Keine weitere Private Brand notwendig
Die Meyer Lissendorf GmbH hat für das eigene Großhandelsgeschäft eine klare Strategie: Es gibt neben den üblichen Marken zwei unterschiedlich positionierte Private Brands, mit denen das Unternehmen den verfügbaren Markt optimal versucht abzudecken. Während die Marke „Eurotec“ seit zehn Jahren erfolgreich im Qualitätssegment vertrieben wird, richtet sich die Marke „Rotex“ an preisbewusste Käufer. Weitere Private Brands seien nicht vorgesehen, so Geschäftsführer Bernhard Sommer, und wohl auch nicht in jedem Fall sinnvoll.
Die Marke Eurotec gehört zu den älteren Private Brands am deutschen Markt. Bereits seit 1995 wird die Marke für Meyer Lissendorf hergestellt und – wie Geschäftsführer Bernhard Sommer betont – mit Erfolg über die verschiedenen Kanäle vermarktet, hier insbesondere über die 284 Outlets der MLX-Systempartner. Von den 80.000 im vergangenen Jahr abgesetzten Eurotec-Reifen wurden etwa vier Fünftel über das eigene Händlernetz abgesetzt. Eurotec war die „erste richtige Private Brand bei Meyer Lissendorf“ und sei vor mittlerweile zehn Jahren eingeführt worden, „weil wir eine Marke brauchten, mit der wir uns vom Wettbewerb abgrenzen konnten“, erläutert Sommer. Eurotec, der „Reifen für Europa“ (Werbeslogan), wird in großen Teilen Europas vertrieben.
Ein Teil des Erfolgskonzepts dieser ersten eigenen Meyer-Lissendorf-Marke sei ihre Marktpositionierung. Im Gegensatz zu vielen anderen Private Brands steht Eurotec fest im mittleren Marktsegment. Zum Vergleich: Meyer Lissendorf bietet das Sommerprofil ML 200 in 195/65 R 15 H auf der eigenen Internetseite für 61,50 Euro (Sell-out) an (Angebotspreis), wohingegen der BRV für diese Größe einen Durchschnittspreis (der großen Marken im Hofgeschäft) von 66,45 Euro errechnet. Eurotec hat also deutlichen Abstand zum Budget-Segment.
Obwohl die Marke Eurotec „in der Wertanmutung verliert“ im Vergleich zu bekannten Erst- oder Zweitmarken der Reifenindustrie, da sie – auch nach zehn Jahren – kaum einen eigenen Markenwert besitzt und eben nicht „vorverkauft“ ist, wie Bernhard Sommer die Vorteile eines gewissen Bekanntheitsgrades nennt. Dennoch erlaubt sich Meyer Lissendorf, seine erste Private Brand etwas teurer (um die fünf Prozent) im Sell-out zu positionieren als die direkten Wettbewerber wie etwa Fulda; der Großhändler gibt hier allerdings nur eine unverbindliche Preisempfehlung an die unabhängigen MLX-Systempartner. „Bei leicht höherer Preisfestlegung“, so Sommer weiter im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG, „bekommt der Reifen eine andere Wertanmutung.“ Ein Endverbraucher wird sich also beim Reifenkauf die Frage stellen, so jedenfalls Sommers Theorie, warum ein namhaftes Produkt nun etwas günstiger angeboten wird als ein vermeintliches No-Name-Produkt.
Für Endverbraucher, die dann noch nicht von den Vorzügen des Eurotec-Reifens überzeugt sind, hat Geschäftsführer Bernhard Sommer noch weitere Argumente.
Zunächst einmal wird „Reifen für Europa“ auch in Europa hergestellt, und zwar von Conti. Dies sei eine Art Qualitätssiegel. Hinzu kommt noch, dass Meyer Lissendorf bzw. die Eurotec-Händler den Endverbrauchern eine Reifengarantie geben können. In dem Marktsegment, in dem Eurotec positioniert ist, also das mittlere Qualitätssegment, ließen sich etwa 50 bis 70 Prozent aller Endverbraucher als so genannte „offene Kunden“ bezeichnen, auf deren Entscheidung der Reifenverkäufer wesentlichen Einfluss nehmen kann. Laut Bernhard Sommer sei es für Reifenhändler wichtig zu verstehen, warum sich – gerade beim Verkauf der Private Brand Eurotec – der Mehraufwand beim Kundengespräch lohne.
Im Schnitt, so Sommer, lassen sich an einer Marke wie Eurotec rund zwölf Euro mehr Gesamtertrag erzielen (Montage und Verkauf). Wenn sich ein Händler nun zum Ziel setzt, 200 Satz Eurotec-Reifen mehr im Jahr zu verkaufen und für jeden Satz fünf Minuten mit dem Endverbraucher diskutieren muss, um ihn zu überzeugen, lasse sich dafür ein Stundensatz von 143,97 Euro ansetzen – diesen Betrag würde in der Werkstatt keiner für geleistete Arbeiten ansetzen, so der Geschäftsführer weiter. Es lohne sich also für den Reifenhändler immer, sich bei „offenen Kunden“ einige Minuten extra zu nehmen, um ihn vom richtigen Reifen zu überzeugen. Und in der Berechnung sind die fünf Minuten noch der „Worst Case“, so Sommer.
Eurotec werde in Deutschland und im europäischen Ausland „qualitativ, nicht quantitativ“ vermarktet. Neben Sommer- und Winterreifen gibt es noch einige Llkw-Größen. Der Absatz außerhalb Deutschlands sei allerdings weitest gehend zu vernachlässigen.
Neben der Ertragsmarke Eurotec hat Reifengroßhändler Meyer Lissendorf erst vor kurzem eine weitere Private Brand auf den Markt gebracht: Rotex. Für diese Marke gelte eine „klare Positionierung im Preissegment“ des Marktes. Folglich lassen sich mit Rotex auch ganz andere Absatzzahlen erzielen. Allein im vergangenen Jahr wurden etwa 800.000 Reifen dieser Marke verkauft. Zunächst wurde Rotex lediglich beim serbischen Reifenhersteller Tigar produziert, und zwar ausschließlich als Sommerreifen. Nachdem die dortigen Produktionskapazitäten allerdings ausgeschöpft waren, kam Hankook aus Korea als Hersteller hinzu. Mittlerweile werden etwa zwei Drittel aller Rotex-Reifen von Hankook hergestellt, also etwas mehr als eine halbe Million Einheiten. Während Hankook die Standardreifen in seinen beiden Werken in China herstellt, stammen die Ultra-High-Performance-Reifen aus Korea. Mittlerweile gibt es Rotex auch mit Winterprofilen sowie als Llkw-Reifen. Ab der kommenden Wintersaison wird etwa der neue Rotex Z 3000 in zunächst sechs Dimensionen als Ergänzung zum derzeit aktuellen Z 2000 auf den Markt kommen. Ab dem Frühjahr 2006 wird dann auch ein neues Sommerprofil verfügbar sein, und zwar der RS 02 von 14 bis 18 Zoll.
Rotex ist die Reifenmarke für „ganz Europa“, sagt Geschäftsführer Bernhard Sommer. Gleichzeitig weist er allerdings darauf hin, dass die Mehrzahl aller Rotex-Reifen im eigenen Land vermarktet werden: Rund 60 Prozent des Jahresabsatzes bleiben in Deutschland, also etwa 480.000 Stück. Dabei baut Sommer im Wesentlichen auf das neue Stützpunkthändler-Konzept, zu dem seit diesem Jahr ausgesuchte lokale und regionale Großhändler als Meyer-Lissendorf-Kunden gehören.
Über die beiden Private Brands Eurotec und Rotex hinaus soll keine weitere eigene Marke ins Portfolio aufgenommen werden, so Geschäftsführer Sommer. Die beiden Marktsegmente, in denen sich die Etablierung einer Private Brand ohne zu hohe Kosten machen lässt, also im Quality- und im Budget-Segment, seien vom Reifengroßhändler aus der Eifel gut abgedeckt. Eine Private Brand im Premiumsegment zu etablieren, hält Bernhard Sommer zwar nicht für unmöglich. Allerdings: „Da müssen Sie so viel Geld investieren, um den Markenwert aufzubauen“, dass des ein Spiel mit hohem Einsatz wird. Außerdem dauere es Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, bis sich eine Marke unter den etablierten Premiummarken dieser Welt etablieren kann.
Für die Zukunft rechnet Sommer mit einer so genannten „Markenpolarisierung“ auf dem Reifenmarkt. Auf dem deutschen Reifenersatzmarkt nimmt das Mittelpreissegment laut der MMS-Jahresumfrage 2004/05 immer noch einen Anteil von knapp unter 40 Prozent am Absatz ein. Laut Sommer wird dieser Anteil in den kommenden Jahren zugunsten des A- und des C-Segments abnehmen, was allerdings in der Branche nicht von allen so gesehen wird, wie auch die Marketing + Management-Systeme GmbH (MMS) anlässlich der Vorlage ihrer jüngsten Ergebnisse betont. Dennoch werde sich ein Trend durchsetzen, von dem „Private Brands im Preissegment nicht betroffen sein“ werden. Ein gewisser Druck werde allerdings von günstigen Importen aus China und Fernost ausgehen, so Sommer: „Das Preissegment lebt vom Preis.“
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