Continental contra Schaeffler: „I werr narrisch“

„I werr narrisch.“ Dieser Satz muss dem Fußballsponsor Continental nicht erst erklärt werden. Im Übernahmepoker der Schaeffler-Gruppe warten Presseleute Tag für Tag auf Tore, seien es auch Eigentore, sie warten, so oder so, auf den einen Treffer, den Volltreffer.

In Ermangelung einer Kristallkugel finden sich keine Antworten auf die Frage, ob Conti sich aus der Schaeffler-Umklammerung noch einmal lösen kann, es dem Vorstand mit Billigung des Aufsichtsrates gelingt, den Abwehrkampf fortzusetzen oder mit einer plötzlichen Akquisition einen noch höheren Schuldenberg aufzutürmen und sich dadurch unattraktiver zu machen. Wird es zu einer Kapitalerhöhung kommen? Schreckt diese Schaeffler ab? Von wie vielen Banken noch will Conti sich beraten lassen, um sie als Finanzierer für Schaeffler blockieren zu können? Kreuzt doch noch der heiß ersehnte „weiße Ritter“ auf? Kommen „Heuschrecken“ an Bord? Stehen Pirelli und Bridgestone ante portas? Was tut dann Michelin? Steht eine Zerschlagung bevor und wer nimmt diese dann vor, der Conti-Vorstand, die Schaeffler-Gruppe oder eine Heuschrecke?

Was ansonsten durch die Tagespresse geistert, ist fast ausschließlich nur geeignet, Krämpfe auslösen zu können. Man möchte da doch allzu gern ein ums andere Mal den Schrei loslassen: I werr narrisch! Es heißt, der Vorstand um Manfred Wennemer und Alan Hippe bemühe sich um Investoren aus „Schwellenländern“. Geben russische Oligarchen dann eleganter den Ton an, die „frogs“ (friends of Gerhard Schroeder)? Was macht sie zu besseren Investoren als Schaeffler? Gazprom-Aufsichtsrat Gerhard Schröder, der alte „Autokanzler“, fachsimpelte schon angesichts des Pirelli-Versuchs, die Conti übernehmen zu wollen, es gehe nur noch um das Wie und nicht mehr ums Ob. Ist der „Genosse der Bosse“ bald im Aufsichtsrat des großen Automobilzulieferers? Spätestens dann schallt vielfach ein „I werr narrisch!“ durchs Land.

Was ist von angeblichen Bemühungen um sogenannte Private-Equity-Investoren zu halten? Sinkt Continental zum Spielball von „Heuschrecken“ herab? Geht es ausschließlich nur noch um „Shareholder Value?“ Um eine Prämie für die Aktionäre? Die Aktionäre müssen doch nicht verkaufen, können es lassen, können sich verweigern. Diejenigen, die früher bereits verkauft haben, dem „Anschleichen“ sozusagen zum Opfer fielen, werden in keinem Fall einen Nachschlag erhalten. Conti in den Fängen von KKR und ähnlichen Investoren? Das soll eine gute Lösung sein? „I werr narrisch.“

Verfolgt man das gesamte Spektakel unter dem Gedanken „Stakeholder Value“, dann wird der schwere Stand des Conti-Managements beim Kampf gegen Schaeffler deutlich. Die Stakeholder haben wenig gegen Schaeffler vorzubringen. So die Lieferanten. Ihnen kann ein Großkonzern aus Mechanik, Elektronik und Reifen nur recht sein. Mehr Einkaufsmacht entsteht so auch nicht. Und die Kunden? Die deutsche Automobilindustrie werde einen feindlichen Übernahmeversuch des Zulieferers nicht zulassen, einem solchen nicht tatenlos gegenüberstehen, hieß es stets. Die Realität ist eine andere. Es ist einem Unternehmen wie BMW schlichtweg egal, VW sagt im Kern macht mal, nur zügig sollte es gehen, keine Hängepartie. Und Daimler hat derzeit ganz andere Sorgen, als sich überhaupt zum Thema Continental/Schaeffler äußern zu wollen.

Der Reifenhandel empfindet ein gewisses Unbehagen. Man glaubt dem Schaeffler-Versprechen, den Konzern nicht zerschlagen zu wollen, nicht so richtig und befürchtet einen Verkauf „der Gummibude“. Als Käufer käme dann, so befürchtet man, Bridgestone in Betracht. Damit wäre Bridgestone dann in Europa die Nr. 1 bei Neureifen und zugleich Nr. 1 im Runderneuerungsgeschäft, der Wettbewerb wäre „beruhigt“, der Handel hätte weniger Einkaufsalternativen. Die Story, dass Bridgestone nun, so wollen Presseberichte Glauben machen, der Conti-Konzern oder Teile davon – ganz oder zum Teil – ausgerechnet vom derzeitigen Conti-Management angeboten wird, kann einfach nur gut erfunden sein, ohne jeden Wahrheitsgehalt. Es wäre sonst ein Stück aus dem Tollhaus, weil es dann Tausenden von Mitarbeitern über kurz oder lang zwangsläufig an den Kragen ginge, beim Schöpfen von Synergien. Das ist weder im Sinne der Belegschaft noch im Sinne der tangierten Landesregierungen; und wenn Forschung und Entwicklung abgezogen wird in fremde Staaten, kann es nicht im Sinne Deutschlands sein.

Und was verspricht die Verfolgung des Rechtsweges? Wer alles liest, was Experten von sich geben zur Frage der Legalität, schreit ganz laut: „I werr narrisch.“

Das „Anschleichen“ soll illegal sein und müsse gestoppt werden. Dieser Meinung haben sich Rechtsexperten, die im Auftrag des Konzerns eine Analyse erstellten, angeschlossen. Aber Conti kann auch darauf verweisen, dass sich andere, von Continental völlig unabhängige Experten ähnlich geäußert haben oder geäußert haben sollen. Richtig ist jedenfalls, dass die Intention des Gesetzgebers im Ursprung eine andere war, Schaeffler in eine Lücke gestoßen ist. Ob das allerdings gerade noch im Rahmen des Möglichen oder illegal war, hängt von den Verträgen, somit – um in der Sprache der Experten zu bleiben – vom „Wording“ ab und zwar von dem exakten und präzisen Wortlaut der Verträge zwischen Schaeffler und den Banken. Da diese Verträge nicht auf dem offenen Markt ausgewalzt wurden, sind manche Analysen nichts als Annahmen und andere wiederum wenig mehr als Schlaumeiereien.

Wie der Übernahmeversuch ausgeht, zeichnet sich mit gebotener Deutlichkeit noch nicht sicher ab. Das Conti-Management hat sich bisher sehr schwer getan, gegen den als feindlich bezeichneten Übernahmeversuch Stimmung in der Öffentlichkeit allgemein und in der Politik speziell zu erzeugen. Dasselbe gilt für Lieferanten und Kunden. Belegschaft und Gewerkschaften zeigten sich durchaus reserviert gegenüber Schaeffler, aber das meiste dessen, was ihnen als Alternative zum Beispiel in Form des „White Knight“ dargeboten worden ist bisher, wirkte eher abschreckend und relativierte die Angst vor Schaeffler. Den Conti-Strategen ist die Herausarbeitung dessen, was einen Übernahmeversuch zu einem feindlichen machen soll, bisher nicht gelungen. Das wird auch nicht gelingen, weil die Differenzierung nach freundlich bzw. unfreundlich willkürlich ist.

Die Furcht, Schaeffler werde sich allen Versprechungen zum Trotz von Reifen trennen, lebt fort. Aber auch das relativiert sich bei gründlicher und ruhiger Betrachtungsweise. So lange dieser Geschäftsbereich gutes Geld verdient, ist die Furcht unbegründet, ändert sich dies, können sich auch die Meinungen ändern. Das ist unter jeder Führung so. Eine Zerschlagung des Conti-Konzerns sei mit Manfred Wennemer nicht zu machen, einem Verkauf der Lkw-Division steht dieses Bekenntnis nicht im Wege, sofern die Ebit-Marge nicht zweistellig bleibt. So könnte sich Schaeffler eines Tages auf die Pläne des derzeitigen Conti-Vorstands berufen. Für diesen wie für das Schaeffler-Management gilt: The name of the game is profit!

klaus.haddenbrock@reifenpresse.de

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