Sibur-Russian Tyres gerät an Pirelli-geführte Joint Ventures
Dank einer komplexen Konstruktion zweier neuer Joint Ventures wird Pirelli aller Voraussicht nach im kommenden Jahr größter Reifenhersteller Russlands. Gemeinsam mit dem staatlichen Partner Russian Technologies State Corporation, mit dem der italienische Reifenhersteller seit 2008 die Errichtung einer Pkw-, Lkw- und Stahlcordfabrik im russischen Togliatti für 250 Millionen Euro plant, die aber aufgrund der Marktsituation bisher noch nicht gebaut wurde, übernimmt Pirelli sämtliche Produktionskapazitäten von Sibur-Russian Tyres (SRT). Jeder dritte in Russland gebauter Reifen stammt von SRT. Wie es dazu in einer Mitteilung heißt, werde die Sibur Holding, die aktuell 100 Prozent am größten russischen Reifenhersteller hält, 50,1 Prozent der Anteile an Pirelli und seinen Partner Russian Technologies für eine nicht genannte Summe abtreten. Während unter dem Dach des ersten Joint Ventures, an dem die Sibur Holding mit zehn Prozent beteiligt auch direkt bleiben sein wird, künftig Pkw-Reifen für den Ersatzmarkt, radiale Landwirtschaftsreifen und All-Steel-Lkw-Reifen fertigen wird, wird das zweite Joint Venture Pkw-Reifen für die Erstausrüstung, Lkw-Reifen und konventionelle Landwirtschaftsreifen fertigen. Gleichzeitig soll die oben erwähnte neue Reifenfabrik vom ersten Joint-Venture-Unternehmen gebaut werden; die Sibur-Holding wird daran also künftig ebenfalls beteiligt.
Das Abkommen, das die Beteiligten Parteien am Freitag in Moskau unterzeichneten, stehe für eine „beträchtliche Beschleunigung unseres Zugangs zum russischen Markt im Vergleich zum ursprünglichen Plan“, kommentierte Marco Tronchetti Provera. Die finanziellen Verpflichtungen, die sich aus der Errichtung beider Joint Ventures ergeben, seien durch den „Finanzplan 2011-2015“ abgedeckt, so der Pirelli-Chairman weiter. Tronchetti Provera bezeichnete den russischen Reifenmarkt als einen der Schlüsselmärkte für Pirellis Wachstumsstrategie. Durch die Übernahme der Produktionskapazitäten von Sibur-Russian Tyres durch die beiden neuen Joint Ventures sei Pirelli an entscheidender Stelle an der „Rationalisierung und Konsolidierung des russischen Reifenmarktes“ beteiligt und könne „von günstigen Gelegenheiten profitieren“, die mit der Übernahme bereits gut ausgestatteter Reifenfabriken in Russland verbunden seien, so der Pirelli-Chairman weiter. Darüber hinaus scheint Pirelli bereits in irgendeiner Form mit dem russischen Reifenhersteller Nizhnekamskshina in Verhandlungen zu sein, denn in der gemeinsamen Vereinbarung zwischen dem italienischen Reifenhersteller und seinen beiden russischen Partnern wird darauf verwiesen, „dass die Partnerschaft eine weitere Gelegenheit zur Entwicklung und Konsolidierung durch die mögliche Übernahme oder einen möglichen Zusammenschluss mit Nizhnekamskshina bietet, einen Reifenhersteller, der durch Tatneft kontrolliert wird“. Nizhnekamskshina hat gerade eine neue Lkw-Reifenfabrik in Betrieb genommen, für deren Errichtung die deutsche Continental umfassend Technologie und Know-how bereitgestellt hat. Außerdem tauchten zuletzt im vergangenen Sommer Veröffentlichungen über ein mögliches Zusammengehen von Nizhnekamskshina und Sibur-Russian Tyres auf.
Auch das erste Joint Venture – also das für Pkw-Ersatzmarktreifen, radiale Landwirtschaftsreifen und All-Steel-Lkw-Reifen – wird dem Abkommen zufolge durch Pirelli geführt, auch wenn der italienische Hersteller daran direkt nur 45 Prozent halten wird. Dafür habe man „ein Produktions- und Technologieabkommen“ unterzeichnet. Das zweite Joint Venture, an dem Pirelli direkt 50 Prozent halten wird, wird wiederum mit 40,1 Prozent an Sibur-Russian Tyres beteiligt sein; zusammen mit weiteren zehn Prozent, die Pirelli direkt an Sibur-Russian Tyres als Gegenleistung für technischen und Management-Know-how sowie Lizenzen erhalten wird, kann der italienische Reifenkonzern künftig über 50,1 Prozent am größten russischen Reifenhersteller verfügen und wird somit dort das Sagen haben.
Sibur-Russian Tyres bringt ausschließlich seine Produktionskapazitäten für Reifen in die Joint Ventures ein; Handelsaktivitäten bleiben von dem aktuellen Abkommen offenbar unberührt. Darüber hinaus haben die Partner verabredet, gemeinsam an der Entwicklung von Technologien für die Herstellung von synthetischen Kunststoffen arbeiten zu wollen, die in der Produktion hochwertiger Pkw-Reifen genutzt werden.
Bei Pirelli geht man davon aus, dass die beiden Joint Ventures im kommenden Juni nach erfolgter Genehmigung auch offiziell auf den Weg gebracht werden können. arno.borchers@reifenpresse.de
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