Konzeptpartner Colmec aus Schweden plant weitere Expansionen
Colmec gehört ohne Frage zu den größten Runderneuerern Europas. Mit einer Jahresproduktion von über 150.000 runderneuerten Lkw-Reifen ist das Unternehmen in den Märkten Schweden – dem Heimatmarkt –, Polen, Norwegen und auch in Finnland aktiv und gehört dort jeweils zu den Marktführern. Dabei hat Colmec in den vergangenen Jahren sein umfassendes Konzept noch weiter ausdifferenziert und bietet seither auch heißrunderneuerte Reifen unter dem Markennamen Colmec EcoTire in seinen angestammten Märkten an. Doch es kündigen sich bereits weitere Veränderungen an, die auch den deutschen Markt betreffen könnten, wie die NEUE REIFENZEITUNG bei einem Besuch im kürzlich in Zusammenarbeit mit Kraiburg Austria erweiterten Colmec-Runderneuerungswerk in Polen von Inhaber Peter Eckerström und seinem Topmanagement erfuhr.
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Dass ein europäischer Runderneuerer, der im Jahr über 150.000 Lkw-Reifen in zwei Fabriken in Schweden und in Polen runderneuert, in Deutschland lediglich Experten ein Begriff ist, wirft die Frage auf: warum eigentlich? Die Antwort darauf gibt Peter Eckerström, Inhaber von Colmec mit Sitz im schwedischen Norrköping, und macht dabei eines deutlich: Ein Markt, auf dem man (noch) nicht das komplette Colmec-Konzept anbieten kann, ist kein Markt, den das Unternehmen mit Reifen beliefern will. Oft genug habe das Unternehmen in der Vergangenheit Angebote erhalten, runderneuerte Reifen an einen Wiederverkäufer in einem Markt außerhalb der vier Kernmärkte zu liefern. Eckerströms Antwort darauf: Nein, danke!
Für den Sohn des Firmengründers Bernt Eckerström gehe das Runderneuerungsgeschäft, wie Colmec es seit jeher betreibt und auch betreiben will, weit über das von einigen im Markt betriebene Spotgeschäft hinaus. Exporte nach Osteuropa oder gar nach Russland – von vielen Runderneuerern in Europa und auch in Deutschland in den vergangenen Jahren forciert – haben Peter Eckerström, der die Leitung der Firma 2001 übernommen hat, nie interessiert, sah er doch darin eine zu große Gefahr für das Unternehmen. Zu Recht, wie die Zeit zeigte. So mancher Runderneuerer hat sich dort verzockt und musste Produktionslinien oder gleich ganze Werke schließen, nachdem die Absätze im Osten einbrachen. Aber die fehlende Planbarkeit und Nachhaltigkeit eines entsprechenden Spotgeschäftes und dessen hohe Abhängigkeit von hinzugekauften (teuren) Karkassen ließen sich auch für andere Märkte, etwa in Westeuropa, konstatieren, so Peter Eckerström im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG. Es sei aber am Ende eben eine Frage des Ansatzes.
Ein Runderneuerer, der sein Geschäft langfristig erfolgreich betreiben will, braucht neben einem verlässlichen Produkt, das hält, was der Hersteller verspricht, und das auch zur Marktnachfrage passt, vor allem loyale Kunden und effiziente Prozesse in Produktion und Logistik. Und er muss auch ständig ab Lager lieferfähig sein, ist man bei Colmec überzeugt. Am wichtigsten aber: Der Anbieter muss sich intensiv um seine Kunden kümmern und ihnen ein Gesamtkonzept bestehend aus Produkten – runderneuert oder neu – und Dienstleistungen bieten, das diese anderswo vergeblich suchen.
Im Mittelpunkt des Colmec-Angebots an die über 4.500 Kunden in den vier angestammten Märkten steht natürlich das Produkt. Der schwedische Runderneuerer, der im vergangenen Jahr sein 50-jähriges Jubiläum feiern konnte, steht seit 1990 synonym für die Runderneuerungsmarke Boss. Ausschließlich kaltrunderneuerte Boss-Reifen waren bisher das produktseitige Rückgrat des Unternehmens und für zahlreiche Anwendungen von der Baustelle über Busse bis hin zum Fernverkehr erhältlich. Wenigstens die Hälfte der kaltrunderneuerten Boss-Reifen sind dabei Traktionsreifen mit speziellen Wintereigenschaften, wie sie in nordischen Märkten üblich sind. Als hochwertiges Runderneuerungsprodukt setzt Colmec auch ausschließlich auf Laufstreifen von entsprechend hochwertigen Lieferanten, namentlich Kraiburg Austria und Nokian Tyres. Eckerström bezeichnet den österreichischen Partner dabei als „Entwicklungspartner“, mit dem gemeinsam neue Profile für spezielle Einsätze auf den Weg gebracht werden, aber eben nicht nur.
Die entsprechende Partnerschaft mit Kraiburg Austria trug in den vergangenen Jahren noch weitere Früchte. Gemeinsam richteten die Partner am bereits 1992 eingeweihten Produktionsstandort im polnischen Rudno südlich von Danzig eine Heißrunderneuerung ein – ein Novum für Colmec, denn bis dahin verfügte Colmec noch nicht über eine ausgeprägte Expertise in Sachen Heißrunderneuerung, Kraiburg Austria als Mischungslieferant hingegen schon. Die Produktionslinie ist seit Anfang 2014 in Betrieb und produziert mittlerweile rund um die Uhr in drei Cima-Pressen jährlich 20.000 heißrunderneuerte Lkw-Reifen „der höchsten Qualität“, die auch mit Neureifen keinen Vergleich zu scheuen bräuchten, so Peter Eckerström. Jede Karkasse wird dabei – in der Heiß- wie auch in der Kaltrunderneuerung – eingangs shearografiert. Außerdem kommt am Ende des Produktionsprozesses ein Nagellochdetektor zum Einsatz und es findet eine Druckprüfung statt, um den hohen Ansprüchen an die Qualität zu genügen. Die Gummimischungen stammen dabei exklusiv von Projektpartner Kraiburg Austria. Die vollformerneuerten Reifen, die insbesondere auf der Langstrecke ihre volle Laufleistungsfähigkeit und ihre Vorteile beim Rollwiderstand ausschöpfen könnten, werden dabei nicht unter dem Markennamen Boss vertrieben, sondern als Colmec EcoTire, und zwar in allen vier angestammten Colmec-Märkten.
Gerade im Zusammenhang mit der Einführung von Colmec EcoTire hat Colmec einen wichtigen Schritt zur Weiterentwicklung seines Produktangebotes und somit seines potenziellen Kundenkreises erzielen können. Wie Patrick Sjölin, Vizepräsident der Colmec Group, gegenüber der NEUE REIFENZEITUNG betont, seien gerade Flotten, deren Fahrzeuge traditionell im Fernverkehr unterwegs sind, eher auf neue als auf runderneuerte Reifen abonniert. Während runderneuerte Reifen seit jeher im Ruf stehen, gegenüber Neureifen nur die zweitbeste Lösung zu sein, würden sie doch ‚nur‘ von kleinen und mittelständischen Handwerksbetrieben produziert und als ‚Gebrauchtreifen‘ auch häufiger ausfallen, wendet sich Sjölin vehement gegen solche qualitativen Abwertungen. Was früher war, war früher; heute müssten professionell produzierte kaltrunderneuerte Lkw-Reifen den Vergleich mit Neureifen mit Sicherheit nicht mehr scheuen. Überkommenen Vorurteilen könne man aber mit einer Vollformheißrunderneuerung leichter beikommen als mit vernünftigen Argumenten zur Leistungsfähigkeit eines Reifen, wendet Eckerström ein; der Reifen sieht aus wie ein Neureifen und leistet auch wenigstens dasselbe. Wenn er dann – wie im Falle des Colmec EcoTire – speziell auf Laufleistung und Rollwiderstand hin optimiert wurde, sei dessen Leistungsfähigkeit nachweisbar auch „im Vergleich zum Neureifen unschlagbar“, so Peter Eckerström.
Mit dem neuen Produkt Colmec EcoTire gelang es dem schwedischen Unternehmen in seinen Märkten folglich auch, einen neuen Kundenkreis für sich einzunehmen: die europaweit operierenden Fernverkehrsflotten. Es ist gerade dieser Kundenkreis, bei dem auch industrielle Rundneuerer mit ihren Lebenszyklusangeboten in den vergangenen Jahren stark Fuß fassen konnten. Sie konnten dies nicht zuletzt auch hauptsächlich deswegen, weil ihr Angebot mitunter deutlich über das eines reinen Produktangebotes hinausgeht. Auch Colmec ist überzeugt davon, neben dem Produkt müssten heute umfassende Dienstleistungen angeboten werden, um die Bedürfnisse der Kunden nach einer umfassenden Betreuung des Themas Reifen abdecken und dementsprechend langfristig erfolgreich sein zu können.
Für Peter Eckerström ist das Colmec-Konzept das Bindemittel zwischen den Kunden und dem schwedischen Unternehmen, das sich folglich auch längst nicht mehr als reines Runderneuerungs-, also Produktionsunternehmen versteht. Natürlich biete man spezielle Software für Kunden, mit der diese ihr Reifenmanagement professionell betreiben und die auch mit umfassenden Daten aus Flottenchecks etc. gefüttert werden könnten, das Colmec Tire Management System (CTMS). Natürlich biete man Flottenkunden auch verschiedene Vertragskonstruktionen bis hin zu Kilometerverträgen an, die aber eher die Ausnahme als die Regel sind. Und natürlich biete man auch ein umfassendes Portfolio an Neureifen in den vier besagten Märkten Schweden, Polen, Norwegen und Finnland an. Colmec vertreibt im Jahr nicht nur über 150.000 Kalt- und Heißrunderneuerte, sondern auch 110.000 Lkw-Neureifen und 17.000 Lkw-Stahlräder der Eigenmarke C-Rims, wobei das C natürlich für Colmec steht. Auch bereite Colmec Lkw-Räder in seinen beiden Werken optisch auf.
Fast wichtiger noch für das Colmec-Konzept als die Produkte und etwaigen Vertragsmodalitäten ist aber die Tatsache, dass das schwedische Unternehmen seinen Kunden immer ein umfassendes und vor allem persönliches, direktes Betreuungsangebot machen kann und vor allem auch machen will. Von den knapp 350 Mitarbeitern, die die Colmec-Gruppe insgesamt beschäftigt, sind 56 allein im Vertrieb täglich im persönlichen Kundenkontakt. Hinzu kommen noch die über 30 Fahrer der Colmec-eigenen Fuhrparks in den vier Märkten, die man in der Zentrale in Norrköping als „Botschafter des Unternehmens“ sieht, da sie doch einmal pro Woche beim Kunden sind, dort beraten, Ware ausliefern und gleichzeitig Karkassen prüfen und für die Produktion mitnehmen, was die Logistikkosten unter Kontrolle hält. Colmec bezieht bis zu 90 Prozent der Karkassen direkt über seine Kunden, wobei 40 Prozent der gesamten Produktion auf Kundenkarkassen stattfindet.
Hinzu kommen noch Mitarbeiter im klassischen Innendienst sowie im Aftersales-Service, die alle zusammen eine lückenlose Betreuung der Kunden gewährleisten sollen. Das engmaschige Colmec-Betreuungsnetzwerk sei zwar finanziell aufwendig, zahle sich aber letzten Endes durch nachhaltige Kundenbeziehungen aus und gewährleiste außerdem einen lückenlosen Informationsfluss vom Kunden bzw. Markt hin zu Colmec. Ein solch engmaschiges Betreuungs- bzw. Vertriebsnetzwerk macht Colmec natürlich auch interessant als Vertriebspartner der Neureifenindustrie.
Außerdem kümmerten sich noch die Mitarbeiter vom mittlerweile 15 eigenen Einzelhandelsstationen um die zu betreuenden Flottenkunden, wobei neun der Stationen in Schweden, die verbleibenden sechs in Polen angesiedelt sind. Diese Einzelhandelsstationen seien dabei aber kein Kerngeschäft sondern werden in Norrköping als „Mittel zum Zweck“ deklariert. Um die Kunden im gesamten Colmec-Markt lückenlos mit Dienstleistungen rund um den Reifen bedienen zu können, reicht dies freilich nicht aus. Folglich arbeitet Colmec außerdem mit Partnern im Reifenhandel zusammen, die die entsprechenden Dienstleistungen erbringen. Etwas, das in Schweden seit gut zwei Jahren im Rahmen eines Pilotprojektes erfolgreich getestet wurde, ist das Konzept des „Colmec Mobile Partner“. Dabei geht es um die Montage/Demontage von Reifen beim Kunden vor Ort. Entsprechend ausgestattete Fahrzeuge würden dabei nicht nur als Pannenfahrzeuge genutzt, sondern dienten eben auch dazu, gegebenenfalls beim Flottenkunden auf dem Hof Reifen und Räder zu wechseln. Das Konzept des „Colmec Mobile Partner“ soll jetzt auch in Polen eingeführt werden.
Damit die Colmec-Dienstleister ihre Arbeiten am Reifen so professionell wie möglich gestalten können, bietet das schwedische Unternehmen diesen gleich ein ganzes Sortiment an Werkstattequipment mit, von der Achsvermessung über‘s Montieren und Wuchten bis hin zu Kleinteilen. Einige der Geräte lässt Colmec sogar unter eigenem Namen fertigen, etwa Stickstoffgeneratoren. Allerdings werden dieses Equipment und die Kleinteile auch an Kunden vertrieben, die ansonsten mit Colmec keinerlei geschäftliche Beziehung pflegen. Diese entstehen indes oftmals darüber, wie Patrick Sjölin betont.
Dabei ist allerdings festzuhalten, dass ein Großteil des Reifengeschäftes in Colmecs Eigenverantwortung liegt, sprich: die Flottenkunden sind direkte Colmec-Kunden und werden auch serviceseitig entsprechend direkt betreut. Neben diesen 70 Prozent, so Peter Eckerström, tragen noch die Kunden der Colmec-Partner im Reifenhandel etc. weitere 30 Prozent zum Geschäft bei.
Logistik ist von zentraler Bedeutung für das Angebot, das Colmec seinen Kunden in seinen vier Märkten macht. Dazu gehört nicht nur der eigene Fuhrpark, über den die Bewegungen der Runderneuerten und der Karkassen nahezu lückenlos gesteuert werden können und der auch die Basis für das Angebot einer Runderneuerung auf kundeneigenen Karkassen ist. Dazu gehört vor allem auch eine kurzfristige Lieferfähigkeit. Wie Vizepräsident Patrick Sjölin erläutert, produziere man in den beiden Werken in Norrköping und Rudno nicht erst, wenn ein Auftrag vorliegt, sondern in der Regel wird auf Lager produziert. Neben den beiden Zentrallagern an den Werken betreibt Colmec noch fünf weitere Lagerhäuser verteilt auf seine Märkte. Von dort werden nicht nur die Runderneuerten und die Lkw-Neureifen und -Räder vertrieben. Colmec vermarktet auch noch über 270.000 neue Pkw-Reifen jährlich. Die Lagerbestände wiegen zwar schwer in der Bilanz des schwedischen Unternehmens. Dafür könne Colmec in der Regel innerhalb von 24 Stunden liefern. Colmec plane sogar den weiteren Ausbau seiner logistischen Fähigkeiten. So soll das Zentrallager in Polen bereits im kommenden Jahr deutlich ausgebaut werden.
Wie Peter Eckerström mit Blick auf das entsprechend umfassende Angebot an Produkten und Dienstleistungen sagt, sei Colmec eben kein Runderneuerer, sondern ein Konzeptpartner. So stammten auch ‚nur‘ 35 Prozent der gesamten Umsätze in Höhe von 735 Millionen Kronen (77 Millionen Euro) aus dem eigentlichen Runderneuerungsgeschäft. Und als Konzeptpartner präsentiere sich das schwedische Unternehmen eben auch auf allen Märkten, die es bedient; ein abgespecktes Produkt-, Dienstleistungs- und Betreuungsangebot komme für den Colmec-Inhaber grundsätzlich nicht infrage. Der Ansatz gelte auch, wenn Colmec sich heute dazu entschlösse, einen weiteren Markt für sich zu erschließen. Natürlich könne man nicht vom Start weg dieselbe Präsenz bieten, wie dies in Schweden über 50 und in Polen über 25 Jahre hinweg gewachsen ist. Aber die Ambition steht, wie Eckerström betont.
Die Colmec-Gruppe hat prinzipiell zwei Möglichkeiten, zu expandieren. Entweder expandiert man auf den bestehenden Märkten mit dem vorliegenden Angebot oder weitet dieses Angebot aus. Oder man versucht, sich auf neuen Märkten zu etablieren. Auch wenn Peter Eckerström keine verbindlichen Aussagen treffen kann, was wann und wo in Bezug auf Expansionen geschieht, so machte er doch klar: „Wir schauen uns den deutschen Markt schon sehr genau an.“ Für einen etwaigen Markteinstieg, über den man freilich bereits seit Jahren immer wieder nachdenke, sei aber die Umsetzung des oben beschriebenen Colmec-Konzepts von entscheidender Bedeutung. Einfach nur Reifen zu exportieren oder sie gar vor Ort – etwa zusammen mit einem Partner – zu produzieren, entspreche eben prinzipiell nicht dem langfristigen Ansatz der Schweden. Aber man wird sehen, ob und wie Colmec den nächsten Schritt seiner Unternehmensentwicklung vollzieht. arno.borchers@reifenpresse.de
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