Conti schafft Wende im amerikanischen Reifengeschäft
Es geschah selten genug und das letzte Mal liegt zehn Jahre zurück. Umso erfreulicher die Nachricht heute: Continental hat im amerikanischen Reifengeschäft 2007 die Verlustzone verlassen können, weil der Pkw-/LLkw-Reifendivision unter der Verantwortung von Finanzchef Dr. Alan Hippe nach jahrelangen massiven Verlusten endlich die Rückkehr in die Gewinnzone gelang. Zwar handelt es sich nur, wie Dr. Hippe im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG sagte, um einen Gewinn von einigen Millionen, aber dennoch geht es um weit mehr als ein einmaliges, gar zufälliges Überschreiten der Nulllinie. Vielmehr hätten die nachhaltig wirkenden Maßnahmen die Wende herbeigeführt, sodass der Konzern auch für die kommenden Jahre beachtenswerte Ergebnisse aus Amerika bzw. „the Americas“ erwarten könne.
Seit einigen Jahren bereits werden Umsatz und Ertrag des amerikanischen Reifengeschäfts nicht mehr gesondert ausgewiesen, sondern die schlechten Zahlen entziehen sich Blicken von außen gut versteckt innerhalb der Pkw- und Lkw-Division. Das hat den Finanzanalysten zwar nicht gefallen, dem Konzern – insbesondere der Entwicklung des Aktienkurses – hat es jahrelang aber auch nicht geschadet. Allerdings macht das heute einen Vergleich nicht möglich und das ganze Amerikageschäft bleibt – noch? – relativ unpräzise. Das ist zu verkraften, weil die Reifenaktivitäten des Konzerns in den USA, Kanada und Mexiko (Nafta) nahezu vollständig das wiedergeben, was heutzutage als Geschäftsaktivität „in the Americas“ beschrieben wird. Nicht einmal den genauen Umsatz der Pkw-Division in den beiden Americas wollte Dr. Hippe benennen, auf Nachfrage bestätigte er jedoch in etwa eine Milliarde Euro als realistische Annahme. Trotz eines über die Jahre durchaus gewinnträchtigen Geschäfts mit Nutzfahrzeugreifen erlitt der Konzern jahrelang große Verluste, teils in gar dreistelliger Millionenhöhe in Euro. Bisher unkommentiert blieben Zeitungsberichte, die von Verlusten in Höhe von etwa einer Milliarde Euro über die letzten zehn Jahre berichten. Ein Rückblick auf die letzten 20 Jahre ergibt ebenfalls kein besseres Bild. Die Verluste konnten sich stets sehen lassen; möglicherweise aber gab es doch ein, zwei Mal ein in etwa ausgeglichenes Ergebnis. Und immer wurden die Verluste im Geschäft mit Pkw-Reifen erlitten. Zum Verlauf des Nutzfahrzeugreifengeschäftes in Amerika äußerte Dr. Hippe sich mit keinem Wort. Man kann dennoch davon ausgehen, dass die Division auch 2007 wieder erfolgreich war, wenngleich sich negative Tendenzen nicht verheimlichen lassen. So ist zu vermuten, dass die Ergebnisse der Nutzfahrzeugdivision in ganz Amerika unter Plan lagen.
WamS feiert Contis Finanzchef
In der Welt am Sonntag vom 3. Februar hört sich ganz leicht an, was schwarz auf weiß geschrieben steht: „Conti-Finanzvorstand saniert US-Reifengeschäft.“ Und es heißt ferner: „Um die Wende zu schaffen, senkte Conti in den USA die Kosten in Produktion, Logistik und Verwaltung. Zugleich trug eine neue Kunden- und Marketingstrategie sowie ein erneuertes Angebot im Ersatzgeschäft mit dem Endkunden zum Erfolg bei.“ All diese Punkte spielten auch im Gespräch dieser Zeitschrift mit Alan Hippe eine Rolle. Zu keiner Zeit aber wurde der Eindruck erweckt, man habe mit nur cleverer oder gar genialer Justierung einiger Stellschrauben auf die Schnelle erreicht, woran alle anderen bisher – im Grunde seit 20 Jahren – gescheitert sind.
Die Straße zum Erfolg
Ohne Markt und ohne Fortune ist Erfolg undenkbar. Nicht etwa, dass alles Glückssache sein soll, aber ohne Marktunterstützung geht es dann doch zumeist schief. Erst gar nicht zu reden von Managern, die ihre subjektiven Fehler vertuschen und von objektiven Schwierigkeiten wundersamerweise reden können. Vielleicht aber lässt es sich so formulieren: Je besser ein Management ist, umso mehr Fortune hat es dann auch.
Der Markt in USA war 2007 besser als 2006 und doch alles andere als einfach. Immerhin ist es den Reifenherstellern gelungen, eine Preiserhöhung von in etwa fünf Prozent durchsetzen zu können, während andererseits die Rohstoffkosten nur sehr moderat angestiegen sind. Das hat allen Reifenherstellern geholfen, auch und besonders Continental. Dennoch gilt: Preiserhöhungen ankündigen ist relativ einfach, sie auch umzusetzen schon schwieriger. Diese Aufgabe wurde gelöst.
Produktionsverlagerung in „Low-Cost-Countries“
Auf der unendlich langen Straße zum Erfolg hat es weitere unzählige Baustellen gegeben, die über die Jahre abzuarbeiten waren. So wurden in Nordamerika Fabriken geschlossen, das Headquarter verlagert, letztlich konnte doch nach heftigen Kämpfen eine Einigung mit streikenden und prozessierenden Belegschaften gefunden werden. Mit diesen Kosten ist das Reifengeschäft 2007 weitgehend nicht mehr belastet gewesen. Man hat sich somit ein Stück weit gesundschrumpfen können. Amerikanische (Inlands-)Produktion kommt jetzt nur noch aus Mt. Vernon. Diese allerdings relativ kleine Fabrik scheint ungefährdet, Hippe bestätigte der NRZ, dort gut 100 Millionen US-$ investieren zu wollen. Der große US-Reifenmarkt wird mehr und mehr mit Reifen aus brasilianischer, mexikanischer und europäischer Produktion aus Low-Cost-Countries neu in Angriff genommen und versorgt. Zu dieser Entwicklung, die der Konzern europaweit perfekt vorgemacht hat, gibt es auch in „the Americas“ aus betriebswirtschaftlicher Sicht für die Conti keine Alternative. Volkswirtschaftlich ist es dennoch äußerst unbefriedigend. Der Konzern produziert in Ländern mit Verbrauchern ohne Kaufkraft und sucht stattdessen Absatz in einem Markt, in dem er als Produzent nicht wettbewerbsfähig war und ist. Und ohne Risiken ist das ja auch nicht, was ein schwacher Dollar gegenüber dem Euro, aber auch dem brasilianischen Real derzeit unterstreicht.
Das Problem Erstausrüstung besteht weiter
Der Geschäftsbereich Erstausrüstung ist nach wie vor in roten Zahlen. Vom Erstausrüstungsgeschäft per se kommt Continental so schnell nicht los. Das will Hippe auch nicht, aber er will nicht nur ein ausgeglicheneres Verhältnis von Lieferungen in das Erstausrüstungs- und Ersatzgeschäft, sondern er will vor allem „die richtigen Reifen“ liefern. Vereinfacht: Alle kleinen, Verluste erzeugenden Reifendimensionen raus, Ultra-High-Performance-Reifen statt Brot-und-Butter-Reifen. Auf diese Idee sind allerdings seine Konkurrenten auch schon gekommen, sodass „der Verteilungskampf“ nicht einfach sein wird. Kein Reifenhersteller wird nur die Rosinen bekommen, weil sich kein Automobilhersteller eine schlanke Begünstigung einzelner Zulieferer leisten kann. Zunächst sind ja sowieso noch Verträge zu erfüllen. Doch das Schicksal schlug in Amerika im vergangenen Jahr nicht unbarmherzig zu. Ford-Autos zum Beispiel, aber auch andere Autobauer, ließen sich schlechter als vorausgeplant verkaufen. Jeder nicht benötigte Reifen reduzierte die Verluste im OE-Geschäfte damit automatisch und sorgte für zusätzliche Volumina im Ersatzgeschäft. Diese zusätzlich unterbringen zu müssen, muss allerdings auch kein Zuckerschlecken gewesen sein.
Und so wird im amerikanischen OE-Geschäft unter Hippe weiter aufgeräumt. Gingen im Jahr 2005 nach Aussage des Conti-Finanzchefs rund 16 Mio. Reifen in die Erstausrüstung und circa zehn Millionen ins Ersatzgeschäft, so wies A. Hippe auf einen seitdem vollzogenen Rückgang der EA-Lieferung um 25 Prozent bei gleichzeitigem Anwachsen des Ersatzgeschäfts um 20 Prozent hin, sodass das Ziel eines ausgeglichenen Verhältnisses erreicht werden konnte. Nach Dollar und Euro stellen sich die Verhältnisse umso besser dar.
So schön das ausgeglichene Verhältnis auch ist, es ist durch teilweise Aufgabe von Lieferungen in die OE erst zustande gekommen. Sollte das Unternehmen nicht zu ertragsfähigeren Preisen im Erstausrüstungsgeschäft kommen können, wird Hippe den Schrumpfungsprozess fortsetzen. Bessere Preise und attraktivere Reifendimensionen kann er nur gewinnen, wenn er über die entsprechenden Produktportfolios verfügt.
Hippe bekräftigte, dass die Aufwendungen für R&D nicht gekürzt worden seien. Zudem seien „trend scouts“ im Markt, die für ihn dies herausfinden sollen: „Was will der Markt, was will der Markt jetzt und wie können wir diese Erfordernisse schnell erfüllen.“ Wenn der amerikanische Markt nach für amerikanische Verhältnisse und Ansprüche gefragten Reifen verlange, dann müsse sein Unternehmen in die Lage versetzt werden, solche Reifen auch anbieten zu können. Und er fügt im weiteren Verlauf des Gesprächs hinzu, der Markt wolle in aller Regel größere Reifen, für deren Verkauf viele Hersteller hart kämpfen. Hippe jedenfalls ist bereit, einen harten Kampf für solche Produkte zu führen. Es mache wenig Sinn, das liefern zu wollen, was man habe, sondern man müsse das haben, was der Markt wolle.
Wechselkurse nicht hilfreich für das Amerikageschäft – Dennoch verlockend
Der weiter schwache Dollar hat 2007 nach Hippes Worten dem Geschäft nicht geholfen. Er habe so gesehen hohe Preise für Lieferungen aus Europa zahlen müssen und auch, bedingt durch die Entwicklung des Real, mehr Geld nach Brasilien schicken müssen.
Dennoch muss man sich den „Grauen Markt“ einen Moment ansehen. Es hat Lieferungen in großem Umfang aus den USA nach Europa, besonders nach Deutschland und England gegeben. Das wird auch im Handel bestätigt. So gibt es neben einem Angebot „billiger Conti-Reifen mit alten Profilen“ – woher diese auch kommen mögen – größere Mengen hochwertiger UHP-/SUV- bzw. OR-Reifen. Diese in Europa produzierten Reifen haben die Reise über den Atlantik gleich zwei Mal gemacht. Erst wurden sie an die amerikanische Organisation verkauft und kurz darauf schipperten dieselben Reifen, gewollt oder ungewollt, über US-Großhändler zurück, die dieser Zeitschrift namentlich bekannt sind. Das ist bemerkenswert. Zum einen ist deutlich, dass die Margen bei vielen SUV-/OR-Reifen so gewaltig, die Transportkosten völlig zu vernachlässigen sind und selbst nicht unbedeutende Währungsschwankungen zu managen sind. Nicht nur das. Wer dann noch sieht, wie billig die zurückgekommenen Continental- wie General-Reifen verkauft werden konnten, muss konzedieren, dass sich die amerikanische Organisation auch mit Geschäften ein Stück weit geholfen hat, die sie im Konzerninteresse besser konsequenter bekämpft hätte.
Hier soll nicht der Eindruck erweckt werden, man könne mit ein wenig Graumarktgeschäften den US-Reifenarm sanieren und der Vorgang ist keinesfalls nur im negativen Sinn bemerkenswert. Die Aussage von A. Hippe, die von ihm geführte Division habe einen wirklichen Turnaround vorgelegt, der von nun an nachhaltige Ergebnisbeiträge erwarten ließe, wird unterstrichen. So läuft die brasilianische Fabrik noch nicht auf Hochtouren. Sie hat bisher erst mal die so bezeichneten Brot-und-Butter-Reifen aus den Formen gespuckt; die größeren Kaliber kommen noch, vermutlich bereits 2008. Und damit ist mehr Geld zu verdienen. Vereinfacht gesagt: Selbst wenn man hochwertige Reifen relativ billig vermarktet, verdient man mehr als mit relativ teurer Vermarktung von Brot-und-Butter-Reifen.
Produktinitiativen
Dass die Produkte nicht dem entsprachen, was für Amerika nötig ist, von den Produktportfolios der Marken ganz zu schweigen, hatte schon der schnell in USA gescheiterte Dr. Ulrich Wellen erkannt und Maßnahmen eingeleitet. Es ist aber, und das wird Marktbeobachtern aus internen wie externen Quellen bestätigt, Hippes Verdienst, dass jede Menge neuer Reifen im Markt sind. Wie kein anderer vor ihm hat Hippe das Gaspedal im Wissen darum durchgetreten, dass ohne die richtigen Produkte und ohne das richtige Produktportfolio für die beiden Marken General und Continental nichts zu bewirken ist. Hippe: „Dank unserer 2005 gestarteten Produktinitiative sind 50 Prozent der derzeit im Markt befindlichen Reifen völlig neu.“ Zudem werden mit den zur Verfügung stehenden Produktpaletten mit der Marke Continental 76 Prozent (bis dato unter 50 Prozent) und mit der Marke General 70 Prozent (zuvor ca. 40 Prozent) abgedeckt. Die Erreichung dieses Standes habe eine Steigerung des R&D-Aufwands selbstverständlich zur Folge gehabt. Vor allem aber sei ein tiefer Dialog mit Fachleuten, mit Händlern, begonnen worden. Was will der Markt, was braucht der Markt? Ist das für Conti technologisch machbar und wie schnell ist es machbar. Dann sei das Portfolio in der Vergangenheit, so sagt Hippe, „nicht immer stimmig“ gewesen, die notwendigen Bereinigungen seien vorgenommen worden. Und als Beweis dafür, dass mit dem richtigen Produkt, dem richtigen Portfolio auch Erfolge möglich sind, führt er die neue Produktlinie General Altimax an, von der deutlich über eine Million Reifen auf Anhieb abgesetzt worden seien. Dieses Geschäft habe den Handelskunden in voller Breite Freude bereitet.
Neue Markenphilosophie oder Markenstrategie
So viel wird schnell deutlich: General und „broad market“ gehört für Dr. Hippe wie ein Paar Schuhe zusammen. Dasselbe gilt für Continental und „Premium“. Die über viele, viele Jahre in hohen Stückzahlen verkauften House und Private Brands gibt es so gut wie nicht mehr und werden in kurzer Zeit wohl ganz auslaufen. Um sich einen Verzicht auf diese preisgünstigen Reifen leisten zu können, braucht man eine Premiummarke. Zum besseren Verständnis: Als Hersteller wie BFGoodrich, Firestone oder auch General noch allein und unabhängig waren, haben sie sich eingebildet, eine „erste Marke“ und damit eine Premiummarke zu haben. Um aber auch die weniger anspruchsvollen Kunden bedienen zu können, hat man House und Private Brands erfunden. Schon vor Jahren erkannte Michelin in Nordamerika, dass es besser war, auf eine Mehrzahl von House oder Private Brands zu verzichten, dem Handelskunden sogar zu empfehlen, lieber eine nicht aus dem Michelin-Konzern stammende billige Marke zum Mitverkauf zu empfehlen. Es ist einfach erforderlich, zufriedene Händler zu haben, also erfolgreiche Händler.
Was heute in Nordamerika bei der Continental geschieht, kann daher wohl so beschrieben werden: Qualitativ ist die Marke General durch die vollständige Rückendeckung des Conti-Konzerns ohne Fehl und Tadel und in der Lage, mit allen anderen führenden Reifenmarken mithalten zu können. Das Markenimage und die Markenbekanntheit sind außerordentlich stark verbesserungswürdig und verbesserungsfähig, aber das kostet nicht allein Geld, sondern ist nur über eine lange Zeitachse hinweg machbar. General ist somit etwas für den, wenn man so will, „Allerweltsmarkt“ und das in voller Breite. Damit ist kein negatives Werturteil verbunden, sondern damit wird einfach nur nachvollzogen, was hierzulande als „Phänomen des verschwindenden Mittelbauchs“ beschrieben wird. Marketing-Koryphäen wollten glauben machen, es gebe denn Premiumbereiche, Medium-, Economy-, Budget- und Low-Budget-Segmente, die samt und sonders andere Zugänge zum Markt erforderten. Demzufolge hätte der so avisierte „Medium-/Economybereich“ den „Mittelbauch“ dargestellt. Eine realistischere Sichtweise führt nun aber zu der Erkenntnis, dass es sehr wohl noch den ausgesprochen anspruchsvollen Verbraucher gibt, der bereit ist, für ein – wie er meint – besseres Produkt, bekannteres Produkt, vielleicht gar – wenn er es denn schon meint – „Sexy-Produkt“ auch mehr zu bezahlen. Der gesamte Rest aber will auch Qualität, will weniger als je zuvor Billigreifen haben, sondern er will Markenreifen, diese aber billiger! Diesen Wechsel hat Continental in Nordamerika offenbar vollzogen bzw. ist auf sehr gutem Wege damit. Optional dürfte die europäische Strategie nicht anwendbar sein. Mit Marken wie Semperit und Uniroyal kann man immer noch ohne großen Werbeaufwand bestimmte Kanäle oder auch „nur“ Großkunden glücklich machen. In den USA gibt es für den „broad market“ nur General. Positiv gewendet bedeutet dies aber auch, dass das große Thema Komplexität, das eine immer größere Rolle spielen wird, relativ gut beherrscht werden kann. Und ein Unternehmen mit überschaubaren Marktanteilen muss nicht alles machen. Viel erfolgversprechender sind da schon all die bisher bereits eingeleiteten Maßnahmen, die zur verstärkten Markenwahrnehmung führten.
Distribution und Logistik bleiben die großen Themen
Conti hat für Amerika die Produktionsstätten und nun auch die Produkte. Wie sieht es mit den Kunden aus in dem nach Größe mit ganz Europa vergleichbaren Land?
Fast bedauernd stellt Dr. Hippe fest, er könne sich nicht auf eine große eigene Handelskette stützen, doch das Bedauern geht dann doch nicht so weit, dass man annehmen könne, das Unternehmen denke über den Erwerb einer solchen ernsthaft nach.
Zunächst bleibt es bei dem seit einigen Jahren eingeschlagenen Weg über die Autohäuser. Der Lieferanteil in die Erstausrüstung war immer schon beachtlich, der Nachlauf im Ersatzmarkt hingegen mager. Das wurde bereits unter der Führung seines Vorgängers Martien de Louw geändert, der insbesondere mit der Marke Continental die Autohäuser für sich einnehmen wollte. Dieser als richtig erkannte Weg wird fortgesetzt.
Im – wie man es in Deutschland beschreiben würde – „freien Handel“ war das Unternehmen in Nordamerika nie so richtig im Geschäft. Dafür waren die Probleme zu groß. Allein war General zu klein, Nordamerika auch nur halbwegs flächendeckend bearbeiten und beliefern zu können. Das Logistikproblem ist nicht zu unterschätzen.
Bei einigen der so bezeichneten Mass Merchandiser, also Ketten wie Sears und andere, lief das Geschäft für General aber immer schon wie geschmiert. Ob es ertragsmäßig auch zur Freude gereichte, bleibt offen. Doch auch in dieser Hinsicht könnte sich einiges in naher Zukunft gravierend ändern. Mass Merchandiser haben anfangs Reifen angeboten, um Kunden in ihr Geschäft zu ziehen, die während des Einkaufs sodann einen Reifenwechsel vornehmen lassen konnten, getreu der amerikanischen Devise, nicht unnütz Zeit zu verplempern. Jedermann reklamiert für sich: „Time is money. Und wenn schon money, dann sollte es jedenfalls wenig Geld sein. Beratung Fehlanzeige.
Hier aber ist vieles einem Wandel unterzogen. Mass Merchandiser wie Wal-Mart, Sam’s, Sears und eine Handvoll weiterer wissen inzwischen mit dem Reifengeschäft mehr anzufangen. Vor allen Dingen aber wollen sie nicht länger Billigreifen, sprich House und Private Brands, haben. Vielmehr wollen sie Markenreifen, Premiumreifen haben. Und zwar günstig. Günstig sind auch die Zeiten. Doch große Reifenhersteller wie Goodyear, Michelin und Bridgestone sind erst relativ spät in den Mass-Merchandiser-Kanal gegangen. Erst musste sich die Erkenntnis durchsetzen, dass im marktanteilsgeilen Amerika Zugewinne ohne Besetzung eines jeden Absatzkanals nicht mehr möglich waren. Da die Angst vor den Hauptabnehmern, dem traditionellen Reifenfachhandel, jedoch beträchtlich war, schlug die große Stunde für „Marken-Rastellis“. Diese meinten, das alles sauber managen zu können. Am besten wäre ohnehin, diese Mass Merchandiser bekämen ihre eigenen namenlosen Billigschienen und sollte es sich doch mal um Markenreifen handeln, dann nur um solche mit Uraltprofilen. Das jeweilige Spitzenprodukt sollte aber „dem Fachhandel“ vorbehalten bleiben.
Auf Dauer kann eine solche Situation natürlich nicht befriedigen. Und auch nicht funktionieren. Die Mass Merchandiser lernen mit zunehmender Erfahrung, nicht die richtigen Produkte zu haben und die Reifenhersteller verdienen mit ihren Billig-Billig-Reifen erst recht nichts bis äußerst wenig. Und auch der Hinweis auf die unfähigen Verkäufer, denen es nicht vergönnt ist, die Reifen zu einer Qualitätsware angemesseneren und damit besseren Preisen verkaufen zu können, kann nicht überzeugen.
Also: Preiserhöhung! Für alte Auslaufprodukte? Da muss man bereits ziemlich naiv geworden sein. Mass Merchandiser sind inzwischen in einer weitaus bedeutenderen Position als sie jemals waren. Wer sich einmal mit ihnen im großen Umfang abgegeben hat – also z. B. Michelin, Goodyear, Bridgestone, aber eben auch General –, der wird sich einen Rückzug nicht mehr leisten können. Schon längst geht es doch um weit, weit mehr als nur einen zusätzlichen Marktanteil.
Auch in Zukunft wird Continental in Amerika im Reifengeschäft nicht auf die Mass Merchandiser und auch nicht auf Großhändler verzichten können. Nur mit diesen Handelsgruppen ist das Logistikproblem lösbar. Es ist völlig unmöglich, viele tausend Kunden von der West- bis zur Ostküste kontinuierlich beliefern zu können. Fraglich ist jedoch, welche Wege der Konzern einschlagen kann, um mit diesen Großhändlern zu einem gewissen Verständnis zu kommen. Das setzt eine sehr enge Zusammenarbeit voraus, das setzt auch weitere Investitionen voraus bzw. die Hinnahme hoher Kosten in Form von Marketingausgaben. Ein paar Handzettel werden es nicht machen. Es geht um gemeinsam mit ausgewählten Großhändlern zu entwickelnde Marketingprogramme, sofern man sich auch nur die Spur eines Markteinflusses sichern will. Und ein Weltkonzern wie Continental kann auf Dauer auf die Erlangung von Markteinfluss nicht verzichten.
Hippes Ergebnis jedenfalls kann sich mehr als nur sehen lassen. Spötter waren davon ausgegangen, der Vorstandsvorsitzende könne doch im Zusammenspiel mit seinem Finanzvorstand ein kleines Wunder herbeizaubern. Der Turnaround ist aber nun auch ohne zauberhafte Buchungsarbeit gelungen. Ob die Zahlen allerdings so robust und belastbar sind wie gesagt wird, kann nicht beurteilt werden, denn dazu waren Hippes Angaben, immer wenn es um Konkretisierung von Zahlen ging, zu vage. Überraschend war das nicht, weil der Konzern schließlich erst in der übernächsten Woche offiziell über das Vorjahr berichten wird und bis dahin zu schweigen hat. Ob dann mehr Einblick in das Amerikageschäft en détail kommt, bleibt abzuwarten.
Ein paar Anmerkungen noch zum Schluss. Wenn auch einige Maßnahmen eingeleitet worden waren, bevor Dr. Hippe Verantwortung übernommen hat, so überzeugt doch das Tempo, in dem diese fortgeführt worden sind. Noch überzeugender wohl, dass Hippe in alle Ecken des Geschäftes gesehen hat. In Kanada wurden nach Hippes Angaben gleich 50 Prozent mehr Reifen verkauft als zuvor, darunter sehr viele Winterreifen. Das hätten andere vermutlich auch gekonnt. Nur gemacht haben sie es eben nicht.
Seine mit Nachdruck vorgetragene Aussage, der Turnaround sei nachhaltig, ist nach allem nachvollziehbar. Die Produktionsbasis stimmt, die Produktqualität ist ohne Zweifel gut und das bereits gute Markenportfolio sowohl von General als auch von Continental wird sicher weiter verbessert werden. Das alles spricht dafür, dass keine Eintagsfliege produziert worden ist und der Konzern nunmehr eine Baustelle weniger hat, auf der bisher so viel Blut geflossen ist.
Doch haben wir bereits die Stunde der Wahrheit erlebt? Das ist nicht ganz klar. Immer noch muss die Frage beantwortet werden, was Continental im amerikanischen Reifengeschäft will, welche Ziele dort verfolgt werden. Einfach mitschwimmen wie bisher, wird auf Dauer wohl nicht möglich sein. Wird sich der Konzern mit einem relativ geringen Marktanteil begnügen und dabei mehr und mehr lediglich auf Premiumprodukte setzen oder geht es wirklich um Premium wie Broad Market?
Vielleicht aber ist intern diese Frage schon gar keine mehr. Wenn CEO Manfred Wennemer es ernst meint mit seiner Aussage, der Konzern solle mindestens 40 Prozent seiner Umsätze auf Dauer aus den Ersatzmärkten genieren, geht es erstens nicht ohne Reifen und zweitens nicht ohne „the Americas“. Außerhalb des Reifenbereichs sieht man kaum Umsätze aus Ersatzmärkten. Daraus könnte folgen: Continental ist mit Reifen noch lange nicht am Ziel, die nächste Akquisition nur eine Frage der Zeit. Vermutlich jedenfalls.
klaus.haddenbrock@reifenpresse.de
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