Ü60-Szene der Oldtimerfahrer lässt Werkstattkassen klingeln – heikles Thema Teileversorgung

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VW Kaefer

82 Prozent der autofahrenden Bevölkerung freuen sich, einen Oldtimer auf der Straße zu sehen. Dies ist eines der Ergebnisse der aktuellen BBE-Classic-Studie, die von Wolk & Nikolic jetzt präsentierte wurde. „Classic Cars sind in der Bevölkerung weiterhin positiv besetzt und auch wirtschaftlich relevant. Oldtimerhalter investieren rund 90 Cent pro gefahrene Kilometer allein in den Fahrzeugunterhalt – ohne Steuern und Versicherung“, so Studienautor Gerd Heinemann. 3,6 Milliarden Euro betrage allein das Werkstatt- und Teilepotenzial im Oldtimersegment, für den Bereich Youngtimer wären es etwa 4,5 Milliarden Euro.  „Die Branche ist zufrieden, nur das Thema Fachkräfte und Teileversorgung sind heikle Themen“, ergänzt er.

Laut der Studie gibt es rund 1,45 Millionen Fahrzeuge die 30 Jahre und älter sind in Deutschland, davon seien rund 790.000 mit H-Kennzeichen versehen. Der größte Anteil der Fahrzeuge bei den Oldtimern ohne H-Kennzeichen seien von VWs. Mit 322.578 Fahrzeugen machten sie einen Anteil von rund 22 Prozent der Oldtimer aus. Gefolgt von Mercedes mit 301.879 Fahrzeugen und BMW mit 108.118 Stück. Die Quote dieser Fahrzeuge mit H-Kennzeichen betrage bei VW mit 151.793 rund 54 Prozent, bei Mercedes mit 201.420 rund 67 Prozent und BMW mit 50.435 Stück rund 47 Prozent.

Eine besonders hohe Anzahl an Oldtimern mit H-Kennzeichen gibt es bei den Marken Porsche, GMC, Ford und Alfa Romeo. Von den 67.519 Porsches hätten 52.296 (77 Prozent) ein H-Kennzeichen, bei Alfa Romeo seinen von 19.726 Oldtimern 15.670 mit H-Kennzeichen, bei GMC von 30.016 Fahrzeugen 26.763 (89 Prozent) und bei Ford USA von insgesamt 21.446 Oldtimern 20.378 mit H-Kennzeichen. Also 95 Prozent.

Die Top-Modelle laut dem Ranking der Studie sind der VW Golf mit 108.679 Stück, gefolgt von Mercedes E-Klasse W123 (100.924 Stück), VW Bus (65.084 Stück), BMW 3er (62.903 Stück) und dann dem VW Käfer (56.843 Stück). Und damit ist der Käfer in der Liste zurückgerutscht. In der Classic-Studie von 2019 habe er mit Abstand auf Platz 1 (51.009 Stück) vor dem Mercedes W123 (27.146 Stück) und dem VW Golf (26.074 Stück) gelegen. „Damals konnten wir noch kommentieren: Er läuft und läuft und läuft“, so Gerd Heinemann. Der Käferbestand habe zwar noch in den vergangenen Jahren um zehn Prozent wachsen können, der des Golfs, des Mercedes 190 und vieler anderer Modelle habe sich seitdem aber vervierfacht.

Die größten Oldtimerbestände gibt es in Berlin. Hier sind 35.006 Oldtimer gemeldet, gefolgt von Hamburg (24.687) und München (20.741). Besonders auffällig ist, dass der Oldtimerbestand im Kreis Esslingen und auch im Stadtkreis Stuttgart rund 3,4 Prozent vom gesamten Fahrzeugbestand ausmacht, im Rhein-Kreis Neuss sind es sogar 3,7 Prozent.

Der Bestand der Fahrzeuge ab 30 Jahren wird zu 45 Prozente von den niedrigen Preisklassen dominiert. Etwa 50 Prozent der Fahrzeuge liegen in der Range zwischen 10.000 und 50.000 Euro. Etwa 4.300 Pkw haben einen Wert von über 250.000 Euro und sind dem Sammlermarkt zuzurechnen. „Etwas wertiger bezüglich der Preise sind die Pkw mit H-Kennzeichen. Hier können 30 Prozent mit mehr als 20.000 Euro bewertet werden, der Großteil mit 41 Prozent liegt aber zwischen 10.000 und 20.000 Euro“, so Gerd Heinemann.

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Der Markt ist da. Die Strukturen im Markt verändern sich aber (Bild: Wolk & Nikolic After Sales Intelligence/BBE Automotive)

Wegen der niedrigen Fahrleistungen von durchschnittlich 2.500 Kilometer ist die Umweltbelastung durch historische Fahrzeuge gering, ihre Fahrleistung macht lediglich 0,6 Prozent aller gefahrener Kilometer aus. Ein Pkw wird in Deutschland durchschnittlich über 12.000 Kilometer pro Jahr gefahren. Auch wenn der Zuwachs bei den etwa 1,45 Millionen zugelassenen Oldtimern (Pkw 30 Jahre und älter) im letzten Jahr etwas geringer ausfällt, ist die Branche optimistisch, dass der Markt für Oldtimer und Youngtimer (20 bis 29 Jahre) stabil bleibt.

In der Classic-Branche ist das Do It Yourself (DIY) stark ausgeprägt. „Fast jeder zweite Oldtimerhalter (47 Prozent) hat im letzten Jahr selbst Hand angelegt“, so Gerd Heinemann. 25,5 Prozent vertrauen auf eine spezialisierte Classic-Werkstatt, 22,1 Prozent auf eine klassische Freie Werkstatt und rund vier Prozent auf eine Vertragswerkstatt. Bei den Youngtimern sind die Serviceanteile anders verteilt. Hier ist das DIY weniger ausgeprägt (35,1 Prozent) und Vertragswerkstätten der Autohersteller haben hier noch etwas höhere Anteile (14,4 Prozent). 18,3 Prozent vertrauen auf eine spezialisierte Classic-Werkstatt und 31,4 Prozent auf eine klassische Freie Werkstatt.

Die Studie zeigt aber auch einige Herausforderungen in der Branche. So sind Fahrzeughalter von Old- und Youngtimern im Durchschnitt bereits über 60 Jahre alt. Es kommen mittlerweile aber auch jüngere Fans mit Autos der 1990er und 2000er – Jahre nach. Dadurch wird die Szene jünger und digitaler. Aufmerksamkeit brauchen in Zukunft die Themen Fachkräftemangel und Teileversorgung. Wie die Befragung von über 2.000 Fahrzeughaltern und mehr als 100 Werkstätten zeigt: Nur bei wenigen Marken gibt es eine wirklich gute Teileversorgung, bei deutlichen Unterschieden im Markt.

Rund ein Drittel der Oldtimerfahrer haben angegeben, dass die Teileverfügbarkeit bei Karosserie- und Elektroteilen eher schlecht ist. Bei den Wartungsarbeiten und Motorteilen beurteilen die Oldtimerfahrer dies anders. Bei den Motorteilen wird die Verfügbarkeit von 80 Prozent mit gut bis sehr gut bewertet, bei den Wartungsarbeiten sind es 92 Prozent der Halter, die dies mit gut bis sehr gut bewerten.

Die Marken Porsche, Mercedes, VW und BMW werden von den Werkstätten bezüglich der Teileversorgung mehrheitlich noch als gut oder sehr gut beurteilt. Als schwierig werden Ford und Opel gesehen. Auch bei den italienischen und asiatischen Marken sehen 40 Prozent Probleme bei der Verfügbarkeit, ein sehr hoher Wert im Vergleich zum Branchenprimus Porsche. Hier berichten nur sechs Prozent über Probleme.

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Die Halter sind bei der Werkstattsuche auch bereit längere Anfahrtswege in Kauf zu nehmen (Bild: Wolk & Nikolic After Sales Intelligence/BBE Automotive)

Laut der Studie hat die Branche aber auch Probleme mit Fachkräften. Gerd Heinemann bezeichnet es so: „Sie ist klein, reif und erfahren.“ Das Alter der Inhaber der Werkstätten mit 56 Jahren „nicht mehr ganz jung“. Um die Zukunft zu gestalten, „muss vor allem der Wissenstransfer neu organisiert werden, ältere Betriebsinhaber müssen Unternehmensnachfolge und Know-how-Erhalt frühzeitig organisieren“.

„Der Markt bleibt in den nächsten fünf bis sieben Jahren stabil und verändert sich weiter hin zu preiswerteren Volumenfahrzeugen. Die weitere Entwicklung ist auch abhängig von der politischen Debatte und der Teileversorgung. Die teilweise extrem schlechte Teileversorgung könnte im schlimmsten Fall zu Stilllegungen verschiedener Modelle führen. Hier braucht es neue Lösungen zum Beispiel durch mehr Kooperationen in der Ersatzteilbranche,“ so Wolk & Nikolic- Geschäftsführer Zoran Nikolic.

Die mehr als 130 Seiten umfassende Studie kann über Wolk & Nikolic bezogen werden.

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