Runderneuerungsmarkt in den Emiraten nimmt neue Gestalt an
Den Menschen, die in den sieben Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) Abu Dhabi, Adschman, Dubai, Fudschaira, Ra’s al-Chaima, Schardscha sowie Umm al-Qaiwain leben, sind hohe Temperaturen durchaus nicht fremd. Während allein die Temperaturen im Sommer bis an 50 drückende Grad heranreichen können, litt der Runderneuerungs- und Neureifenmarkt in den VAE-Staaten in den vergangenen Jahren auch unter einem zusätzlichen wirtschaftlichen Druck infolge der globalen Rezession. Bei einem Besuch der NEUE REIFENZEITUNG in Dubai, dem größten der sieben Emirate, zeigte sich kürzlich indes, dass sich schrittweise neue Marktstrukturen abzeichnen.
Bis die Kreditkrise auch Dubai erreicht hatte, gehörte das Emirat zu den florierendsten Regionen der Welt, was den Bau von Prestigeobjekten betrifft, für die neue Superlative erfunden werden mussten. Ob die künstliche „Palmen“-Insel oder der Burj Khalifa, das höchste Gebäude der Welt – Dubai setzt in vielerlei Hinsicht neue Maßstäbe; kein Bauprojekt schien dort undenkbar. Seit die Blase geplatzt und der Bauboom deutlich abgekühlt ist, hat sich auch die Nachfragesituation nach neuen und runderneuerten Lkw-Reifen deutlich verändert. Die Krise auf dem Bau hatte eben auch Auswirkung auf die gesamte wirtschaftliche Situation des Emirats, was sich folglich auch auf den Reifenmarkt ausgewirken musste.
Es gibt im Detail zwar verschiedene Ansichten darüber, wie genau die Wirtschaft der VAE-Staaten betroffen waren; doch alle sind sich einig darüber, dass gerade der Einbruch bei den Bauaktivitäten einen Großteil zum Ausmaß der Rezession beigetragen hat. Bei Kraiburg etwa, dem österreichischen Materiallieferanten für die Runderneuerung, ist man sogar der Ansicht, dass man mit dem Wort „Rezession“ das ganze Ausmaß der Veränderungen in den VAE-Staaten nicht erfassen könne. „Es wäre passender, die Entwicklungen dort in den vergangenen Monaten als totalen Kollaps des Marktes zu beschreiben. Rund 90 Prozent aller öffentlichen Bauprojekte wurden zu den Akten gelegt bzw. in der Umsetzung verschoben“, so Holger Düx, Leiter Vertrieb und Marketing beim Gummiwerk Kraiburg. Während in Dubai und den anderen Emiraten früher rund 30 Prozent aller Baukräne der Welt vereint beeinander standen, dominiert heute der Stillstand das Bild.
Wie man sich vorstellen kann, hat das Ausmaß des wirtschaftlichen Einbruchs in der Region, die ansonsten zweistellige Wachstumsraten gewohnt gewesen war, auch beträchtliche Auswirkungen auf die 24 Runderneuerer in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Nichtsdestotrotz sind Unternehmen der Branche, die sich mit der Runderneuerung von Lkw-Reifen beschäftigen, immer noch von den „unvergleichlichen Möglichkeiten“ überzeugt. Vor rund 18 Monaten etwa hatte der europäische Materiallieferant Kraiburg seine Produktionspartnerschaft von Dubai ins benachbarte Emirat Adschman verlegt, nachdem dort eine neue Runderneuerungsstätte eröffnet worden war. Heute sind Großunternehmen aus der Branche samt und sonders in den VAE-Staaten engagiert: Bandag etwa in Kooperation mit der Al Dobowi Group, Kraiburg in Kooperation mit Standard Retreads oder auch Michelin. Darüber hinaus gibt es etliche kleinere Betriebe.
Einer der einflussreichsten Spieler auf dem regionalen Reifenmarkt ist die Al Dobowi Group. Das Unternehmen vertriebt nicht nur Hankook-Reifen exklusiv in den VAE-Staaten, sondern vermarktet darüber hinaus auch die Eigenmarke „Infinity“ in Europa und Afrika. Al Dobowi begann bereits vor über 15 Jahren, sich auch in der Runderneuerung zu engagieren, wurde bereits nach Kurzem Bandag-Partner. Heute ist Al Dobowi der größte Bandag-Partner der Region und nimmt rund 40 bis 45 Prozent Marktanteil in den VAE-Staaten für sich in Anspruch.
Flottenmanager K. K. Singh begann mit dem Al-Dobowi-Runderneuerungsgeschäft bereits vor zwölf Jahren. Seither habe sich die Qualität der Runderneuerten und der Eigenmarke Infinity deutlich entwickelt, so dass das Unternehmen heute von sich in Anspruch nimmt, Reifen allein auf Basis des Markenwertes vermarkten zu können. Es sei heute in Dubai schwer, eine Flotte mit mehr als 100 Fahrzeugen zu finden, die nicht von Al Dobowi mit Nutzfahrzeugreifen ausgerüstet wird. Seitdem Bandag 2009 Infinity-Reifen als „runderneuerungsfähig“ eingestuft hat, nutzten immer mehr Al-Dobowi-Flottenkunden die Kombination aus Infinity-Neureifen und Bandag-Runderneuerung auf einer Infinity-Karkasse.
Die Vereinigten Arabischen Emirate sind traditionell als markenbewusster Reifenmarkt bekannt, auf dem rund 350.000 Pkw-Reifen jährlich vermarktet werden. Darüber hinaus sind dies etwa 90.000 runderneuerte Lkw-Reifen. Rund 25 bis 30 Prozent des gesamten Reifenmarktes in Dubai besteht aus runderneuerten Reifen; der entsprechende Durchschnitt in der gesamten Region liegt dabei eher bei 15 Prozent. Die Entwicklung der Runderneuerung wird derzeit durch das Fehlen ausreichender Karkassen behindert, was der Neureifenindustrie in die Hände spielt.
Qualitätsstandards in der Runderneuerung erhöht
Gerade in den vergangenen Jahren hat die Aufmerksamkeit, die die Branche dem Thema „Qualität“ widmet, deutlich zugenommen. Nicht zuletzt haben sich die Runderneuerer um die Verbesserung der Standards intensiv bemüht. Insbesondere nach der Einführung der ECE-Regelungen 108 und 109 in Europa hat man sich auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten um institutionalisierte Qualitätskontrollen verstärkt Gedanken gemacht, die bis dahin eigentlich nicht existiert hatten. Zu dem Zeitpunkt hatten runderneuerte Reifen eher einen schlechten Ruf, galten sie doch gemeinhin – insbesondere wegen des Erscheinungsbildes einiger kaltrunderneuerter Reifen – als minderwertig. Diese Wahrnehmung scheint unterdessen dadurch karikiert zu werden, dass etliche Neureifen hoffnungslos überlastet und oftmals bis auf die Karkasslagen heruntergefahren werden, und das ohne nennenswertes öffentliches Interesse an dem Sachverhalt. Vorwürfe sind bekannt, dass mitunter Polizisten eine Geldstrafe für „schlechte Reifen“ anordneten, womit dann Runderneuerte gemeint waren.
Laut Al Dobowi wurde die Bandag-Runderneuerungsstätte aber nach GSO-965 (nach „Gulf Standardisation Organisation“) zertifiziert. Seither hat das Unternehmen mehr als 50 Polizisten darin geschult, die Qualität von Fahrzeugkontrollen entsprechend zu verbessern. Auch andere Runderneuerungsstätten haben seither den GSO-Standard erfüllt und sind dafür ausgezeichnet worden. Wie manche in der Region allerdings finden, scheinen einige Zertifikate mehr auf Basis von Einfluss denn von Qualität vergeben worden zu sein. Mitte März 2010 haben die Behörden dann weitere Maßnahmen ergriffen, um einheitliche Qualitätsstandards im Runderneuerungsmarkt zu etablieren und endlich das ‚Kontrollchaos’ zu beenden. Unter den großen Marktteilnehmern hat dazu weitestgehend Einigkeit bestanden. Als Beispiele dienten etwa die Standards nach ISO 9001 oder nach GSO-962. Die Regierung hat den Standard GSO-965 bereits 2005 eingeführt, dennoch ist die Zahl der Verkehrstoten immer noch dramatisch hoch. Allein im ersten Quartal 2011 starben 458 Menschen auf den Straßen der sieben Emirate.
Druck auf kleine, lokale Runderneuerer
Ähnlich wie in Europa, so ist es auch für Runderneuerer in den Vereinigten Arabischen Emiraten schwer, an gute, runderneuerungsfähige Karkassen zu kommen. In Dubai gibt es weder eindeutige Beschränkungen, was die maximale Zuladung bei Nutzfahrzeugen betrifft. Auch würden die Möglichkeiten fehlen, diese dann wirklich durchzusetzen. Folglich ist das beträchtliche Überladen der Lkws der Normalfall. Und wenn man dann noch die extreme Hitze hinzunimmt, wird klar, dass ein runtergefahrener Reifen eigentlich ein ‚heruntergefahrener’ Reifen ohne Chance auf ein zweites Leben ist – die Karkasse wird für die Runderneuerung unbrauchbar. Ausnahmen hierbei bilden lediglich Laster, die Kraftstoffe oder Beton geladen haben – hier wird die Überladung durch die mengenmäßigen Einschränkungen durch das Volumen der Transporttanks limitiert.
Was dreiachsige Anhänger betrifft, so soll das Überladen die Regel und nicht die Ausnahme sein. Ein Truck, dem von Rechts wegen eine Zuladung von 45 Tonnen zugestanden wird, ist mit 70 Tonnen immer noch keine Seltenheit auf den Straßen der Emirate. Unter normalen Umstände kann allein die Hitze die mögliche Laufleistung eines Lkw-Reifens von 200.000 auf ein Drittel verringern, was sich auch auf einigen afrikanischen Märkten immer wieder zeigt. In Verbindung mit dem stetigen Überladen der Fahrzeuge geraten Reifen schon sehr schnell an ihre Belastungsgrenzen – und werden damit für die Runderneuerung oftmals nutzlos.
Die am weitesten verbreitete Größe für Lkw- und Busreifen in Dubai und dem gesamten Mittleren Osten ist 12.00 R24 – ein Größe, die von führenden Neureifenherstellern wie Michelin oder Bridgestone nicht angeboten wird. Auch dieser Umstand birgt große Chancen für Reifenlieferanten und Runderneuerern.
Berichten zufolge besteht die Kundenbasis von Kraiburg oder auch von Al Dobowi/Bandag weitestgehend aus Endverbrauchern, darunter auch große internationale Unternehmen. Die NEUE REIFENZEITUNG hatte Gelegenheit, zwei der bedeutendsten Al-Dobowi-Kunden zu besuchen.
Trotz des wirtschaftlichen Abschwungs, der die Blase der boomenden Bau- und Immobilienbranche zum Platzen gebracht hat, gibt es in dem Marktsegment immer noch Unternehmen, die in Dubai gut über die Runden kommen. Viele dieser Unternehmen hatten dabei bei der Auswahl der angebotenen Aufträge Weitsicht gezeigt und waren auch in anderen Ländern aktiv geworden, so etwa in Saudi-Arabien, das von der Krise kaum betroffenen war.
Eines dieser Beispiele ist ASCON. Das Unternehmen betreibt eine Flotte von 300 Fahrzeugen – vom Pkw bis hin zum 80-Tonnen-Truck. 25 bis 30 dieser Fahrzeuge sind Lkws bzw. Trailer nach europäischen Maßstäben mit jeweils sechs Rädern, darunter auch einige Tieflader. Jeder dieser Trucks wiederum fährt im Jahr rund 60.000 Meilen (97.000 Kilometer), so der ASCON-Manager A. Muthu Fareed. Der immense Druck auf die Unternehmen der Baubranche in Dubai hat natürlich dazu geführt, dass allerorten die Kosten reduziert werden müssen. In der Folge sind Verbraucher zunehmend dazu übergegangen, auch Marken wie Hankook oder Infinity zu fahren. Auch wenn die Kosten für diese Produkte geringer seien, so A. Muthu Fareed, sei man überzeugt, dass „die Reifen genauso gut funktionieren wie Michelin oder Bridgestone; Infinity hat eine gute Karkasse“. Solche Feststellungen ließen sich nur begrenzt mit Blick auf einige bestimmte Radialreifen aus indischer Fertigung treffen. Flotten runderneuern ihre Infinity-Karkassen folglich zwei bis dreimal. Dies funktioniere nur mit Karkassen, die eine entsprechende Stabilität aufweisen und in gutem Zustand seien, was sich durch die Art der Behandlung natürlich beeinflussen lässt.
ASCON kauft für seine Baufahrzeuge und Kräne auch Reifen von Unternehmen wie etwa Trelleborg oder gelegentlich Solideal. K. K. Singh vom Bauunternehmen weist indes darauf hin, dass Al Dobowi der einzige OTR-Reifenrunderneuerer ist, der für die vielen verschiedenen Krananwendungen entsprechende Lösungen anbieten könne.
Ein zweites Beispiel ist Wade Adams Construction, von vielen als eines der innovativsten Unternehmen am Markt gesehen. Senior Workship Manager Issa M. Ayoub bescheinigt die Bedeutung der Reifengröße 12.00 R24 auf dem regionalen Lkw-Reifenmarkt. Während er auf die Bedeutung eines mangelhaften Fülldrucks in den Reifen hinweist, sieht er das Problem des Überladens nicht als dermaßen gravierend, wie dies andere Marktbeobachter tun. So oder so, seiner Meinung nach ist es von zentraler Bedeutung, die Fahrer richtig auszubilden. Dann könne man die Laufleistung der Reifen maximieren und auch die Runderneuerung als Teil des Reifenmanagements etablieren, wo immer möglich. Mit den richtigen Reifen auf den richtigen Achspositionen und dem richtigen Luftdruck zusätzlich zur Runderneuerung könne sich die Laufleistung eines Neureifens mitunter verdreifachen (bei zweimaliger Runderneuerung), und dass trotz der harten Beanspruchung.
Was die Entwicklung der Märkte im Mittleren Osten betrifft, so hat Issa M. Ayoub eine eigene Meinung zur Bedeutung der Marken, die bisher mitunter als „Budgetreifen“ abgehakt wurden, heute aber besser als „Wachstumsmarken“ bekannt sein sollten. Man dürfe sich seiner Meinung nach nicht ausschließlich auf das Preisargument stürzen, wenn man die Entwicklung von Marken beurteilen will. Auch sei die Verfügbarkeit von Reifen dabei nicht unerheblich. Und diese wiederum habe natürlich eine Auswirkung auf die Verfügbarkeit von runderneuerungsfähigen Karkassen.
Dass man bei Wade Adams Construction Kaufentscheidungen natürlich auf Basis der jeweiligen Performance von Reifen trifft, ist selbstverständlich. Diese wird umfangreich dokumentiert und zur Entscheidung herangezogen, so Issa Ayoub. Als man im Unternehmen feststellte, dass eine entsprechende Software zur Dokumentation und Auswertung von Reifendaten im Mittleren Osten nicht verfügbar ist, programmierte man bei Wade Adams Construction eben einfach selbst etwas Passendes. Zuvor hatte man bereits noch ein etwas antiquiertes Karteikartensystem betrieben. Erst seit 2008 werden entsprechende Daten der Reifen auch über Computer erfasst und verwaltet bzw. verarbeitet. Seither hat sich eine Datenbank entwickelt, die umfangreiche Auskünfte über die Performance von Reifen in der alltäglichen Anwendung geben kann. Als die NEUE REIFENZEITUNG Dubai Mitte des Jahres besuchte, hatte Wade Adams Construction bereits Daten zu 65.700 Reifen von 30 verschiedenen Marken im System archiviert. Folglich ist man im Unternehmen überzeugt, entsprechend eines gegebenen Bedarfs stets die richtige Entscheidung treffen zu können.
Der größte Runderneuerer der Emirate
Wie wir gesehen haben, hat Kraiburgs regionaler Partner seine neue Produktionsstätte offiziell im März 2010 eröffnet. Der Umzug nach Adschman hat die Vergrößerung der Produktionsfläche auf jetzt 1.500 m² und eine Produktionskapazität von 2.500 Runderneuerten im Monat mit sich gebracht. Zu Spitzenzeiten hat Kraiburgs Partner Standard Retreads allein schon 20.000 Reifen im Jahr runderneuert. Für das vergangene Geschäftsjahr lag diese Zahl „wenigstens 30 Prozent tiefer“. Mit rund 15.000 Runderneuerten, die zwischen April 2009 und 2010 gefertigt wurden, nimmt Standard Retreads einen Marktanteil von rund neun Prozent in Anspruch. Den Aussagen zufolge nimmt Al Dobowi mit seiner Bandag-Runderneuerung auch einen zunehmenden Marktanteil für sich in Anspruch, nicht nur in den Vereinigten Arabischen Emiraten, sondern auch in Saudi-Arabien. Aktuell betreibt Al Dobowi damit die größte Runderneuerung in den VAE-Staaten mit einer Monatsproduktion von rund 4.000 Runderneuerten. Daneben betreibt man noch zwei weitere Produktionsstätten in Saudi-Arabien; eine dritte Fabrik dort ist in Planung. Als die NEUE REIFENZEITUNG den Betrieb in Dubai besuchte, machten die modernen Produktionsanlagen inklusive einer Shearographie, einer EDV-gesteuerten Raumaschine etc. Eindruck. Als Bandag-Franchiser nutzt man natürlich ausschließlich Bandag-Qualitätsanlagen. mailto:chris.anthony@tyrepress.com
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