Reifenhersteller hoffen auf bessere Erzeugerpreise bei den Landwirten und damit auf Investitionsbereitschaft
Laut ETRMA (European Tyre and Rubber Manufacturers’ Association) wurden im zweiten Quartal 2017 vier Prozent weniger Landwirtschaftsreifen verkauft, als im Vorjahreszeitraum. Insgesamt fiel der Umsatz in der ersten Jahreshälfte auf nur 782.000 verkaufte Landwirtschaftsreifen in Europa. Im Vergleich zum Vorjahr waren es 14.000 Reifen weniger. Für das zweite Halbjahr des Jahres sind die Reifenhersteller aber optimistisch. Sie hoffen aufgrund der wieder etwas verbesserten Agrarpreise auf die Investitionsbereitschaft der Landwirte. Bei den Herstellern der Agra-Reifen tut sich aber eine Menge. Denn schließlich gilt die Landwirtschaft als einer der Megatrends, die die Menschen in den nächsten Jahren beschäftigen wird. Die Vereinten Nationen erwarten 2050 etwa 9,7 Milliarden Menschen auf dem Globus, dies sind 2,5 Milliarden Erdbürger mehr als heute. Die NEUE REIFENZEITUNG hat sich paar ein paar Marktteilnehmer umgehört.
Die Vorbereitungen für den Produktionsstart der Radiallandwirtschaftsreifen von Continental im Herbst dieses Jahres sind in vollem Gange. „Alles läuft nach Zeitplan. Die Vorbereitungen für den Produktionsstart unserer Premiumradialreifen für den landwirtschaftlichen Betrieb sind in den letzten Zügen“, sagt Thorsten Bublitz, Product Line Manager Agricultural Tires bei Continental Commercial Specialty Tires (CST). „Die Vorproduktion läuft bereits. Nun geht es darum, unsere Marketing- und Vertriebsstrukturen auf- und auszubauen.“ In den kommenden Jahren würden in Lousado (Portugal) 100 verschieden Radialreifengrößen vom Band laufen. Mit Europa, Nordamerika und einigen Ländern im asiatischen Raum würden zunächst die umsatzstärksten Radialmärkte im Fokus stehen, sowohl für das Ersatzreifen- als auch das OE-Geschäft. Um optimal für den Markteintritt vorbereitet zu sein, sei das bestehende Team um neue Mitarbeiter für den Außendienst und Field Engineers für eine engere Zusammenarbeit mit den Kunden erweitert worden. In Lousado seien zudem 125 weitere Arbeitsplätze geschaffen worden. Der Wiedereinstieg in das Landwirtschaftsreifengeschäft sei Teil der Wachstumsstrategie CST 2025 des Reifenherstellers. Die offizielle Markteinführung findet im November auf der Agritechnica in Hannover statt.
PTG hofft auf einen Verkauf von 3.000 Reifen in 2017
Nach 16 Jahren Abwesenheit ist Pirelli 2016 auf den Agrarreifenmarkt in Europa zurückgekehrt. Und zwar unter dem Dach der Prometeon Tyre Group. „Der europäische Markt ist ein hochtechnologischer Markt, der ein hohes Maß an Leistung und Qualität fordert“, so Murilo Fonseca, Chief Operating Officer der PTG. Das Unternehmen erwarte Wachstum im landwirtschaftlichen Reifenmarkt und wolle daher die Handelsstrategie hier stärken. Bisher wurde die Radialreifenlinie PHP auf dem europäischen Markt eingeführt. Sie sei das Ergebnis einer Cross-Collaboration der brasilianischen und der italienischen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen. Die Tests seien in verschiedenen europäischen Regionen durchgeführt worden. Die Reifen werden im brasilianischen Santo André produziert. Derzeit sind es 26 Größen in 26 bis 46 Zoll. Diese seien aber nur die „erste Welle“. Das Unternehmen investiere derzeit viel in neue Technologien, Designs, Reifenstrukturen und Mischungen. In Europa hätte sich das Unternehmen zunächst auf die historisch wichtigsten Märkte wie Italien, Deutschland, Benelux, Spanien und Frankreich konzentriert, „jetzt befinden wir uns aber schon in der zweiten Phase, wo wir den gesamten europäischen Markt beackern“. Pirelli hofft für 2017 auf einen Absatz von 3.000 Reifen. Das wäre fast doppelt so viel wie 2016. „Deutschland wird wohl ein Fünftel der Gesamtsumme ausmachen und wir erwarten deutlich mehr Nachfrage aus diesem Land“, so Murilo Fonseca.
Carlisle baut AS-Radialreifen für verschiedenste Einsatzbereiche
Die Reifenmarke Carlisle ist bekannt für Klein- und Spezialreifen. Mittlerweile operiert sie unter dem Dach der Carlstar Group. Das Segment der Landwirtschaftsreifen sei ein sehr wichtiges im Unternehmen, heißt es hier. Daher hat der Reifenhersteller jetzt auch AS-Radialreifen für verschiedenste Einsatzbereiche wie etwa Traktoren, Mähdrescher, andere Erntemaschinen und Güllefässer im Programm. Das neueste Produkt dieser Familie ist der Farm Specialist. Der Reifen sei speziell für die Anforderungen einer modernen Landwirtschaft entwickelt worden. Der Reifen sei bereits in 65 verschiedenen Größen in den Querschnitten 65, 70, 75, 85 und 95 lieferbar und das Programm soll ausgebaut werden. Vertrieben werde der Reifen über verschiedene ausgewählte Reifengroßhändler. Frederick Stepniak vertreibt im deutschsprachigem Raum die Reifen für die europäische Hauptniederlassung in Budapest. Der 32-jährige ist verantwortlich für OE und Aftermarket in Deutschland und Österreich.
Michelin bringt noch in diesem Jahr weitere Agrarreifen auf den Markt
Auch Reifenhersteller Michelin ist guter Hoffnung. „Trotz der angespannten Marktsituation hatten wir 2016 in Deutschland ein stabiles Jahr und sind zufrieden mit unserem Abschluss. Dabei hat uns geholfen, dass die Michelin-Gruppe seit zwei bis drei Jahren stark in die Erweiterung des Produktportfolios für die Landwirtschaft investiert. Das Unternehmen hat bei allen drei Marken die Schlagzahl enorm erhöht“, so Jürgen Ihl, Leiter Geschäftsbereich Landwirtschaftsreifen Michelin Deutschland, Österreich, Schweiz. „Wir haben neue, innovative Produkte wie den BibLoad Hard Surface, den CargoXBib Heavy Duty oder 2016 den Kleber Cropker auf den Markt gebracht. Dazu kamen viele Dimensionsergänzungen, zum Beispiel auch für den Kleber Topker.“ Und das erste Halbjahr 2017 habe sich noch deutlich positiver entwickelt als das Vorjahr. „Seit Herbst steigen die Erzeugerpreise wieder und parallel dazu steigt auch die Investionsbereitschaft der Landwirte“, so Ihl. Die Erneuerung und Erweiterung des Produktportfolios sei noch nicht abgeschlossen. 2017 soll noch die zweite Generation des Michelin AxioBib auf den Markt kommen. Dieser Reifen sei für die hochmotorisierten Reifen von 160 bis über 500 PS geeignet. „Wir verfolgen bei unserer Produktentwicklung die Strategie, immer gezielter auf die Anforderungen spezieller Einsatzarten einzugehen“, so Ihl. Ein Bespiel hierfür sei der Michelin EvoBib, der 2018 auf den Markt kommen soll. In Verbindung mit einer Reifendruckregelanlage lasse sich die Aufstandsfläche des Reifens gezielt für den bodenschonenden Einsatz mit niedrigem Fülldruck länger und breiter machen und für die Fahrt auf der Straße erhöhe man den Fülldruck, sodass nur der mittlere Bereich der Lauffläche den Boden berühre.
Bridgestone konnte bisher 18 Prozent zulegen
Auch Reifenhersteller Bridgestone habe 2016 leichte Zuwächse mit den Marken Bridgestone und Firestone erzielen und Marktanteile gewinnen können. „Zuwächse konnten insbesondere im Bereich der großvolumigen Reifen und bei Reifen höherwertiger Technologien erreicht werden“, so Thomas Fuhr, Sales Manager AG Central Europe. 2017 habe sich der Markt leicht erholt und sei im Vergleich zum Vorjahr etwa um drei Prozent gewachsen, berichtet Fuhr. „Wir konnten bisher gegenüber dem Vorjahr um mehr als 18 Prozent zulegen und erneut sind die Technologieprodukte die Haupttreiber für diesen Erfolg.“
Den Zuwachs führe Bridgestone auf den neuen strategischen Ansatz zurück, „in dem wir uns im Wesentlichen auf die beiden Bereiche Produkte und Vertriebskanäle fokussieren“. Fuhr bringt es auf den Punkt: „Während die Importprodukte aus Asien bereits seit Jahren immer stärker auf die europäischen Märkte drängen und praktisch kein Händler mehr ohne importiertes Budgetprodukt auskommt, verstärken wir weiter unsere Bemühungen, technologisch anspruchsvolle Produkte zu entwickeln, die höchsten landwirtschaftlichen Anforderungen gerecht werden.“ Und technologisch anspruchsvolle Reifen erforderten Beratungsintensität und eine hohe technische Kompetenz im Fachhandel, sei es nun im Reifenfachhandel oder beim Landmaschinenhändler. Fuhr: „Diese Kanäle wollen wir mit gezielten Schulungsmaßnahmen stärken und unterstützen. Dabei legen wir Wert auf eine hohe Verkaufs- und Beratungsqualität. Und diesen Weg konsequent weiter gehen zu können und die zuvor genannten Ziele sicherzustellen, arbeiten wir derzeit an der Entwicklung eines Bridgestone-Partner-Programms. Den Startschuss dafür planen wir auf der Agritechnica 2017.“
GTK bringt neben Özka weitere Marke auf den europäischen Markt
Der türkische Reifenhersteller Özka Lastik will auf dem deutschsprachigen Markt wachsen und erweitert auch deshalb die Produktionskapazitäten seines Werkes südlich von Izmit um etwa 70 Prozent. Hier sollen bald zwischen 1,5 und zwei Millionen Reifen jährlich produziert werden. Der Spatenstich zur Werkserweiterung erfolge im vierten Quartal 2017. Bis Ende 2017 werde es zudem neue Größen bei den Radialreifen geben, wie etwa 710/70 R42, 650/65 R42 und weitere 42-Zoll-Landwirtschaftsreifen. Güray Karaca, Geschäftsführer der GTK Gummiteile Kanik GmbH in Pulheim, deutsche Tochtergesellschaft von Özka: „Zudem werden wir neben der Kernmarke Özka eine weitere Marke in Westeuropa anbieten. Der Name wird GTK sein.“ GTK ist im zweiten Quartal 2016 in Pulheim gestartet. Bereits 2015 seien etwa 5.000 Reifen abgesetzt worden und 2017 sei diese Stückzahl schon Anfang Juli erreicht gewesen, so Güray Karaca.
Bei Vredestein sei die Lage „zufriedenstellend aber nicht euphorisch.“ Peter Köhne, Verkaufsleiter Landwirtschafts- und Industriereifen in Deutschland: „Die Nachfrage hat 2017 etwas angezogen und wir gehen zweckoptimistisch in den Herbst und hoffen, dass die Landwirte dann durch die wieder etwas besseren Milchpreise und eine trotz den Wetterkapriolen guten Ernte wieder investieren werden. Auf der Agritechnika werde man ein neues Produkt präsentieren.
Bohnenkamp: Bodenschonung ist das wichtigste Thema der Zukunft
60 Prozent seines Umsatzes mache der Osnabrücker Großhändler Bohnenkamp mit Landwirtschaftsreifen. Auch hier ist eine „merkliche Steigerung bei den Rädern mit IF- bzw. VF-Technologie zu spüren“. Heiko Holthaus, Geschäftsbereichsleiter Agrar: „Nahezu alle Hersteller, aber besonders BKT und Alliance, haben hier stark investiert und sorgt für einen deutlichen Zuwachs in diesem Segment.“ Überhaupt seien Traglast und Bodenschonung die wichtigsten Themen der kommenden Jahre. Heiko Holthaus: „Hierauf haben inzwischen alle wichtigen Reifenhersteller reagiert und bieten mit der IF- und VF-Technologie die passenden Reifen an. Diese Technologie erlaubt es die Reifen bei gleicher Traglast mit einem niedrigeren Reifendruck oder einer erhöhten Traglast bei gleichem Reifendruck zu fahren, so kann der Anwender für den jeweiligen Einsatz entscheiden, ob für ihn die bessere Bodenschonung oder die höhere Traglast im Vordergrund steht. BKT und Alliance haben hier eine Vorreiterrolle eingenommen. So hat BKT in diesem Jahr mit dem V-Flecto den ersten VF-Reifen eingeführt, der auf einer herkömmlichen Felge montiert werden kann, und Alliance führt grade mit dem 389 VF den ersten Flotationsreifen der Welt mit VF-Technologie ein.“ ATG-Marketingmanager Ole Baek dazu: „Wir haben unseren zweistelligen Wachstumspfad aus den letzten Jahren erweitert und hatten ein starkes erstes Halbjahr 2017. Und wir sehen auch positive Signale für das zweite Halbjahr und sind zuversichtlich, dass mit unserer starken Pipeline des neuen Produktes und der kontinuierlichen Investition in die Organisation, dass wir auch ein gutes H2 haben werden.“
Auch bei Trelleborg ist man guter Hoffnung. Hier wurden laut Unternehmensangaben im ersten Halbjahr 2017 acht Prozent mehr Landwirtschaftsreifen verkauft, als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Der Verkauf habe sich sowohl im OE- als auch im Ersatzmarktgeschäft erhöht. Das hänge sicher an der Konsolidierung mit der CGS zum 1. Juni 2016 zusammen. christine.schoenfeld@reifenpresse.de
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