Fortsetzung (er-)folgt …
Nachdem Michelin im September vergangenen Jahres auf der Teststrecke in Papenburg im Rahmen eines sogenannten „Reifenmarathon“ den Winterreifen „Primacy Alpin PA 3“ aus eigener Produktion einem Laufleistungsvergleich mit drei Wettbewerbsfabrikaten – Bridgestone „Blizzak LM-25“, Continental „WinterContact TS 810“ und Goodyear „UltraGrip 7“ – unterzogen hatte, fand die Aktion zum Ende des Jahres noch eine Fortsetzung. Schauplatz war diesmal allerdings nicht das Areal der Automotive Testing Papenburg GmbH (ATP) im Emsland, sondern der hohe Norden Finnlands. Am Polarkreis – genauer gesagt in Rovaniemi – ließ der Reifenhersteller die teilabgefahrenen Pneus noch einmal auf den schneebedeckten Fahrbahnen des dortigen Versuchsgeländes gegeneinander antreten. Dabei ging es allerdings nicht direkt um das Kriterium Abrieb. Vielmehr sollte der nach Finnland geladene Fachpresse ein Einblick gewährt werden, ob und gegebenenfalls wie sich die vier Konkurrenzprodukte mit ihrem nach rund 10.000 Papenburg-Testkilometern übriggebliebenen Restprofil in ihrer Leistungsfähigkeit auf winterlichen Fahrbahnen unterscheiden. Und am Rande der Veranstaltung präsentierte Michelin auch gleich noch ein paar neue Produkte.
Beim Michelin-Reifenmarathon in Papenburg im September 2007 prüften 222 normale Autofahrer vier verschiedene Winterreifen der Größe 205/55 R16 H über alles in allem etwa 230.000 Kilometer mit möglichst gleichmäßiger Fahrweise auf Verschleiß (vgl. NEUE REIFENZEITUNG 11/2007). „Danach kamen natürlich Fragen auf, was denn diese recht unterschiedlich abgefahrenen Reifen in ihrem angestammten Arbeitsumfeld, nämlich auf Eis und Schnee überhaupt noch an Leistung erbringen“, so das Unternehmen, das sich in diesem Zusammenhang dann auf seinen bereits 1989 zum ersten Mal durchgeführten Winter-Workshop in Finnland besann. Mitte Dezember stellte man daher rund 60 Motorjournalisten vier der 14 in Papenburg eingesetzten VW Golf 1,4 TSI zu eigenen Messfahrten zur Verfügung. Bereift waren die Fahrzeuge dabei mit Reifen, die zuvor jeweils um die 10.000 Kilometer beim Reifenmarathon absolviert hatten. „In Papenburg haben die Temperaturen zwischen sechs und maximal 15 Grad Celsius gelegen. Da wir dabei sowohl bei trockener Fahrbahn als auch im Nassen gefahren sind, kommt dies den realen Witterungsbedingungen zu Beginn der Wintersaison recht nahe“, erklärt Helge Hoffmann, Leiter Test und Technik bei Michelin Deutschland.
Die Restprofiltiefen der Probanden lagen zwischen 5,3 Millimetern bei dem Michelin-Reifen – Sieger der Verschleißfahrten im vergangenen Herbst – und 3,5 Millimetern für das Schlusslicht (Goodyear „UltraGrip 7“) des letztjährigen Laufleistungsvergleiches. „Die 10.000 in Papenburg gefahrenen Kilometer entsprechen allerdings in etwa der doppelten Strecke unter normalen Straßenbedingungen“, verdeutlicht Hoffmann, dass die „Marathonreifen“ im Emsland wohl anscheinend doch etwas mehr zu „leiden“ hatten als im normalen Straßenverkehr. Bei den Vergleichsfahrten am Polarkreis ging es nun aber darum, wie sich die teilabgefahrenen Winterreifen – der dabei zum Einsatz gekommene Goodyear-Pneu würde wegen seines Restprofils von weniger als vier Millimeter in Österreich und anderen Ländern mit ähnlichen Bestimmungen übrigens gar nicht mehr als ein solcher gelten – in Sachen der üblichen Winterreifentestkriterien wie Anfahren, Bremsen, Handling und Seitenführung präsentieren. Deshalb wurden bei den Fahrversuchen in Rovaniemi solche Parameter wie der Bremsweg bzw. die Verzögerung, Längs- und Querbeschleunigungen oder die für einen Handlingparcours benötigten Rundenzeiten gemessen. Neben diesen objektiven Messwerten wurden die Fachjournalisten zudem gebeten, alle vier Wettbewerbsprodukte nach subjektiven Kriterien zu beurteilen.
Das Ergebnis all dessen dürfte so manchen überraschen – oder vielleicht auch eher nicht. Bezüglich der objektiven Messwerte lagen alle Kandidaten nämlich mehr oder weniger dicht beieinander, mit leichten Vorteilen für die Goodyear- und Michelin-Reifen. „Die Vergleichsfahrten im hohen Norden sehen diese beiden Winterreifen in ihren Leistungen nahezu gleichauf, was den Schluss zulässt, dass der Goodyear die sehr guten Winterwerte vor allem mit einer leider recht abriebfreudigen Gummimischung erzielt, die natürlich bei Vielfahrern zu häufigeren und damit kostspieligen Reifenkäufen führt“, folgert zumindest Michelin daraus. Dass der Michelin „Primacy Alpin PA 3“ aufgrund seiner laut Reifenmarathon um rund 38 Prozent höheren Laufleistung annähernd die gleichen Leistungswerte daher über einen wesentlich längeren Zeitraum erbringe, erfreue „seinen Besitzer mit einem deutlich niedrigeren Kilometerpreis“. Die Botschaft, die Michelin übermitteln will, scheint also ummissverständlich zu sein: Wenn die vier den Premiummarken zuzuordnenden Reifen nun schon alle mehr oder weniger gleich gut auf winterlichen Fahrbahnen sind, brauche man also nur noch auf das Kriterium Laufleistung zu achten.
Abgesehen von der Frage, ob sich ein Reifenhersteller mit einer solchen Aussage einen Gefallen tut oder nicht, muss allerdings noch eine weitere gestattet sein: Geben ein paar von Motorjournalisten gefahrene Runden auf Schnee und die dabei in den unterschiedlichen Disziplinen gemessenen Werte wirklich eine derart solide Datenbasis, die solche Schlüsse rechtfertigen? Oder ist der Test von Reifen in der Praxis nicht eher eine viel komplexere und aufwendigere Angelegenheit? Wie dem auch sei, unabhängig davon präsentierte Michelin in Finnland aber auch zwei neue Produkte: Zur Umrüstsaison 2008/2009 sollen sowohl der Kleber „Krisalp HP2“ als auch der BFGoodrich „g-Force Winter“ verfügbar sein, die den Größenbereich von 14 bis 16 Zoll (Kleber) bzw. 14 bis 18 Zoll (BFGoodrich) abdecken werden. Entsprechend der Positionierung der beiden Marken innerhalb des Konzerns ist der „HP2“ eher für den Einsatz auf Familienfahrzeugen gedacht, während der „g-Force Winter“ die etwas sportlichere Klientel ansprechen soll. Und sicherlich werden die bekannten Automobilzeitschriften bei ihren Winterreifentests im kommenden Jahr auch diese Produkte berücksichtigen.
Abgesehen von den beiden Winterreifen, gab es in Rovaniemi aber noch etwas anderes Neues zu sehen: Unter dem Produktnamen „Easy Grip“ hat Michelin eine Anfahrhilfe vorgestellt, die in Frankreich bereits vermarktet wird und die man offensichtlich nun auch in anderen Ländern anbieten will. Die über die Antriebsräder spannbaren Netze kommen Angaben des Reifenherstellers zufolge zwar sehr nahe an die Leistungsfähigkeit von echten Schneeketten heran, gelten im Sinne der Gesetzgebung allerdings nicht als solche: Wird auf einem Streckenabschnitt durch entsprechende Hinweiszeichen die Verwendung von Schneeketten vorgeschrieben, ist „Easy Grip“ also keine Lösung. Als Vorteil des für Geschwindigkeiten von maximal 40 km/h einsetzbaren Systems stellt der Reifenhersteller unter anderem heraus, dass das Kunststoffnetz – anders als so manche Schneekettenlösung – nicht nachgespannt werden muss.
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