Rösler hofft weiter auf gelungenen US-Deal

Continental Tire North America (CTNA) strebt jetzt einen Gerichtsbeschluss wegen „unlauterer Arbeitspraktiken“ gegen die Gewerkschaft USW an, deren Mitglieder sich gegen den Verkauf des OTR-Reifenwerkes in Bryan (Ohio/USA) an die deutsche Rösler-Gruppe (Rodos) wehren. „Die Stahlarbeiter haben sowohl gesetzliche als auch vertragliche Verpflichtungen, einen neuen Tarifvertrag mit dem möglichen Käufer der Bryan-Fabrik zu verhandeln“, erklärte Rick Ledsinger kurz vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe der NEUE REIFENZEITUNG. Der CTNA-Vizepräsident verantwortlich für Human Resources weiter: „Die Gewerkschaft hat eindeutig gegen diese Verpflichtungen verstoßen, indem sie es ablehnt, das geschlossene Abkommen anzuerkennen und folglich die Verhandlungen mit Rodos abbricht.“

Zum Hintergrund: Am 13. Januar dieses Jahres hatten die Rösler-Gruppe und Continental Tire North America einen so genannten Letter of Intent (Absichtserklärung) unterzeichnet. Darin sei ausdrücklich betont worden, dass ein Verkauf der OTR-Reifenfabrik nur dann zustande kommen könne, wenn der Käufer sich vorher mit der Gewerkschaft USW (United Steelworkers) auf einen neuen Tarifvertrag einigt. Diese Absichtserklärung hat noch bis Oktober Gültigkeit. Gut zwei Wochen nach dieser Erklärung, am 2. Februar, konnten dann die Verhandlungen zwischen der Rösler-Gruppe und der Gewerkschaft beginnen. Am 16. Juni dann unterzeichneten die Verhandlungspartner ein Memorandum of Understanding – die Basis für den zu schließenden Tarifvertrag zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern und somit erfüllte Voraussetzung für die geplante Übernahme des Reifenwerkes in den USA durch Rösler. Am 21. Juni dann aber die überraschende Wende: Die Gewerkschaft kündigte plötzlich an, der Verkauf könne nicht stattfinden, da man kein Abkommen mit Rodos Giants, LLC habe; durch diese US-Tochtergesellschaft solle das Bryan-Werk geführt werden. Die Gewerkschaft behauptet nun sogar, dass das Memorandum of Understanding jemals ein „bindendes Abkommen“ gewesen sei.

Was ganz offensichtlich zur Verwirrung beiträgt, sind die unterschiedlichen Zuständigkeiten innerhalb der amerikanischen Gewerkschaftsorganisation. Martin Rösler sowie Bruder Paul Rösler jun., beide Geschäftsführer der Rösler-Gruppe mit Sitz in Dortmund, haben in den Vereinigten Staaten mit Ron Hoover, einem Vertragskoordinator der „International USW“ gesprochen, der Dachorganisation für die USA und Kanada. Aus diesem Spitzengespräch, wie man das Treffen nennen könnte, ist das Memorandum hervorgegangen. Funktionäre der USW auf lokaler Ebene fühlen sich aber ganz offensichtlich nicht gebunden und weigern sich, dem Memorandum zuzustimmen oder es sogar den Mitgliedern vor Ort zur Abstimmung vorzulegen. Ihrer Meinung nach habe das Memorandum rein „provisorischen“ oder bestenfalls beratenden Charakter, und lehnen es ab. Bis Redaktionsschluss hat sich an dieser Rechtsauffassung nichts geändert.

Das gesamte Verfahren sei „äußerst schwierig“, erstaunte sich Martin Rösler nach seiner Rückkehr von den – wie er bis dahin glaubte – erfolgreichen Verhandlungen in den Vereinigten Staaten. Es müsse nun „Gespräche innerhalb der Gewerkschaft“ geben, forderte der Geschäftsführer, damit die internen Meinungsverschiedenheiten ausgetragen würden. Wie Martin Rösler im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG betont, habe es scheinbar bereits früher „in ähnlich gelagerten Situationen“ quasi ein Machtwort der International USW gegeben (früher noch USWA), das eine gegenteilige Meinung der lokalen Gewerkschaftsvertreter und -gremien überstimmt. Folglich hätte auch im gegenwärtigen Fall das Memorandum auf lokaler Ebene durchgeboxt werden können, hoffte der Geschäftsführer noch vor kurzem. Da dies ganz offensichtlich nicht gelungen ist, müsse die Rösler-Gruppe nun auf ‚Plan B’ hoffen: einer richterlichen Entscheidung, die den lokalen Gewerkschaften die Übernahme einer Entscheidung vorschreibt, die auf höherer Ebene gefallen ist. Continental Tire North America hat jetzt als Verkäufer des Reifenwerkes in Bryan Klage wegen „unlauterer Arbeitspraktiken“ (unfair labour practices) eingereicht und strebt ebendiese richterliche Entscheidung an. Unter dem juristischen Fachbegriff „unfair labour practices“ versteht man den Verstoß gegen codifizierte Regeln von Arbeitsverhältnissen.

CTNA ist der Ansicht, die Gewerkschaft verstoße gegen einige Vorschriften des National Labor Relations Acts, das die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in den Vereinigten Staaten regelt. Dies sei etwa der Fall durch die Nichtanerkennung des Memorandums vom 16. Juni durch die Gewerkschaft und die Weigerung, in weitere Diskussionen mit Rodos einzutreten. Darüber hinaus sieht das Bundesgesetzt auch vor, Arbeitgeber und Gewerkschaften sollten „in gutem Glauben“ verhandeln und sich an geschlossene Abmachungen halten können. Darüber hinaus habe die Gewerkschaft gegen ein Abkommen aus dem Jahre 1999 verstoßen, mit dem sie sich verpflichtete, verhandelte und beschlossene Abkommen anzuerkennen.

Continental Tire North America hofft nun darauf, ein Richterspruch werde die Gewerkschaft dazu zwingen, das Memorandum of Understanding als Basis für einen neuen Tarifvertrag anzuerkennen, wie dies ursprünglich vorgesehen war, und die Verhandlungen mit Rodos wieder aufzunehmen.

Nach Rösler-Angaben sind in dem US-amerikanischen Werk 300 Mitarbeiter beschäftigt; der von ihnen erwirtschaftete Umsatz wird mit rund 150 Millionen US-Dollar angegeben.

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