Großer Preis von Kanada in Montreal – Der “Reifenkrieg” wird verstärkt fortgeführt
Beim Großen Preis von Kanada in Montreal kam alles im Wesentlichen wie man es gedacht hatte. Souverän und in erstklassiger Manier fuhr Michael Schumacher seinen sechsten Sieg der Saison heraus und er liegt mit 70 Punkten nun 43 Punkte vor den nächstplatzierten BMW-WilliamsF 1-Fahrern Ralf Schumacher und Juan Pablo Montoya und 34 Punkte vor David Coulthard. Lag er vor zwei Wochen in Monaco noch einen “Herzschlag” hinter dem Schotten David Coulthard, so drehte er dieses Mal den Spieß um. Coulthard profitierte vom Ausfall des BMW-WilliamsF 1-Piloten Juan Pablo Montoya und einem verkorksten Boxenstopp von Ralf Schumacher. In der Endphase des Rennens kam Coulthard noch einmal dicht heran, aber den cool fahrenden viermaligen Weltmeister konnte er ernsthaft nicht mehr gefährden.Seit Tagen bereits ging es in den kanadischen Tageszeitungen nur um Formel 1 und das obwohl in Asien die Fußballweltmeisterschaft läuft und in Memphis Großkampftag im Boxen angesagt war mit der Paarung Lewis gegen Tyson. Keine Zeitung, auf der nicht Michael Schumacher auf der Titelseite groß abgedruckt gewesen wäre.Dabei hatten die rund 300.000 Zuschauer, die an drei Tagen zur Rennstrecke kamen, einen innigen Wunsch. Den in Montreal so ungeheuer populären Kanadier Jacques Villeneuve (BAR/Honda) hätten sie zu gerne auf der nach seinem vor 20 Jahren tödlich verunglückten Vater Gilles Villeneuve benannten Rennstrecke siegen sehen wollen, doch die Hoffnungen erwiesen sich sehr schnell als leerer Traum, denn der Lokalmatador musste seinen Wagen bereits in Runde 9 abstellen. Sehr zum Leidwesen von Rubens Barrichello. Der zu diesem Zeitpunkt in seinem Ferrari in Führung liegende Brasilianer war gut unterwegs und schien sich einen ausreichenden Vorsprung für einen Boxenstopp mehr herausfahren zu können; bis die eingeschobene Safety Car-Phase alle Strategie über den Haufen warf. Von da an lief alles auf ein Duell zwischen Montoya und Michael Schumacher hinaus, die mit nahezu gleich starken Autos das Rennen bestritten.Im Gespräch mit Bridgestone-Gästen nach dem Qualifying hatte ein glänzend aufgelegter Jacques Villeneuve, dessen fahrerische Qualitäten im Bar/Honda-Team definitiv nicht zum Tragen kommen können, spaßeshalber angesichts des bisherigen Standes von null Punkten darauf hingewiesen, dass es jetzt nur noch besser werden könne. Die Strategie im Qualifying beschrieb er so simpel wie eingänglich: “Fahren so schnell es nur geht!”Zwei Stunden vor dem Rennen kam Jordan-Pilot Giancarlo Fisichella in die Bridgestone-Lounge. Er war nicht allzu unzufrieden, schätzte seine Chancen aber nüchtern ein. Höflich von Gästen befragt, ob er heute siegen könne, meinte Fisichella: “Theoretisch ja, aber das ist sehr, sehr unwahrscheinlich. Die Ferraris sowie BMW-WilliamsF 1 und McLaren-Mercedes sind unter normalen Umständen in dieser Saison sehr weit vor uns.” Die Rennstrecke in Montreal ist durchaus beeindruckend. Der Circuit liegt auf einer Insel und gilt aufgrund seiner außergewöhnlichen Lage als einer der interessantesten im ganzen Formel 1-Zirkus. Benannt ist die vor Montreal auf der Insel Notre Dame gelegene Strecke nach dem Kanadier Gilles Villeneuve, der 1982 beim Training zum Großen Preis von Belgien tödlich verunglückte.Seit 1978 wird der Grand Prix auf dem “Wasserkurs” gefahren. Der Circuit Gilles Villeneuve besteht aus gesperrten öffentlichen Straßen und ist daher sehr uneben. Im Gegensatz zu den anderen Stadt- oder Straßenkursen verfügt er über extrem schnelle Abschnitte, besonders die lange Start/Ziel-Gerade und eine durch eine Schikane unterbrochene bogenförmige Gerade im hinteren Streckenabschnitt. Von der Senna-Hairpin bis hin zum Pont de la Concorde müssen die Fahrer immer wieder hart bremsen und dann voll beschleunigen. In Montreal ist die Ausfallquote traditionell recht hoch. Es regnet nicht selten und ebenso können starke Winde, die vom St. Lorenz Strom her wehen, die Balance der Autos beeinflussen.Den richtigen Tipp gab im Gespräch mit der Neue Reifenzeitung Hirohide Hamashima ab. Für ihn kam nur Michael Schumacher als Sieger in Betracht, der insgesamt das beste “Package” habe und natürlich auf Bridgestone-Reifen fahre. Zwar sei BMW-WilliamsF 1 insbesondere aus der Senna-Hairpin heraus stärker als alle anderen, aber das werde gegen Schumacher, Ferrari und Bridgestone nicht reichen. Hamashima ist seit 1996 verantwortlich für die Entwicklung der Formel 1-Reifen und seit 1999 ist er General Manager der Abteilung Entwicklung Motorsport-Reifen, somit neben Formel 1 auch für CART und Formula Nippon. Sein Aufgabenbereich umfasst allerdings “nur” alle technischen Dinge, während sich dem Vernehmen nach sein Michelin-Kollege Pierre Dupasquier auch in die Verhandlungen mit den Teams einschaltet oder sogar federführend ist.Hamashima zeigte sich überaus erleichtert, dass es für 2002 im Vergleich zum Vorjahr keine wesentlichen Regeländerungen gegeben habe. Erstens seien diese stets mit enormen Kosten verbunden und zweitens könne man sich nun auf eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit dem Ziel konzentrieren, ein Gesamtpaket zu erstellen. Natürlich müssen Reifen immer sehr schnell sein, aber es geht um eine optimale Abstimmung von Chassis, Maschine und Reifen. Bridgestone habe sich aber nicht allein auf High-Speed-Kurse konzentriert, sondern in erster Linie die “weichen Punkte” im Vergleich mit Wettbewerber Michelin herausgearbeitet und dort Verbesserungen angestrebt und auch erreicht. Die Zusammenarbeit mit den Partnern sei jetzt sehr, sehr eng, denn es bringe überhaupt nichts, wenn man den besten Reifen, das beste Chassis und die beste Maschine zusammenbringe. Auf die optimale Abstimmung komme es vielmehr an.Dass BMW-WilliamsF 1 zu Michelin wechselte, war aus Sicht der Japaner zwangsläufig, allerdings hätte man die Verbindung mit McLaren-Mercedes nur allzu gerne weiter geführt. Hamashima: “Diese Entscheidung hatte ich einfach nicht erwartet, sie hat mich geradezu schockiert. Wir hatten mit McLaren-Mercedes ein Entwicklungsprojekt begonnen, das aus meiner Sicht sehr vielversprechend war. Ich glaube, dass große Missverständnisse zu dieser Entscheidung geführt haben. Wir haben mit McLaren-Mercedes zwei Weltmeisterschaften holen können und ich habe mir einfach nicht vorstellen können, dass dieses Team wechselt.”In letzter Zeit kommen immer mal wieder Gerüchte auf, Goodyear wolle in den Formel 1-Zirkus zurückkehren und – sofern man einigen Goodyear-Managern glauben will – Ferrari sei sofort wieder zu einer Zusammenarbeit mit Goodyear bereit. Auf der Reifenmesse in Essen meinten einige bereits, den Wiedereintritt von Goodyear und dann als Ferrari-Partner auf das Jahr 2003 festlegen zu können. Abgesehen davon, dass dies aus Regelgründen schon gar nicht mehr zu machen ist innerhalb dieses Zeitrahmens, sieht Hamashima in Goodyear derzeit keinen ernsthaften Rivalen: “Mit den besseren Reifen kann man etwa 0,3 bis maximal 0,5 Sekunden pro Runde gewinnen. Bridgestone und Michelin liefern sich einen harten Konkurrenzkampf. Was uns betrifft, respektieren wir das technische Können von Michelin sehr. Goodyear ist seit einigen Jahren aus dem Renngeschehen heraus und war zum Schluss technisch nur noch sehr sehr bedingt wettbewerbsfähig. Wenn dieses Unternehmen wieder zurückkommt, braucht es Zeit, muss neue Erfahrungen sammeln und Rückstände aufholen. Die Entwicklung, die wir wegen des harten Wettbewerbs innerhalb der letzten Jahre auf die Spitze getrieben haben, ist sehr weit vorangekommen. Ferrari will siegen. Und siegen kann man nur mit den besten Reifen. So glaube ich an das von ihnen hier genannte Gerücht nun wirklich nicht.”Hamashima ist nun seit mehr als 20 Jahren Woche für Woche im Renngeschehen tätig und seit fast sechs Jahren schon in der Formel 1. Wird es ihm da nicht manchmal langweilig? Hamashima: “Nein, ganz im Gegenteil. Das hier ist eine große Herausforderung für das ganze Team. Zu jedem F 1-Rennen reisen wir mit 35 bis 40 Leuten, begonnen beim Reifenmonteur bis hin zu den Presseleuten. Langweilig ist das nun wirklich nicht. Es gibt stets neue Herausforderungen, die ich gerne annehme. Und die Ziele sind klar: Vier Mal waren wir Weltmeister, je zwei Mal mit McLaren-Mercedes und Ferrari. In diesem Jahr wollen wir die fünfte Weltmeisterschaft holen. Und da bin ich sehr optimistisch.”
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