Formel-1-Motorsport: Alles dreht sich um die Reifen

Die F1-Saison hat sich in den zurückliegenden Jahren vor allen Dingen als ideale Showbühne für Reifenhersteller erwiesen. So hat der Bridgestone-Konzern zusammen mit Ferrari und Michael Schumacher nicht weniger als fünf Mal die Weltmeisterschaft nach Hause fahren und erst den Konkurrenten Goodyear geschlagen aus dem Wettbewerb geschickt und danach den Konkurrenten Michelin. Jetzt scheint sich das Blatt zu wenden und sich aller Glanz den Franzosen zuzuwenden.

Ohne Frage hat der Konkurrenzkampf von Bridgestone und Michelin dazu geführt, dass die Reifen besser und die Rundenzeiten schneller wurden. Ein Leben am Limit, ein Leben für die allerletzte Sekunde. In allen Regenrennen erschienen Bridgestone-bereifte Boliden so überlegen als kämen die Fahrer, allen voran Michael Schumacher, von einem anderen Stern, während in der „Hitze der Schlacht“ Michelin-Fahrer zu dominieren, weniger aber zu siegen wussten. Die Formel 1 hatte sich zu einem Event entwickelt, zu dem 18 bis 20 Rennwagen am Start Aufstellung nahmen und Michael Schumacher gewann.

Mit Beginn dieser Saison hat sich einiges geändert. McLaren-Mercedes, BAR-Honda und natürlich Renault führen das Feld an, Ferrari fährt hinterher und kann nur die noch schwächer gewordenen Boliden von BMW-Williams in Schach halten. Die Wende schien in Montreal erreicht und durch den Indy-Skandal gelang den Ferraristi eine Distanzverkürzung auf den überlegen führenden Alonso. In Frankreich hielt „Schumi“ noch gut mit. Zwischenzeitlich hat er ernüchtert nach Silverstone alle Hoffnung aufgegeben, in dieser Saison seiner Mütze einen weiteren Strich zufügen zu können.

Für die Reifenhersteller hat sich aller Einsatz vermutlich dennoch gelohnt, sprach man doch bei Sieg oder Niederlage lang und breit über gute und weniger gute Reifen, über „Bremsplatten“, über die Haltbarkeit, über Grip. So ganz nebenbei wurden auch technisch unbeleckte Zuschauer zu Reifenexperten. Das auf die Spitze getriebene Spiel mit Reifen, die über Sein oder Nichtsein entscheiden sollen, konnte den Teams eigentlich nicht gefallen. Schließlich geht es bei Autorennen in erster Linie um Motoren und PS sowie um das Chassis und last, but not least den Fahrer. Dass alles von den Reifen abhängen soll, kann Mercedes nur dann gefallen, wenn in schöner Regelmäßigkeit einer der teuren Motoren zerplatzt.

Die beiden Reifenhersteller haben sich nichts geschenkt. Unwiderstehlich schien Michelin vor zwei Jahren auf und davon zu ziehen, bis Ferrari erfolgreichen Protest wegen der am Ende eines Rennens zu breiten Reifen der Konkurrenz einlegte und wieder gewann. Die Franzosen zeigten sich zwar keiner Schuld bewusst, änderten dennoch das Produkt.
In der letzten Saison schienen die Bridgestone-bereiften Rennwagen bereits abgeschlagen wegen der jedenfalls von den Fernsehreportern festgestellten Überlegenheit der Michelin-Reifen, doch die Japaner testeten rund um die Uhr und schlugen erfolgreich zurück. Technik am Limit.

Und in der laufenden Saison sollte es endgültig ernst werden. Michelin-Teams vorneweg, Ferrari reiht sich ein. Bis zum Rennen in Indianapolis. Ein absolutes Desaster für Michelin. Im Kampf mit Bridgestone war man ohnehin am Limit, hier schien man darüber hinaus geraten zu sein. Die Franzosen riefen ihre Reifen zurück und fällten damit die einzige vertretbare und zu respektierende Entscheidung. Von Bridgestone hörte man nichts. Die anderen sprachen ohnehin genug von den Reifen. Schweigen ist Gold!

Michelins weltweit bekannter Sportchef Pierre Dupasquier erlebte im letzten Jahr seiner beruflichen Tätigkeit das Waterloo. Normalerweise nimmt der kleine Franzose, ehemaliger Jet-Pilot, kein Blatt vor den Mund. Nach seiner Erkenntnis siegte bislang Ferrari trotz Bridgestone-Reifen allein schon wegen Michael Schumacher und der ganze Rest führe noch weiter hinterher, gäbe es nicht den Vorteil der Michelin-Reifen. In Indianapolis zeigte Dupasquier Nerven, war in den Interviews alles andere als gerade noch souverän genug und zog sich schließlich nach Auskunft Beteiligter für einige Zeit weinend in den Michelin-Container zurück. Über Nacht hatte sich eine neue Konstellation ergeben: Zweifel an Michelin-Reifen, Ruhm für Bridgestone.

Die Wogen haben sich wieder geglättet. Jedermann akzeptiert und respektiert Michelins Verhalten in Indianapolis, aber dennoch führt nichts an der Tatsache vorbei, dass das Interesse an Reifen seit diesem Zeitpunkt nachgelassen hat. Möglicherweise hat der Vorgang auch den Trend zum Einheitsreifen für die Zukunft begünstigt. Jedenfalls siegten weder Renault (Alonso in Frankreich) noch McLaren (Montoya in England) wegen der Überlegenheit der Reifen. Jedenfalls war keine Rede davon.

Die Reifenhersteller wollen und müssen etwas machen aus ihrem teuren Motorsport-Engagement. Insbesondere Bridgestone hat sich in dieser Hinsicht weit aus dem Fenster gelehnt. Die Marke sollte in Europa bekannter gemacht werden und zumindest in den Teilen Asiens, in denen der Schriftzug nicht überaus großartig bekannt war. Das ist wohl gelungen. Amerika ist keine F1-Bastion, sodass sich der Schaden für Michelin und der Vorteil für Bridgestone im Land der unbegrenzten Möglichkeiten eher in überschaubaren Grenzen hielt. Amerika interessiert sich für Football, Baseball, Basketball und NASCAR-Rennen. F1 muss um Aufmerksamkeit ringen.

Wie kein Zweiter hat Bridgestone-Geschäftsführer Günter Unterhauser die Formel-1-Präsenz seines Unternehmens zu Marketingzwecken genutzt. Einerseits ist Unterhauser oft vor Ort, um überkritischen Moderatoren des Schlages Christian Danner auf die Finger zu schauen und auch, um ein Gegengewicht zu Michelins Dupasquier zu bilden, der schnell und gern zu kernigen Aussagen greift, die es zu relativieren oder zurückzuweisen gilt.

Die Formel-1-Rennen sind inzwischen auch Highlights für Bridgestone-Kunden geworden. Ob Team-Gesellschafter oder point-S-Gesellschafter, ob große und weniger große Reifenhändler oder auch Flottenbesitzer und Spediteure schlechthin, sie alle sind auf Reisen mit Bridgestone, mit Günter Unterhauser und jeweils einigen Verkäufern. Das Bridgestone-Team baut zwischenmenschliche Beziehungen auf, kümmert sich um seine Kunden, zeigt ihnen, dass sie etwas wert sind, was sie wert sind, wie begehrenswert sie sind. Und in relaxter und angenehmer Atmosphäre soll über alles gesprochen werden, aber nicht über Reifen und das Reifengeschäft. Dass dies nie klappt, versteht sich von selbst. Ob in der glühenden Hitze von Bahrain, ob in Monte Carlo oder Montreal, am Nürburgring oder nunmehr in Hockenheim, Bridgestone macht aus diesen Events etwas für sich und die Kunden. Schön, wenn Michael Schumacher schließlich doch noch siegt, auf das Podest kommt oder zumindest Punkte einheimst, aber entscheidend ist das alles nicht mehr. Entscheidend ist, dass Unterhauser der anonymen japanischen Firma ein Gesicht gegeben hat, sich als Ansprech- und Verhandlungspartner profiliert hat, dem sich erst die Gäste anvertrauen und dann auch dieselben Gäste in ihrer Eigenschaft als anspruchsvolle Kunden. Bridgestone ist wer im Markt, ganz egal ob man über Ultra-High-Performance-Reifen reden möchte, die den Rennreifen noch am nächsten kommen oder über Nutzfahrzeug- bzw. Motorradreifen. Mit der Intensivierung der Kundenbeziehungen, der Schaffung einer vertrauensvollen und verständnisvollen Ebene holen die Bridgestone-Leute ihr Optimum aus dem F1-Engagement. Von wegen, dass jeder Reifenkauf auf der Grundlage einer rein rationalen Entscheidung erfolgt. Reifenkauf ist eine hoch emotionale Angelegenheit. Und das ist auch gut und richtig so.

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