Automobilproduktion wird verstärkt in Schwellenländer verlagert
Laut einer Untersuchung der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers wird die Automobilindustrie zusätzliche Fertigungskapazitäten künftig fast ausschließlich in den so genannten Wachstumsmärkten aufbauen – schon zwischen 2005 und 2010 sollen 84 Prozent des Zuwachses bei der Montage von Pkw und Kleinlastwagen aus Schwellenländern stammen. „Einige Automobilhersteller reagieren mit Kapazitätseinsparungen in entwickelten Märkten auf verloren gegangene Marktanteile“, analysiert Karl Gadesmann, Automotive Leader bei PricewaterhouseCoopers Deutschland die Umschichtung. „Andere Automobilhersteller verlegen Fertigungsstätten in billige Exportstandorte (besonders Mexiko, Zentraleuropa oder China), um wettbewerbsfähig zu bleiben.“ Hauptantriebsquelle der Verlagerung von Montagewerken bleibe allerdings die hohe Wachstumserwartung. „Viele Schwellenländer stehen erst am Anfang eines Autobooms, sodass es für die Unternehmen Sinn macht, vor Ort Fahrzeuge zu montieren“, sagt Gadesmann.
In Europa sollen von 2005 bis 2010 – so die Analyse – zwei Millionen zusätzliche Fahrzeuge montiert werden. Das wären 21 Prozent des weltweiten Fertigungszuwachses von 9,1 Millionen Einheiten. Der größte Teil dieses Wachstums werde aber nicht in den Konzernmutterländern wie Frankreich oder Deutschland erzielt, sondern in den neuen EU-Mitgliedsstaaten, heißt es in der Studie mit dem Titel „Light Vehicle Assembly Outlook“. Während den Prognosen zufolge in Deutschland die jährliche Wachstumsrate von 2005 bis 2010 bei 1,5 Prozent und in Frankreich nur bei 0,5 Prozent liegen wird, führt die Tschechische Republik mit einer Rate von 13 Prozent in dieser Zeit die Liste der 20 wichtigsten Automobile produzierenden Länder an. Grund hierfür seien Investitionen von Toyota-PSA, Hyundai und VW, die Werke in Tschechien aufbauen.
45 Prozent des gesamten Zuwachses würden jedoch in der Asien-Pazifik-Region stattfinden. Osteuropa steuere nur neun Prozent des Gesamtwachstums bei, expandiere aber deutlich schneller. So erwarten die PricewaterhouseCoopers-Analysten für Osteuropa eine Wachstumsrate von durchschnittlich sechs Prozent pro Jahr. Die BRIC-Länder – Brasilien, Russland, Indien und China – werden gemeinsam 44 Prozent der neuen Montagekapazitäten beitragen, wobei Brasilien mit zwei Prozent Wachstum als „Nachzügler“ bezeichnet wird. „In Lateinamerika ist stattdessen Mexiko für Automobilhersteller interessant geworden, die nach Kostenreduktion und Gewinnmaximierung streben. Die Montagezahlen werden dort bis zum Ende der Dekade um insgesamt 32 Prozent wachsen“, so die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft.
Annähernd die Hälfte des globalen Fertigungszuwachses wird demzufolge auf Toyota (20 Prozent), Renault-Nissan (15 Prozent) und Hyundai (14 Prozent) entfallen: Alle drei Autohersteller bauen Fertigungsstellen außerhalb ihrer Heimatmärkte aus. Die Errichtung neuer Montagewerke übe allerdings weiteren Druck auf die heimischen Fabrikauslastungen aus. Zeichen für die Verlagerung von entwickelten Märkten in Wachstumsmärkte zeigen sich laut der Untersuchung vor allem in Südkorea, Kanada und Großbritannien, die zwar alle drei zu den zehn größten Automobilfertigungsländern gehören, aber bis 2010 wohl rückläufige Produktionszahlen zu verzeichnen haben werden. Auch Japan stagniere bei einer Rate von lediglich 0,4 Prozent.
Doch neben den Chancen erkennt PricewaterhouseCoopers auch Risiken im Zusammenhang mit dem verstärkten Engagement der Autohersteller in den Schwellenländern: Die dortigen Märkte werden als „von Natur aus unberechenbar, risikobehaftet“ beschrieben und würden die Automobilbauer zwingen, effektive Versorgungsketten zu errichten. Das Streben nach Kosteneffizienz und Produktsynergien wird mehrere Hersteller dazu bringen, strategische Partnerschaften – Gemeinschaftswerke, Technologieaustausch, formalisierte Kapitalbeteiligungen etc. – zu prüfen, sagen die Marktforscher voraus, die zudem auch Auswirkungen dieser Expansionspolitik in den Schwellenländer auf die Zulieferer der Automobilbranche prognostizieren. „Sie sind künftig immer stärker gezwungen, ihre Geschäftsfelder an die Kundenerwartungen anzupassen und in die Nähe der Produktionsstandorte zu verlagern“, so Gadesmann.
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