Kommentar: Am Scheideweg?

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Die Flinte ins Korn werfen, Spezialist bleiben oder Generalist werden? Das ist die Frage, die sich so mancher Reifenfachhändler immer öfter stellt. Oder anders formuliert: Macht ein Engagement als Reifenhändler überhaupt noch Sinn, und sollte man sich – falls dies bejaht wird – weiter auf das Reifengeschäft allein konzentrieren bzw. sich allenfalls um einen sehr schmalen Bereich drum herum kümmern oder nicht vielleicht doch lieber die eigenen Aktivitäten mehr in Richtung Autoservice ausbauen?

Warum Letzteres vermehrt von Reifenhändlern in Betracht gezogen wird, ist nachvollziehbar. Denn die Herausforderungen, mit denen sich reine Reifenhändler konfrontiert sehen, sind nicht gerade wenige und werden tendenziell immer mehr. Mit einer ausgeprägten Saisonalität haben viele sich mittlerweile arrangiert, mehr Probleme bereiten da schon die zunehmende Konkurrenz durch alternative Vertriebskanäle wie das Autohaus bzw. Kfz-Werkstätten sowie vor allem das Internet samt dem daraus resultierenden Preisdruck im Markt.

„Reifen verkaufen kann mittlerweile jeder Depp“, sagte vor Kurzem erst ein recht desillusionierter Reifenhändler gegenüber der NEUE REIFENZEITUNG. Oberflächlich betrachtet ist diese Aussage völlig korrekt: Ware lässt sich problemlos über eine der zahlreichen B2B-Plattformen beziehen, je nach Cleverness schlägt man auf den Einkaufspreis noch etwas drauf und dient das Ganze dann dem Verbraucher an – fertig.

Aber ist man damit wirklich schon das, was sich der durchschnittliche Autofahrer unter einem Reifenhändler vorstellt? Oder sich zumindest vorstellen sollte? Denn mal ganz ehrlich: Wie hoch mag wohl Anteil unter den Reifenfachhändlern sein, die gegenüber ihrer Kundschaft im Verkaufsgespräch mit mehr argumentieren als nur dem Preis?

Klar das Geschäft ist schwieriger geworden, und es wird wahrscheinlich noch schwieriger werden. Denn zusätzlich zur größeren Konkurrenz durch alternative Vertriebskanäle kommen noch steigende technische Anforderungen durch Dinge wie beispielsweise die anspruchsvollere (De-)Montage von UHP-/Runflat-Reifen oder Reifendruckkontrollsysteme (RDKS). Braucht es aber nicht gerade deswegen wirkliche Reifenfachhändler, die kompetent mit alldem umzugehen wissen?

Und was hilft es einem Reifenhändler, wenn er sich zusätzlich noch das Schild Autoservice an die Fassade seines Betriebes hängt? In der Theorie sollte damit möglicherweise bröckelnden Erlösen aus dem Reifengeschäft unter Umständen entgegengewirkt werden können. Kann funktionieren, muss aber nicht. Denn die Konkurrenz unter den Kfz-Werkstätten ist auch nicht gerade klein.

Soll heißen: Für einen Reifenhändler auf dem platten Land, wo die nächste andere Werkstatt vergleichsweise weit entfernt ist, wird sich Autoservice mehr lohnen als für einen Reifenservicebetrieb in der Stadt, der ohnehin schon von zahlreichen anderen um Kunden buhlende Werkstätten/Autohäuser „umzingelt“ ist. Ein Allheilmittel ist das Thema Autoservice für den Reifenhandel also beileibe nicht.

Also vielleicht doch besser aufgeben und den eigenen Betrieb der Industrie andienen? Oder was dann? Eine Patentlösung haben wir von der NEUE REIFEZEITUNG freilich ebenfalls nicht irgendwo in der Schublade liegen. Wenn dem so wäre, dann würden meine Kollegen und ich als Unternehmensberater durch die Lande tingeln und könnten innerhalb der Reifenbranche derzeit wohl eine Menge Geld verdienen. Einen Rat kann ich mir dennoch nicht verkneifen: Den Kopf in den Sand zu stecken, hat noch nie geholfen. christian.marx@reifenpresse.de

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