WRC-Halbzeitbilanz liefert Vorgeschmack auf Rallye-Saison 2007
Gleich nach dem diesjährigen Einstieg in die höchste Klasse des Rallye-Sports hat die amerikanische Marke BFGoodrich die ersten acht Läufe der laufenden Saison gewonnen – und das auf den unterschiedlichsten Straßenbelägen von Eis und Schnee über Schotter und Steine bis hin zu trockenem und nassem Asphalt. Ob im verschneiten Schweden, auf den Schotterpisten Griechenlands oder den Bergstraßen Korsikas – bislang konnten Fahrer, die auf Reifen der Marke BFGoodrich an den Start gehen, alle acht Rallye-Läufe vor dem Gastspiel der Serie hierzulande für sich entscheiden. Damit liefert die Halbzeitbilanz der insgesamt 16 Veranstaltungen umfassenden World Rallye Championship (WRC) einen Vorgeschmack auf die kommende Saison, wenn BFGoodrich nach dem zum Ende dieses Jahres angekündigten Ausstieg des einzig verbliebenen Wettbewerbers Pirelli in der Serie alleiniger Reifenausrüster der Rallye-Weltmeisterschaft sein wird.
Nicht zuletzt durch das „Chaosrennen“ von Ungarn ist es in der Formel-1-Weltmeisterschaft wieder etwas spannender geworden. Die Frage, ob Alonso oder Schumacher und damit ob Michelin oder Bridgestone den 2006 Fahrertitel holt, ist nach dem Budapest-Grand-Prix wieder offen. Schon im nächsten Jahr ist aber bekanntermaßen nur noch eine Reifenmarke Ausrüster der Serie, da sich Michelin zum Ende des Jahres aus der Königsklasse des Motorsports zurückzieht. Denn 2008 kommt ohnehin der vom Automobilverband FIA durchgesetzte Einheitsreifen, und nur gegen sich selbst zu fahren, macht aus der Sicht der Franzosen keinen Sinn. Mit der gleichen Situation sieht man sich umgekehrt allerdings auch in der Rallye-WM konfrontiert, schließlich hat der bislang einzig verbliebene Wettbewerber Pirelli angekündigt, sich 2007 nicht mehr in der WRC-Serie engagieren zu wollen. Begründung der Italiener: Seit dieser Saison startet der Reifenhersteller Michelin nicht mehr unter dem eigenen Markennamen bei den Rallye-Läufen, sondern schickt seine Zweitmarke BFGoodrich in die Rennen, und gegen die will die Premiummarke Pirelli aus – wie es heißt – „Marketinggründen“ nicht mehr antreten (die NEUE REIFENZEITUNG berichtete).
„Der von Pirelli bekannt gegebene Rückzug aus der Serie hat uns alle überrascht“, so Jan Hennen, Leiter Produktpresse Pkw, Lkw, Zweirad und Motorsport bei den Michelin Reifenwerken. Diesen Umstand habe die FIA dann gleich ausgenutzt, um auch in der Rallye-Weltmeisterschaft einen Einheitsreifen zu fordern. Ab der Saison 2008 wird es in der WRC-Serie ebenfalls nur noch einen Reifenausrüster geben, und durch den Ausstieg Pirellis de facto sogar schon ein Jahr früher. Und wie steht Michelin dazu, dass man sich – wenn auch vielleicht „nur“ mit der Zweitmarke BFGoodrich – schon 2007 und dann (ein weiteres Engagement vorausgesetzt) ab 2008 sowieso in der Rallye-WM genau in der gleichen Situation wiederfindet, mit der man sich in der Formel 1 ja nach eigenen Aussagen nicht anfreunden kann? Widerspricht dies nicht der bislang von Michelin vertretenen Auffassung? „Eigentlich schon. Es gab deswegen auch einige Diskussionen, ob wir uns weiter an der Rallye-WM beteiligen sollten. Wir haben uns letztendlich erst einmal dafür entschieden. Wie lange wir unter den gegebenen Umständen bei dieser Entscheidung bleiben, ist allerdings eine andere Sache“, so Hennen auf konkrete Nachfrage der NEUE REIFENZEITUNG.
„Der Standpunkt der FIA ist schon irgendwo nachvollziehbar. Man will das Ganze wieder mehr auf die Fähigkeiten der Fahrer konzentrieren. Aber durch das Formel-1-Rennen auf dem Hungaroring hat man einmal mehr gesehen, welchen Einfluss die Reifen auf das Renngeschehen haben können und für wie viel zusätzliche Spannung ein solcher Wettbewerb zwischen verschiedenen Herstellern sorgt“, meint Hennen. Trotzdem ist man mit dem bisherigen Saisonverlauf in der Rallye-WM natürlich äußerst zufrieden, denn das Ergebnis von acht Siegen in acht Läufen lässt sich nicht weiter steigern. Bereits beim Saisonauftakt in Monte Carlo sicherte sich Marcus Grönholm im BFGoodrich-bereiften neuen Ford Focus WRC06 den Sieg, der in dem Fürstentum seinen erst zweiten Einsatz bestritt. Und auch Platz zwei ging an die amerikanische Reifenmarke. Den holte sich der Konkurrent Sébastien Loeb auf dem vom Kronos-Team eingesetzten Citroën Xsara WRC, obwohl er zwischenzeitlich zunächst weit zurückgefallen war, sich zum Ende der Rallye aber wieder bis nach vorne vorarbeiten konnte. Ausgerechnet bei der aus Reifensicht wohl schwierigsten Rallye des Jahres – in den Bergen rund um Monte Carlo wechseln die Bedingungen von verschneiten und vereisten Fahrbahnen bis hin zu trockenen Asphaltpisten – gelang der amerikanischen Reifenmarke damit der erste Rallye-WM-Erfolg in der eigenen Geschichte.
Die beiden Hauptdarsteller des ersten Saisonlaufs bestimmten seither auch bei allen anderen Rallyes das Geschehen: Ford-Pilot Grönholm fuhr in Schweden und später in Griechenland zum Triumph. In Mexiko drehte Citroën-Fahrer Loeb den Spieß herum und fuhr seinen ersten Saisonerfolg ein – der Beginn einer beeindruckenden Serie des amtierenden Weltmeisters, denn nicht nur bei den Asphaltläufen in Spanien und auf Korsika wurde der Franzose jeweils Erster, sondern auch auf den Schotterpisten von Argentinien und auf Sardinien war er schneller als alle anderen. Die Statistik von BFGoodrich zur Halbzeit der ersten Rallye-WM-Saison der Marke BFGoodrich kann sich daher sehen lassen: Mit Sébastien Loeb (74 Punkte), Marcus Grönholm (45), Daniel Sordo (33, Citroën) und Mikko Hirvonen (21, Ford) führen vier BFGoodrich-Partner die Fahrerwertung an, und in den Top Ten befinden sich insgesamt acht Fahrer mit Pneus aus Clermont-Ferrand.
Ein ähnliches Bild zeigt die Konstrukteurswertung: Das werksunterstützte Privatteam Kronos-Citroën von Sébastien Loeb liegt mit 96 Zählern in Führung. Auf Rang zwei folgt Ford mit 81 Punkten vor dem dahinter platzierten und von Pirelli unterstützen Subaru-Team (64 Punkte). Ob BFGoodrich diesen Vorsprung während der zweiten Saisonhälfte wird halten können, muss man abwarten. Schon jetzt klar ist jedoch, dass – sofern nicht plötzlich noch ein anderer Reifenhersteller auf der Bildfläche erscheint oder Pirelli den Rücktritt von Rücktritt erklärt – der WRC-Weltmeistertitel in der Fahrer- wie in der Konstrukteurswertung 2007 an die amerikanische Marke gehen wird.
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