, während der zeitliche Aufwand fürs Umrüsten ebenso 21 Prozent der Autofahrer abschreckt wie sie die Argumente anführen, ihr Wagen sei [bei der Anschaffung] bereits mit Ganzjahresreifen ausgerüstet gewesen oder man fahre ohnehin nur wenig.
Weiterer Wermutstropfen: Gefragt danach, wo die Verbraucher ihre nächsten Reifen kaufen wollen, liegt der Reifenhandel gemäß „Trend-Tacho“ mit 27 Prozent der Nennungen zwar vorne – doch konkurrierende Vertriebskanäle wie das Internet (21 Prozent), das Autohaus (20 Prozent) oder die freie Kfz-Werkstatt (16 Prozent) liegen nicht allzu weit entfernt bzw. mehr oder weniger fast auf Augenhöhe, während der Abstand zu Werkstattketten wie ATU/Pit-Stop (neun Prozent) dann doch schon etwas größer ist, und sechs Prozent diesbezüglich offenbar noch völlig unentschlossen sind. Damit verlieren die althergebrachten Kauforte (Reifenhandel, Autohaus/Kfz-Werkstätten) zum Teil deutlich gegenüber dem „neuen“ Vertriebsweg Internet. Denn gefragt nach dem Ort des letzten Reifenkaufes sollen noch 33 Prozent mit dem Reifenfachhandel an, 23 Prozent mit der freien Werkstatt und 21 Prozent mit dem Autohaus geantwortet haben sowie „nur“ zwölf Prozent mit dem Onlinekauf. „Der Reifenfachhandel verliert kontinuierlich Kunden, obwohl er als Experte für die Kaufberatung gefragt ist“, kommentiert KÜS-Bundesgeschäftsführer Peter Schuler die Entwicklung gegenüber Kfz-Betrieb.
Noch ein wenig erschreckender wird’s allerdings speziell für den Reifenhandel, wenn man sich anschaut, wo die Onlinekäufer später Reifen montieren lassen: Mit acht Prozent der Nennungen taucht der Reifenfachhandel da nämlich nur unter „ferner liefen“ auf. Demgegenüber sind freie Werkstätten für 51 Prozent der Befragten, die ihre nächsten Reifen im Web kaufen wollen, der bevorzugte Montageort, während 17 Prozent das Ganze selbst erledigen wollen (und offenbar Kompletträder kaufen oder eben selbst eine Montage-/Wuchtmaschine zu Hause stehen haben) sowie zwölf Prozent durch Freunde/Bekannte, die dann gegebenenfalls dann wohl entsprechendes Equipment vorzuhalten wissen. Und von den drei Vierteln (75 Prozent) aller Umfragteilnehmer, die nicht auf Ganzjahresreifen fahren und von daher regelmäßig von Sommer- auf Winterbereifung sowie zurück umrüsten, kommen auch lediglich zwölf Prozent auf die Idee, das Umstecken vom Reifenhandel erledigen zu lassen. Mit 37 Prozent höher im Kurs liegen stattdessen das Do-it-yourself-Verfahren – „erledige ich selbst“ sagten demnach 23 Prozent, „von privat“ sollen 13 Prozent geantwortet haben – sowie mit 26 Prozent einmal mehr freie Werkstätten gefolgt vom Autohaus mit 20 Prozent der Nennungen und den fünf Prozent, die dafür eine Kette wie zum Beispiel ATU- oder Pit-Stop ansteuern.
„Das Interesse an den Reifen ist bei den Autofahrern nach wie vor gering. Beim Kauf der Reifen entscheiden sich aber die meisten für Qualitätsprodukte“, fasst Schuler ein weiteres Ergebnis des aktuellen „Trend-Tachos“ zusammen. Denn wenn es um die Qualität der Reifen gehe, sitze der Euro bei den Autofahrern locker. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass 66 Prozent der Befragten auf Produkten aus dem Premiumsegment unterwegs sind, 31 Prozent auf dem Quality-Bereich zuzuordnenden Reifen und nur drei Prozent auf eher preiswerten Produkten des sogenannten Budgetsegmentes. Doch davon dürften wiederum alle Marktspieler gleichermaßen profitieren, während es dem Reifenhandel abgesehen davon offenbar noch nicht gut genug gelungen ist, sich als Autoservicedienstleister zu profilieren, um so ein rückläufiges Reifengeschäft zu kompensieren. Auf die Frage, ob die Autofahrer den Ort ihres letzten Reifenkaufes auch für andere Werkstattarbeiten in Anspruch nehmen, war in 71 Prozent der Fälle ein klares Nein zu hören. Der Wert liegt damit deutlich über dem Durchschnitt von 34 Prozent, wobei naturgemäß nur sechs respektive neun Prozent ihr Autohaus bzw. eine Kfz-Werkstatt ausschließlich wegen der Reifen ansteuern, wohingegen es bei Werkstattketten 28 Prozent sein sollen. christian.marx@reifenpresse.de
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