Eberhard Schwabe geht in den vorzeitigen Ruhestand

Eberhard Schwabe, am 26. April 1939 in Leipzig geboren, ist ein echtes Kriegskind. Alle Probleme waren mit Kriegsende nicht vorbei, denn der Sohn eines Generalvertreters für Textil- und Seidenwaren konnte auch später im Arbeiter- und Bauernstaat nicht die angestrebte Ausbildung erlangen, so dass er sich mit Fahrrad und Rucksack als 18-Jähriger mit dem Einberufungsbefehl zur Volksarmee lieber über die damals noch “grüne Grenze” davon, heute würde es wohl “nach drüben” heißen, machte. Der Berufswunsch Architekt ging dennoch nicht in Erfüllung. In rascher Folge kam Schwabe mit den Ölgesellschaften BP und Esso in Kontakt. Bei Letzterer absolvierte er ein Volontariat. Nach heutigen Goodyear-Maßstäben wäre er damit ein Trainee gewesen. Schon 1962 widmete er sich dann den schwarzen Reifen. Der junge Mann wurde Generalvertreter des hessischen Runderneuerers Vergölst und war bereits kurz darauf, ohne es zu wissen, als Niederlassungsleiter der Vergölst-Filiale in Rheydt Angestellter des Continental-Konzerns, der Vergölst aus Angst vor heftigen Reaktionen des deutschen Reifenfachhandels heimlich über schweizerische Strohmänner übernommen hatte. Nach Rheydt folgten weitere Vergölst-Stationen, so war er unter anderem als Marktleiter in Essen für zwei Reifen- und zwei weitere Kfz-Betriebe verantwortlich und betrat mit 1,2,3 Neuland für die Reifenbranche. Der nächste wesentliche berufliche Einschnitt erfolgte mit dem Wechsel zur Kempen-Gruppe im Jahre 1979. Die Handelstochter der Goodyear hatte in Deutschland den Vorwärtsgang eingelegt und “entwickelte” so ganz nebenbei auch noch gute Leute, indem sie Karrierechancen bot. Schwabe wurde bereits 1984 zum Verkaufsleiter Lkw-Reifen ernannt und ab 1995 verantwortete er das Erstausrüstungsgeschäft Pkw-Reifen. 1997 dann Übertragung der Gesamtverantwortung für Vertrieb und Marketing, Ernennung zum Vertriebs- und Marketingdirektor und zum stellvertretenden Geschäftsführer erfolgten prompt. Schwabe gilt bei Goodyear als “Arbeitstier”. Der Frühaufsteher sitzt stets vor 6.30 Uhr am Schreibtisch in Köln, um noch frei von Telefonstörungen möglichst viel erledigen zu können. Obendrein umgeht er so sehr elegant den Stau, in dem er ansonsten auf dem Weg von Duisburg nach Köln fest sitzen würde. Und damit ihm das auch abends nicht widerfährt, macht er sich eben nach der Rushhour auf den Heimweg. Wer Schwabe aufmerksam zuhört, merkt gleich, dass hier ein Mann mit einem lachenden, aber eben auch mit einem weinenden Auge geht. Den Zeitpunkt seines Abschieds hat er wohl selbst gewählt, obwohl die Tätigkeit für Goodyear niemals Stress gewesen sei, es Spaß gemacht habe, mit den Menschen arbeiten und umgehen, vor allem etwas bewegen zu können. Allerdings haben alle Wachstums- und Konzentrationstendenzen wohl auch dazu geführt, dass der Spielraum der einzelnen Konzernmannschaften immer enger geworden ist. Der Zentralismus mit all seinen Restriktionen macht es sehr schwer, wirkliche Aufbruchstimmungen erzeugen zu können, eine schlagkräftige und durch und durch erfolgshungrige Mannschaft täglich neu zu motivieren. Dabei ist bei nahezu allen Leuten des Konzerns die Bereitschaft, der Erfolgshunger, der Leistungswille wie in allen Jahren zuvor schon durchaus vorhanden. Es muss aber heute mehr denn je um Freiräume gekämpft werden, weil nur in einem solchen Klima Kreativität und Innovation gedeihen können. Goodyear – das hört man zwischen den Zeilen durchaus – ist aber in dieser Hinsicht auch so wie viele andere Großkonzerne: sehr zentralistisch orientiert. Für Eberhard Schwabe war es eine phantastische Zeit. Er habe nicht allein für Goodyear gearbeitet, sondern Goodyear sei ja fast so etwas wie eine Weltanschauung geworden und ein großer Gewinn für seinen eigenen Lebensanspruch. Good years mit Goodyear. Eberhard Schwabe vermittelt sehr glaubwürdig den Eindruck, mit sich und der Welt im Reinen zu sein. Der Kunde sei in seinem beruflichen Leben stets und von Anfang an im Mittelpunkt gewesen. Sein Handeln habe sich danach ausgerichtet. Nur vom zufriedenen Kunden lässt sich leben; von den sehr zufriedenen Kunden lässt sich sogar dauerhaft leben. Und man müsse sich auch nicht unnötig verbiegen. Und den Respekt erhalte man sich nach seiner Devise: Nicht stets alles sagen, was wahr wäre; aber alles was gesagt wird, muss wahr sein! Schwabe hat Höhen und Tiefen bei Goodyear erlebt, vor allem aber hat er auch erfahren, wie und dass man sich aus Tiefen wieder selbst voranbringen kann. Die Großwetterlage macht es allen Reifenkonzernen der Welt derzeit nicht leicht. Und so mag er einerseits leichten Herzens gehen angesichts aller Befürchtungen, dass sich der Wettbewerb nochmals verschärfen wird. Doch er geht wohl auch schweren Herzens, weil es auch seine Reize gehabt hätte, für ein Unternehmen, dem er alle Loyalität entgegengebracht hat, aus vollem Herzen zu kämpfen. Und nun folgen die Jahre als Privatier? Eberhard Schwabe, seit 38 Jahren verheiratet, Vater eines Sohnes (35) und einer Tochter (33), nur noch als treu sorgender Großvater der Enkel? Obwohl er ein intaktes familiäres Umfeld hat und zu schätzen weiß, die Enkelkinder bewusster aufwachsen sehen will als es ihm mit den eigenen Kindern möglich war, ist er noch sportlich und dynamisch genug, die eine oder andere Spezialaufgabe zu übernehmen, denn Leute seines Schlages haben, was man nicht kaufen kann: Erfahrung. klaus.haddenbrock@reifenpresse.de

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