Kommentar: Leitplanken gegen kognitive Dissonanz?

,

Egal, ob es einem nun gefallen mag oder nicht: Viele Trends und Entwicklungen schwappen früher oder später aus den USA über den Atlantik bis zu uns. Mit Blick auf die „Qualitäten“ der derzeitigen politischen Führung auf der anderen Seite des Großen Teiches sind das keine besonders erfreulichen Zukunftsaussichten. Dass solcherlei Befürchtungen durchaus nicht unbegründet sind, zeigt die Diskussion hierzulande um ein Verbot von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor.

Wo doch ein solches Ansinnen damit begründet wird, Elektrofahrzeuge seien sauberer bzw. würden zur Verringerung der Kohlendioxidemissionen beitragen. Aus rein lokaler Betrachtungsweise ist das natürlich vollkommen richtig, zumal Letztere ja nicht mal einen Auspuff haben. Unser Strom wird aber mitnichten zu 100 Prozent „grün“ – also durch Sonne, Wind oder Wasserkraft – erzeugt.

Ein ziemlicher Anteil des vermeintlichen Umweltvorteils der E-Mobilität verpufft also gleich wieder bzw. gelangt Kohlendioxid dann halt aus Kraftwerksschornsteinen in die Atmosphäre – von den allein bei der Batterieproktion anfallenden Mengen dieses Gases ganz zu schweigen. Dies umso mehr, zumal Deutschland das Abschalten aller seiner Atomkraftwerke beschlossen hat, die Strom tatsächlich ohne Kohlendioxidemissionen erzeugen, und selbst ein massivster weiterer Ausbau von Solar- und Windkraftanlagen bei „Dunkelflauten“ (keine Sonne, kein Wind) keine stabile und planbare Versorgung gewährleistet.

Woran es demzufolge noch fehlt, damit Elektromobilität wirklich funktionieren kann, sind geeignete Energiespeicher bzw. Batterietechnologien. Im Großen, um bei starker Sonneneinstrahlung und starkem Wind erzeugten Strom „für später“ zwischenspeichern zu können, wie im Kleinen hinsichtlich der letztlich im Fahrzeug verbauten Akkus inklusive der dafür noch nötigen Ladeinfrastruktur. Und bei dermaßen vielen Fragezeichen soll sich die Politik auf ein Verbot von Verbrennern festlegen? Oder mit einer Quote bezüglich der ganz offensichtlichen bisherigen Kundenabneigung mit Blick auf Elektrofahrzeuge gegensteuern?

Als ob sich damit der bestenfalls nach erst nach langer Kilometerleistung sich einstellende Umweltvorteil, die zumindest für Vielfahrer noch zu kurzen Reichweiten verbunden mit im Vergleich zum Tanken langen Ladezeiten oder darüber hinaus bestehende Nachteile wie die bislang noch deutlich höheren (Anschaffungs-)Kosten für Elektroautos so einfach in Luft auflösen würden, nur weil die Politik das will. Legte man das darwinsche Prinzip à la „Survival of the fittest“ zugrunde, dann stünde die Elektromobilität jedenfalls vor keiner allzu großen Zukunft.

Diese Einschätzung muss mit fortschreitender technischer Entwicklung möglicherweise revidiert werden. Aber ob es in schon in 13 nur Jahren soweit ist, daran dürfen doch erhebliche Zweifel angemeldet werden. Zumal gegen den Kundenwillen ohnehin kein Umdenken bei der individuellen Mobilität vorstellbar ist. Zwar stellt sich bei Umfragen regelmäßig heraus, dass Autofahrer möglichst umweltfreundliche Fahrzeuge präferieren. Doch fragt man sich angesichts dessen unwillkürlich, warum SUVs in der Käufergunst beständig weiter zulegen, Kleinwagen aber verlieren.

Solcherlei Verhalten konträr zu den eigenen Überzeugungen wird im Allgemeinen mit dem Begriff „kognitive Dissonanz“ beschrieben und ist auch im Reifengeschäft nichts Unbekanntes. Sogenannte „Billigreifen“ können noch so oft die rote Laterne bei Reifentests halten – es gibt doch Autofahrer, die ungeachtet des Wissens um deren eingeschränkte Qualitäten sehenden Auges zu ihnen greifen. Und das nicht immer, weil sie es aufgrund eines knappen Budgets müssen.

Für ein Mehr an Sicherheit ist halt nicht jeder bereit, auch ein wenig mehr in die Bereifung seines Fahrzeuges zu investieren. Auch findet es ein zunehmender Anteil von Reifenkäufern ganz augenscheinlich bequemer, das ganze Jahr über denselben Reifensatz bzw. Allwetterreifen zu nutzen. Und das obwohl niemand ernsthaft infrage stellen würde, dass eine saisonal angepasste Bereifung die in der Regel bessere Wahl ist.

Deswegen nun aber Ganzjahresreifen verbieten? Oder Billigreifen? Auf die Idee käme wohl niemand ernsthaft, und das ist auch gut so. Besser ist, sinnvolle technische Anforderungen vorzugeben, welche die jeweiligen Produkte – egal, ob nun in Bezug auf die Reifen oder das Gesamtfahrzeug – mindestens zu erfüllen haben, um im Markt verkauft werden zu dürfen. Mit welcher Technologie die entsprechenden Ziele dann erreicht werden, sollte man den Herstellern überlassen.

Einengende Leitplanken und Verbote seitens der Politik können kreative(re) Lösungen nur ausbremsen, die Sommer- und Wintereigenung bei Reifen unter einen Hut bringen genauso wie preisgünstige und zugleich gute Reifen oder eben umweltfreundliche und doch individuelle Mobilität, wie wir sie heute kennen und brauchen. christian.marx@reifenpresse.de

0 Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

An Diskussionen teilnehmen
Hinterlassen Sie uns einen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert