Viele asiatische/osteuropäische Winterreifen „eine Gefahr“, meint die GTÜ
Nachdem die Gesellschaft für Technische Überwachung (GTÜ) im Sommer vergangenen Jahres nach eigenen Tests schon eindrücklich vor der von „Billigsommerreifen“ ausgehenden potenziellen Lebensgefahr gewarnt hatte, schlägt die Stuttgarter Prüfgesellschaft nun mit Blick auf Winterreifen erneut Alarm. „Auf nasser und matschiger Fahrbahn werden viele der Pneus aus asiatischer und osteuropäischer Produktion zur Gefahr für alle Verkehrsteilnehmer. Lange Bremswege und schlechte Handlingeigenschaften erhöhen das Unfallrisiko enorm“, so die GTÜ. Begründet wird diese Sicht der Dinge einmal mehr mit entsprechenden Tests, bei denen man die „am meisten verkauften ‚Billigreifen’ in Deutschland“ in der Dimension 205/55 R16 91H gegen ein Markenfabrikat in der gleichen Größe montiert jeweils an serienmäßigen VW Golf als Testfahrzeug antreten ließ. Einmal mehr spricht die GTÜ in diesem Zusammenhang von teilweise erschreckenden Ergebnissen.
Als Referenz diente Dunlops „Winter Sport 5“, während als Produkte „aus der unteren Preisklasse“ die Profile, Achilles „W101“, GT Radial „Champiro Winterpro“, Infinity „INF 049“, Kormoran „Snowpro B2“, Linglong „R650LL“, Ovation „W586“ und Racealone „Snoway I“ ihr Können hinsichtlich Bremsweg, Nässe- und Handlingeigenschaften beweisen mussten. Insgesamt sollen die „Billigreifen“ dabei Schwächen in allen Disziplinen gezeigt haben, obwohl sie etwa beim Bremstest auf Schnee (50 km/h auf 5 km/h) beim ersten Blick auf die Messwerte – so die GTÜ – gar nicht so schlecht abschneiden. Der Unterschied werde erst beim gesamten Anhalteweg deutlich, heißt es aber ergänzend. „Insgesamt schneiden die ‚Billigreifen’ beim Bremsen auf geschlossener Schneedecke schlechter ab als der Referenzreifen. Die Unterschiede sind zwar nicht sehr groß, aber man muss berücksichtigen, dass der Bremsvorgang nur bei geringer Geschwindigkeit durchgeführt wird“, erklärt der GTÜ-Sachverständige Ludger Monz die mit rund zwei Metern vergleichsweise geringe Differenz zwischen dem besten und dem schlechtesten Reifen in dieser Teildisziplin. Der Gesamtanhalteweg mit dem Schlechtesten soll aber mehr als eine Fahrzeuglänge mehr betragen haben als mit dem Referenzreifen.
Von ähnlicher Natur sind die Aussagen zu den Ergebnissen auf einem 1,3 Kilometern langen Schneehandlingkurs: Es werden zwar recht nahe beieinanderliegende Messwerte präsentiert mit Rundenzeiten, die um maximal vier Sekunden differieren, aber dennoch hätten die „Billigheimer“ keinen überzeugenden Eindruck bei den Fahrversuchen hinterlassen können, heißt es. Von deutlichen Unterschieden in der Seitenführung und beim Gripniveau gegenüber dem Dunlop-Reifen ist die Rede: Während die Testfahrer bei den meisten „Billigreifen“ mit Lastwechselreaktionen und kaum vorhandenem Ansprechverhalten zu kämpfen hatten, habe der Markenreifen unbeeindruckt seine Runden ziehen können. Jedenfalls werden den preisgünstigeren Modellen letztlich teilweise unberechenbare Fahreigenschaften attestiert. „Auch auf dem Handlingkurs schneiden die ‚Billigreifen’ wesentlich schlechter ab als der Markenreifen. Das Fahrverhalten ist teilweise völlig unkontrollierbar: Seitenführungskräfte werden nicht aufgebaut, Grip ist nicht vorhanden – für den Normalfahrer nur schwer zu handeln, und vom Kauf ist abzuraten“, fasst Monz zusammen. Jedenfalls habe keiner der „Billigheimer“ auf dem Handlingkurs überzeugen können und seien einige von ihnen auf Schnee und Eis gar „unberechenbar“ trotz noch akzeptabler Leistungen beim (Schnee-)Bremsen aus geringer Geschwindigkeit.
Die Ergebnisse im Nassen – beim Bremsen aus 100 km/h auf null und beim Queraquaplaning – sollen allerdings ebenfalls nicht berauschend für die günstigen Modelle ausgefallen sein. „Wirklich gefährlich wird’s beim Aquaplaning in lang gezogenen Kurven. Hier versagen die ‚Billigreifen’ zum Teil völlig“, berichtet Monz von wiederum fehlenden Seitenführungskräften, ausbrechenden bzw. nicht mehr beherrschbaren Fahrzeugen. Bei einer Vollbremsung bei Nässe aus einer Geschwindigkeit von 100 Kilometern pro Stunde wurde für den schlechtesten unter den getesteten „Billigheimern“ zudem ein im Vergleich zum Dunlop-Modell elf Meter längerer Bremsweg gemessen. „Das kann im schlimmsten Fall zu einem schweren Verkehrsunfall führen“, warnt die GTÜ. Denn während das Testfahrzeug mit den Referenzreifen nach 50 Metern stehe, rauschten die Autos mit den „Billigreifen“ noch mit Geschwindigkeiten von bis zu 41 km/h an ihm vorbei. Wer also jetzt sein Fahrzeug auf Winterreifen umrüste, solle lieber ein paar Euro mehr ausgeben, weil „Billigreifen“ im Ernstfall zu einer teuren Angelegenheit werden könnten, rät die GTÜ von daher. „Bei vermeintlich günstigen Pneus aus chinesischer und teilweise osteuropäischer Produktion ist deshalb höchste Vorsicht geboten“, mahnt die Prüfgesellschaft. christian.marx@reifenpresse.de
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