Galgo setzt auf ranke und schlanke Organisation
Während der vergangenen Jahre hat sich auf dem europäischen Kaltrunderneuerungsmarkt vor allem eines gezeigt: Anbieter von außerhalb Europas haben es zusehends verstanden, sich einen immer größeren Marktanteil zu sichern. Zahlen zufolge, die der NEUE REIFENZEITUNG vorliegen, lag der Anteil der Laufstreifen, die nicht von Bandag, Marangoni/Ellerbrock, Kraiburg oder Michelin stammten, im Jahr 2000 noch bei 18 Prozent. 2005 hatten die „Anderen“ sich bereits 29 Prozent vom europäischen Markt gesichert. Und es gibt Marktkenner die vorhersagen, dass diese Gruppe von Unternehmen in den kommenden drei bis fünf Jahren sogar jeden zweiten Laufstreifen für die Kaltrunderneuerung in Europa liefern werden. Einer dieser Marktkenner ist Joe Krimpenfort, der für den Materiallieferanten Galgo Pre-Q Europe als General Manager einen entsprechend größeren Anteil vom europäischen Kuchen reklamiert.
„Die alte traditionelle Elite wird wirklich eine harte Zeit haben“, sagt Joe Krimpenfort, und meint damit die – so seine Annahme – zusehends unter Druck geratenen „Big-4“ der Kaltrunderneuerungsbranche, also Marangoni, Bandag, Kraiburg und Ellerbrock, wie auch Michelin (Recamic). Aktuell dürften diese Unternehmen noch gut zwei Drittel des europäischen Marktes bedienen – Tendenz stark fallend, so der General Manager von Galgo Pre-Q Europe. Vor sieben Jahren hatten die selben Unternehmen noch einen Marktanteil von über 80 Prozent in Europa. Allein der Trend der vergangenen Jahre reiche bereits aus, um Prognosen für die kommenden Jahre abgeben zu können. Und die sehen laut Joe Krimpenfort eben so aus, dass die Materiallieferanten von außerhalb Europas, deren Marktanteil in Europa heute bei etwa einem Drittel liegt, in naher Zukunft bereits 50 Prozent des Marktes für sich beanspruchen werden. Eine entsprechende Gewichtsverschiebung hin zu Unternehmen wie eben auch Galgo dürfte sich bereits während der kommenden drei bis fünf Jahre abspielen. Das eine ist der längerfristige Trend, der entsprechende Prognosen ermöglicht. Das andere sind Marktveränderungen, die derzeit und/oder in naher Zukunft (vermutlich) stattfinden.
So habe sich insbesondere während der vergangenen Jahre eines gezeigt, so der General Manager des 2003 im belgischen Tongeren gegründeten Unternehmens: „In Europa ist die Zeit der Systemanbieter zu Ende. Diese ist aus und vorbei.“ Damals, als die Kaltrunderneuerung mit vorvulkanisierten Laufstreifen noch ein hochinnovativer Fertigungsprozess war und notwendige Technologien und Kenntnisse erst am Markt platziert werden mussten, hatten Unternehmen, die als Anbieter exklusiver Systeme auftraten, noch ihre Berechtigung. Vor dem Hintergrund einer etablierten Technologie und zunehmendem internationalen Wettbewerb auch in Europa gerät die marktbeherschende Stellung entsprechender Anbieter aber mehr und mehr ins Wanken.
Dass mit entsprechenden Beobachtungen natürlich zu allererst einmal Bandag gemeint ist, liegt auf der Hand. Krimpenfort, der jahrelang für den US-Runderneuerungskonzern gearbeitet hat, u.a. als Vizepräsident für Europa, sieht denn also auch in Bandag den großen Verliererer der prognostizierten Marktverschiebungen. Ein entsprechender Trend sei bereits während der vergangenen Jahre erkennbar gewesen. Erhebungen der NEUE REIFENZEITUNG zufolge hatte Bandag im Jahr 2000 noch einen Marktanteil von 33 Prozent am europäischen Kaltrunderneuerungsmarkt. 2005 waren dies noch gerade einmal 22 Prozent und aktuell, so schätzt Krimpenfort, sind dies noch gut 18 Prozent. Die Marktanteile der anderen Unternehmen aus der Gruppe der „Big-4“ inklusive Michelin (Recamic) haben sich im selben Zeitraum weitestgehend stabil entwickelt. Galgo Pre-Q Europe hingegen sei eine „ranke und schlanke Organisation“, so Krimpenfort. Die Vertriebsgesellschaft des mexikanischen Unternehmens, das im Heimatland rund 60 Prozent Anteil am Runderneuerungsmarkt (Kalt- und Heißrunderneuerung) hat, sei folglich eine wesentlich beweglichere und kosteneffizientere Einheit als die großen Konzerne. Derzeit hat das Unternehmen in Europa zwei feste Mitarbeiter: Joe Krimpenfort und sein Administrative Manager Arturo Baledón – „Wir sind Galgo.“ Während Krimpenfort die Kunden auf den Märkten in Benelux, Österreich und Schweiz selber betreut und hier und europaweit neue Kundenbeziehungen aufbaut, wird der so wichtige deutsche Runderneuerungsmarkt mit seinen 80 Kaltrunderneuerern von Hans-Joachim Florek betreut, der ebenfalls früher in den Diensten Bandags stand. Gemeinsam mit dem deutschen Sales Representative, der im übrigen zusätzlich auch für den dänischen Markt zuständig ist, stehen fünf weitere „überaus erfahrene“ Außendienstmitarbeiter bei Galgo Europa in Diensten. Der General Manager ist derzeit auf der Suche nach einem weiteren Sales Representative für Großbritannien und Irland. Diese freie Stelle soll möglichst schnell besetzt werden, damit Galgos Wachstumspläne umgesetzt werden können, so Krimpenfort gegenüber der NEUE REIFENZEITUNG. Auch überlege man derzeit, ob langfristig für den süddeutschen Raum nicht ein weiterer Sales Represantative angestellt werden müsste, um den stetig wachsenden Kundenkreis entsprechend betreuen zu können.
Wenn Joe Krimpenfort vom „Ende der Systemanbieter“ und davon spricht, dass es insbesondere die „Big-4“ der Branche in Zukunft noch schwerer haben werden, sich gegen die zunehmende Konkurrenz von Lieferanten aus der (noch) zweiten Reihe zur Wehr zu setzen, dann sieht er sein Unternehmen natürlich am Drücker. Wenn die „Anderen“ also in drei bis fünf Jahren einen Marktanteil von rund 50 Prozent bei der Kaltrunderneuerung erreichen, dann – so die „ambitiöse aber mögliche Annahme“ – werde Galgo knapp ein Drittel dieses Marktanteils der „Anderen“ für sich behaupten; insgesamt werde Galgos Marktanteil also auf rund 15 Prozent anwachsen, sollte die von Krimpenfort prognostizierte Entwicklung wirklich eintreten.
Wo in dieser Betrachtung die Neureifenhersteller ihren Standort haben, könne man derzeit nicht mit Bestimmtheit sagen. Bridgestone – so viel steht fest – habe sich durch die Milliarden-Übernahme von Bandag einen Marktanteil von derzeit noch knapp 20 Prozent in Europa gesichert. Was Bridgestone daraus macht, könne derzeit ebenfalls nicht mit Sicherheit gesagt werden. Die Verantwortlichen in der europäischen Bridgestone-Zentrale in Belgien sind gegenwärtig intensiv damit beschäftigt, die Bandag-Integration zu vollziehen und zu klären, wie Bridgestone in Europa genau aus der Akquisition Profit schlagen will. Offizielle Stellungnahmen dazu gibt es derzeit noch nicht. Die Übernahme Bandags – da sind sich alle Beobachter einig – hat zunächst einmal den US-amerikanischen Markt zum Ziel.
Michelin – laut Joe Krimpenfort der einzige Neureifenhersteller, der eine eigene „tragfähige Runderneuerungsphilosophie“ besitzt – ist mit seinen Marken Remix (werkseigene Heißrunderneuerung) und Recamic (Kalterneuerung) mit großem Abstand Marktführer auf dem Gesamtmarkt mit einem Marktanteil von rund 30 Prozent. Betrachtet man aber nur den europäischen Markt für Kaltrunderneuerungen, so kann Michelin mit seinem Recamic-Verfahren europaweit seit Jahren einen Marktanteil von nur – muss man fast sagen – um die fünf Prozent für sich behaupten. Michelin-Runderneuerte, das sind zunächst Remix-Heißrunderneuerte.
Die Versuche der anderen großen Neureifenhersteller wie Goodyear-Dunlop (Next Tread), Continental (ContiTread und Contire) oder Pirelli (Novateck), im Runderneuerungsmarkt Fuß zu fassen, seien aus der puren Notwendigkeit heraus entstanden, meint Joe Krimpenfort, der ebenfalls 14 Jahre für Goodyear-Dunlop (u.a. als Geschäftsführer Benelux) gearbeitet hatte. „Sie können es sich nicht leisten, nichts zu tun. Der Markt zwingt sie dazu, etwas in Sachen Runderneuerung zu tun.“ All die oben genannten Unternehmen wollten zunächst einmal Neureifen verkaufen, bieten aber auch runderneuerte Reifen an, um ihre wertvollen Karkassen im Wertschöpfungsprozess des eigenen Unternehmens zu halten.
Dass Materiallieferanten aus der so genannten zweiten Reihe von einer deutlichen Entwicklung des Gesamtmarktes in Europa profitieren können, scheint eher ungewiss, denn eine solche „deutliche“ Entwicklung wird es nicht geben. Sie gewinnen Marktanteile über einen hart geführten Verdrängungswettbewerb. Europaweit werden derzeit jährlich etwa 7,5 Millionen Lkw-Reifen heiß- und kalterneuert. Dabei liegt der Kaltrunderneuerungsanteil heute bei unter 60 Prozent in Europa. Dem aktuellen Trend hin zur Heißrunderneuerung (vgl. „Retreading Special“ von Juni 2006) folgend wird dieser Anteil bis 2010 auf rund 50 Prozent sinken. So oder so, der europäische Gesamtmarkt wird in den kommenden fünf Jahren auf schätzungsweise acht Millionen runderneuerte Reifen insgesamt steigen. Dabei stamme das Wachstum aber hauptsächlich aus den Ländern des ehemaligen Ostblocks, also nicht aus Westeuropa. Allerdings, meint Joe Krimpenfort, gebe es in diesen Staaten im Osten Europas eine „emotionale Aversion gegen die Runderneuerung“, die zunächst einmal auf Vorurteilen basiere. Diese Vorurteile gegen vermeintliche Gebrauchtreifen, nachdem man jahrzehntelang generell auf Markenprodukte verzichten musste, scheint zumindest nachvollziehbar. Die Unwissenheit über mögliche Kosteneinsparungen und den Gewinn an Laufleistung durch die optimale Nutzung von runderneuerten Reifen könne durch einen „Bildungsprozess“ verringert werden, hofft der General Manager von Galgo Pre-Q Europe. So lange aber das Straßennetz nicht ausgebaut ist wie in Westeuropa und so lange die Fuhrparks nicht vergleichbar sind mit denen in Westeuropa, so lange werde auch die Runderneuerungsquote in Osteuropa niedrig bleiben. Von Werten wie in Skandinavien mit bis zu 70 Prozent könne man da nur träumen.
Um auf die derzeit stattfindenden Marktveränderungen vorbereitet zu sein, erweitert die europäische Vertriebsniederlassung des mexikanischen Materiallieferanten demnächst ihre Lagerkapazitäten im Standort in Tongeren. Die derzeitige – gemietete – Lagerfläche beträgt 1.300 m² und soll bis zum Jahresende durch eine Neuaufteilung der Hallen um über 50 Prozent auf 2.000 m² erweitert werden. Der durchschnittliche Lagerbestand werde im selben Zeitraum zwar nur von derzeit 500 Tonnen auf dann 700 Tonnen Laufstreifen ansteigen, dafür wird sich aber die Umschlagshäufigkeit erhöhen, erläutert Joe Krimpenfort. Um die dazu gehörige Logistik reibungsloser zu bewerkstelligen, müssten die derzeit eher beengten Verhältnisse aufgelöst werden. Obwohl die mexikanische Muttergesellschaft, die vor 55 Jahren gegründet wurde, in Nord- und Lateinamerika auch Materialien für die Heißrunderneuerung vermarktet, vertreibt Galgo in Europa ausschließlich Laufstreifen für die Kaltrunderneuerung. Unvulkanisiertes Gummi drei Wochen lang in nicht klimatisierten Containern von Mexiko nach Tongeren zu transportieren, sei eben nicht gut für die Qualität der Mischungen, betont Krimpenfort, und ein klimatisierter Transport zu teuer. Gleichwohl vermarktet Galgo Europa aber Bindegummi zusammen mit seinen Laufstreifen, wofür im Lager ein Kühlraum vorgehalten wird.
Derzeit macht Galgo Pre-Q Europe rund 50 Prozent seiner Umsätze auf dem deutschen Markt. Absolute Zahlen zum Umsatz in Europa oder weltweit, veröffentlicht das Unternehmen nicht. Nach Deutschland sei Skandinavien der zweitwichtigste Markt, so Krimpenfort weiter. Wenn die Anbieter, die derzeit noch in der zweiten Reihe hinter den „Big-4“ stehen, einmal 50 Prozent des europäischen Marktes für Kaltlaufstreifen auf sich vereinen, werde auch Europa für das mexikanische Unternehmen eine noch größere Bedeutung haben, so viel ist sicher.
Industrias de Hule Galgo, S.A. de S.V. beschäftigt weltweit rund 1.000 Menschen und wurde 1952 gegründet.
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