Noch ist nicht aller Tage Abend
Als „Stinker“, „Dieselpanzer“ oder „Klimakiller“ werden die immer mehr in Mode gekommenen Geländewagen bzw. SUVs (Sport Utility Vehicles) von Umweltschützern gerne bezeichnet. Aber gerade diese Autos, die – so eine weitere des Öfteren gehörte Meinung – „eigentlich niemand wirklich braucht“, haben dem Reifenhandel dank stetig steigender Absatzzahlen an 4×4-Reifen und guter Margen in der jüngeren Vergangenheit weit mehr Freude bereitet als der Verkauf der schwarzen runden Gummis für solche Allerweltsautos wie beispielsweise den VW Golf. Ist der – je nach Sichtweise – herbeigeredete oder tatsächlich bevorstehende Klimawandel und das im Fahrwasser der in den Medien omnipräsenten Berichterstattung darüber gestiegene Umweltbewusstsein aber nun schon wieder der Anfang vom Ende des lukrativen Geschäftes mit 4×4-Reifen?
Von wegen Bildungsmisere und schlechtes Abschneiden beim Pisa-Test – das alles war gestern. Deutschland hat sich wieder auf seine Wurzeln als Land der Dichter und Denker zurückbesonnen und ist – zumindest in einem Teilbereich – deutlich lernfähiger als andere Länder auf diesem Globus. Die Rede ist hierbei von dem Umweltbewusstsein der Deutschen vor dem Hintergrund des befürchteten Klimawandels, der aus der Medienberichterstattung hierzulande mittlerweile kaum noch wegzudenken ist. Dank dessen gibt es wohl kaum jemanden in dieser Republik, der von diesem Thema noch nichts gehört hat oder nicht gewillt wäre, etwas gegen übermäßige Emissionen von Treibhausgasen zu unternehmen, zu denen in erster Linie Kohlendioxid, Methan oder auch Lachgas gehören und die für die während der letzten 100 Jahre beobachtete Erhöhung der Durchschnittstemperatur auf der Erde verantwortlich gemacht werden. Experten geben schließlich vor allem dem Menschen die Schuld an der globalen Erwärmung, die auf die seit Einsetzen der Industrialisierung zunehmende Verbrennung fossiler Brennstoffe (Kohlendioxid) oder etwa die Massentierhaltung (Methan) zurückgeführt wird.
Und wenn von fossilen Brennstoffen die Rede ist, fällt jedermann natürlich als Erstes das Auto ein, da aus dessen Auspuff je nach Fahrzeug zwischen knapp 90 Gramm Kohlendioxid je gefahrenem Kilometer (Beispiel Smart Fortwo CDI) oder eben auch über 250 Gramm Kohlendioxid je gefahrenem Kilometer (M-Klasse von Mercedes-Benz) kommen können. Doch damit ist noch nicht Schluss, wie sich unter anderem an den weit über 300 Gramm Kohlendioxid je gefahrenem Kilometer des Audi Q7 mit der derzeit leistungsstärksten Motorisierung oder dem Porsche Cayenne ablesen lässt. Nicht umsonst ist vor allem gerade die Fahrzeuggattung der Geländewagen bzw. sogenannten SUVs (Sport Utility Vehicles) – oft auch als „Klimakiller“ oder „Dieselpanzer“ tituliert – in der jüngeren Vergangenheit ins Schussfeld nicht nur extremer Umweltaktivisten geraten. Zwar muss man ja nicht gleich so weit gehen wie beispielsweise diejenigen unbekannten Täter, die seit Sommer vergangenen Jahres schon bei einer Vielzahl von Luxusfahrzeugen in Berlin – die ermittelnden Beamten sprachen im Herbst 2007 bereits von über 200 Fällen (die NEUE REIFENZEITUNG berichtete) – offenbar aus umweltpolitischen Motiven die Luft aus den Reifen abgelassen haben. Nichtsdestoweniger zeugt das innerhalb der Europäischen Union angepeilte Ziel von maximal 130 (ab 2012) und später sogar 120 Gramm Kohlendioxidemissionen je gefahrenem Kilometer davon, dass ein Umdenkprozess eingesetzt zu haben scheint.
Überspitzt könnte das Motto dabei etwa wie folgt lauten: weg von den großen schweren „Stinkern“, hin zu umweltfreundlicheren kleineren Fahrzeugen. Ein solcher Trend könnte natürlich auch einefunkn gewissen Einfluss auf das Reifengeschäft hierzulande haben. Denn gerade der Absatz von Bereifungen für 4×4-Fahrzeuge bzw. SUVs hat dem Handel dank kräftiger Zuwachsraten – vor allem bei den Winterreifen für diese Fahrzeuge – in den zurückliegenden Jahren deutlich mehr Freude gemacht als das Pkw-Reifengeschäft. Ist nun also an dieser Front schon wieder Schluss mit lustig? Schließlich hat gerade vor Kurzem erst das Umweltbundesamt nach der Verwendung schmalerer Pkw-Reifen gerufen. Laut der Westfälischen Rundschau hat man die Automobilindustrie aufgefordert, Fahrzeuge nur noch mit schmalen Reifen auszustatten. Nach Ansicht des UBA-Präsidenten Andreas Troge könnten auf diese Weise Lärm und Schadstoffe „drastisch reduziert“ werden. Seinen Aussagen zufolge sei dies technisch ohne Probleme möglich, sofern auf den Autobahnen gleichzeitig ein Tempolimit gelte. „Nicht alles, was wir heute machen, ist schon das Beste, was wir tun können“, wird Troge von dem Blatt zitiert. Wer langsamer fahre, verbrauche schließlich weniger Kraftstoff und helfe dadurch, den Ausstoß von Kohlendioxid zu senken.
„Ein Tempolimit hilft, nicht nur, weil es die Zahl der Verkehrstoten und Verletzten senkt, sondern auch, weil sich bei Tempo 120 rund neun Prozent des Kohlendioxidausstoßes aus Pkw einsparen ließen“, soll der UBA-Präsident vorgerechnet haben, der die Verbraucher zugleich aufruft, auf PS-starke Autos zu verzichten. „Brauche ich in der Stadt wirklich einen großen schweren Wagen, der viel verbraucht, oder reicht nicht ein kleineres Fahrzeug, das sich auch besser parken lässt?“, fragt sich Troge. Die Frage mag berechtigt sein, doch ob es aus technischer Sicht tatsächlich so einfach ist, etwa einen BMW X5 mit über zwei Tonnen Leergewicht und einem zulässigen Gesamtgewicht von knapp drei Tonnen auf schmale Reifen – vielleicht 165er- oder gar 145er- statt 255er-Breite? – zu stellen, darf guten Gewissens bezweifelt werden. Die Forderung des UBA kommt also eher der Aufforderung zum Verzicht auf solche Autos gleich. Nicht umsonst gehen Experten wie zum Beispiel Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des Prognoseinstituts B&D Forecast, davon aus, dass mittelfristig vor allem im Segment der Kleinst- und Kleinwagen starke Zuwachsraten zu erwarten sind. Wie es bei Autohaus Online unter Berufung auf eine entsprechende Studie Dudenhöffers weiter heißt, werde der Trend zum Kleinwagen dabei sowohl von Angebots- als auch Nachfrageseite gestützt.
Demnach wird diese Fahrzeuggattung offenbar als Teil der Strategie der Autohersteller zur Verbesserung der Kohlendioxidbilanz gesehen. Denn nach Meinung Dudenhöffers sei allein mit Motoren-, Getriebe-, Reifentechnik und Leichtbau das Ziel von im Schnitt 130 Gramm Kohlendioxidemissionen je gefahrenem Kilometer für die in der EU verkauften Neuwagen nicht zu erreichen. „Kleinwagen sind seit dem Smart, den großen Erfolgen des BMW Mini und des Fiat 500 ‚schick’ geworden“, wird Dudenhöffer darüber hinaus von dem Newsdienst zitiert. Insofern kann es nicht verwundern, dass Minis und Kleinwagen nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes 2007 auf einen Anteil von zusammen 23,9 Prozent gemessen an den Pkw-Gesamtneuzulassungen kamen – ein Jahr zuvor hatte ihr Anteil noch bei 22,0 Prozent gelegen. Allerdings konnten auch die Geländewagen ihren Marktanteil bei den Neuzulassungen von 6,5 Prozent 2006 auf 7,3 Prozent 2007 steigern. Jedoch ist das Zulassungsplus im Vergleich zum jeweiligen Vorjahr 2007 mit 1,8 Prozent schon deutlich kleiner geworden als 2006, für das die KBA-Statistik einen Wert von 16,5 Prozent ausweist. Nichtsdestoweniger zeigten sich die Geländewagenneuzulassungszahlen auch 2007 noch im Plus, während der Pkw-Gesamtmarkt des zurückliegenden Jahres mit seinen alles in allem knapp 3,15 Millionen Einheiten bekanntlich ja ein Minus von 9,2 Prozent ausgewiesen hat.
Dass in Sachen 4×4- bzw. SUV-Bereifungen noch nicht aller Tage Abend sein muss, davon zeugt darüber hinaus der auf mittlerweile fast 1,9 Millionen Fahrzeuge (Stand Januar 2008) gestiegene Bestand an Allradfahrzeugen in Deutschland. Und dass diese Fahrzeuge aufgrund des EU-Limits von 130 Gramm an Kohlendioxidemissionen je gefahrenem Kilometer ab 2012 nun urplötzlich von der Straße – und da werden trotz Allradantrieb und bulligem Aussehen über 90 Prozent aller Geländewagen bzw. SUVs hauptsächlich bewegt – verschwinden werden und somit keine Reifen mehr benötigen, widerspricht schließlich dem gesunden Menschenverstand. „Fahrzeuge, die gerade in den Markt gekommen sind, die werden wir im Jahr 2012 noch haben“, hat deshalb auch Dudenhöffer in einem Interview des Deutschlandfunks gesagt. Diese Fahrzeuge dann aus dem Markt zu nehmen und durch neue zu ersetzen, ist seiner Auffassung nach „ökonomisch, wirtschaftlich einfach nicht möglich“. Selbst wenn also in diesem Jahr kein einziger neuer Geländewagen zugelassen werden würde, so lässt der derzeitige Bestand noch genügend Spielraum für ein weiteres Plus bezüglich des Absatzes an 4×4-Reifen in Deutschland. Legt man nämlich einen ähnlichen Ersatzkoeffizienten wie bei „normalen“ Pkw von etwa einem Reifen pro Jahr und Fahrzeug zugrunde, so errechnet sich daraus zusammen mit dem momentanen Bestand der entsprechenden Fahrzeuge ein zu erwartendes Marktvolumen von 1,9 Millionen 4×4-Reifen. Und das entspräche schließlich einem weiteren Absatzwachstum im Vergleich zu 2007, wobei dem Trend der letzten Jahre folgend insbesondere wohl die Nachfrage nach 4×4-Winterreifen überdurchschnittlich dazu beitragen dürfte.
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