Conti Bedenkenträger in Sachen Reifenlabel
Die EU-Kommission hat jüngst die Richtlinie für das ab 2012 geplante kombinierte Label vorgelegt, mittels dem Reifen zukünftig hinsichtlich der Kriterien Bremsleistung, Rollwiderstand und Abrollgeräusch gekennzeichnet werden sollen. Stimmt das Europaparlament der Richtlinie in ihrer jetzigen Form zu, müssen alle in Europa zum Verkauf vorgesehenen Reifen im Ersatzgeschäft sowie bei Neufahrzeugen ab Oktober 2012 mit einem einheitlichen Label versehen werden, das – unterteilt in je sieben Klassen von A bis G – konkrete Angaben zum Rollwiderstand (in Kilogramm pro Tonne) und zur Bremsleistung sowie eine genaue Angabe des beim Abrollen verursachten Geräuschniveaus in Dezibel (A-Bewertung) enthalten muss. Laut Continental hat sich die EU-Kommission außerdem vorbehalten, das Reifenlabel zu einem späteren Zeitpunkt um zusätzliche Kriterien wie etwa Aquaplaningsicherheit und Kurvenhandling zu erweitern, doch scheint dies vorerst noch Zukunftsmusik zu sein.
Die Initiative der EU-Kommission, den Autofahrern auf die jetzt zunächst einmal angestrebte Weise der Kennzeichnung standardisierte Informationen über die Reifeneigenschaften anzubieten, wird von dem deutschen Reifenhersteller eigenen Aussagen zufolge begrüßt. Froh ist man bei Conti zudem darüber, dass die EU-Kommission bei ihrem Richtlinienentwurf nach entsprechender Erläuterung der grundlegenden technischen Zusammenhänge bei der Reifenentwicklung durch die European Tyre & Rubber Manufacturers‘ Association (ETRMA) das Label nicht einseitig auf das Kriterium Rollwiderstand ausgelegt hat. „Wir sind sehr froh darüber, dass diese Forderung der ETRMA zugunsten der Kombination von Rollwiderstand und Nassgriff berücksichtigt hat. Andernfalls wäre die einseitige Auslegung zukünftiger Reifen begünstigt worden, von der gerade die Produzenten asiatischer Billigimporte profitiert hätten, obwohl ihre Produkte ein Entwicklungsniveau haben, das bei der Nassgriffleistung in vielen Fällen um etwa 20 Jahre hinter den aktuellen Premiumprodukten europäischer Hersteller zurückliegt“, erklärt Dr. Hans-Joachim Nikolin, der im Continental-Vorstand für die Division Nutzfahrzeugreifen verantwortlich ist und die Interessen des Unternehmens innerhalb der ETRMA vertritt.
Nichtsdestotrotz hat man aber auch Bedenken in Sachen des geplanten Reifenlabels, wobei der Conti-Vorstandsvorsitzende Dr. Alan Hippe, der die Rubber Group des Unternehmens leitet und dort für die Division Pkw-Reifen verantwortlich zeichnet, in diesem Zusammenhang „ausdrücklich auf die zu erwartenden Problemfelder bei der Umsetzung innerhalb der 27 EU-Staaten“ hingewiesen wissen will. „Dazu zählt besonders die Frage nach Sanktionsmechanismen, mit deren Hilfe alle Hersteller – und damit auch asiatische Billigreifenimporteure – zur gewissenhaften Umsetzung bewegt werden können“, befürchtet er – möglicherweise nicht ganz unbegründet – offensichtlich vor allem eine missbräuchliche Verwendung des neuen Reifenlabels. Denn seitens Conti weiß man zwar zu berichten, dass die EU-Kommission das Fraunhofer-Institut mit einer umfassenden Studie zur Untersuchung der Umsetzung der Energieeffizienzkennzeichnungsrichtlinie in den 27 EU-Staaten sowie in der Schweiz und Norwegen beauftragt hat. Doch eine vergleichbare Studie derselben Institution zur Umsetzung der Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung in Deutschland soll bereits 2001 belegt haben, dass fehlende Kontrollmechanismen und Sanktionen bei solchen Selbstzertifizierungsmaßnahmen häufig Missbrauch nach sich ziehen: In diesem Fall sollen mehr als 50 Prozent der überprüften Elektrogeräte in 320 deutschen Geschäften falsch oder gar nicht gekennzeichnet gewesen sein.
„Aber auch der Vorschlag greift zu kurz, das Label direkt auf unsere Produkte aufzubringen, denn die meisten Reifenkäufer bekommen ihre Reifen erst zu sehen, wenn sie bereits am Fahrzeug montiert sind“, erwähnt Dr. Hippe aus dem Blickwinkel des Reifenherstellers ein weiteres Problem bezüglich der geplanten Kennzeichnung der Reifen mit dem Label. Zudem sorgt man sich darüber hinaus anscheinend außerdem noch darum, dass die Autofahrer überhaupt verstehen, was es mit dem Reifenlabel auf sich hat. „Um sicherzustellen, dass die Endverbraucher diese neuen technischen Informationen auch verstehen, gewichten und bewerten können, sollte die EU-Kommission vor der verpflichtenden Einführung eine Verbraucherbefragung durchführen“, gibt Continental deswegen wohl die Auffassung des CDU-Europaabgeordneten Andreas Schwab wieder, der demnach als Berichterstatter im europäischen Parlament für die neue EU-Vorschrift „Typengenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich ihrer allgemeinen Sicherheit“ fungiert. Insofern scheinen vor der endgültigen Einführung des Reifenlabels, die ja für Oktober 2012 angedacht ist, zumindest nach Meinung des Herstellers Continental noch genügend offene Fragen einer Beantwortung zu harren.
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